In einem der größten Prozesse wegen falscher Masken-Atteste hat das Gericht die Weinheimer Ärztin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ordnete an, rund 28.000 Euro einzuziehen. Zudem erhielt die Medizinerin ein dreijähriges Berufsverbot. Sie nahm das Urteil regungslos an. Die Bürokraft der Ärztin muss eine Geldstrafe in Höhe von 2.700 Euro zahlen.
Bei den 28.000 Euro handelt es sich nach Angaben der Richterin um die Summe, die die Ärztin für das Erstellen der Atteste von den Empfängerinnen und Empfängern eingenommen hat. Bundesweit hätten Menschen entsprechende Atteste bestellt und bekommen - ohne dass die Ärztin sie untersucht hätte oder auch nur Kenntnisse über etwaige Vorerkrankungen gehabt hätte. Es seien auch keine Patientenakten angelegt worden. "Der Vorgang erinnert eher an einen Verkauf von Attesten als an eine medizinische Maßnahme", hieß es in der Mitteilung. Die Verteidigung der Ärztin kündigte an, in Berufung gehen zu wollen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Keine Freiheitsstrafe für Angestellte
Im Fall der angestellten Bürokraft ging das Gericht davon aus, dass die Frau "von ihrer Vorgesetzten zu den Taten angewiesen worden ist und mutmaßlich ihrer Rechtspflicht nur hätte nachkommen können, wenn sie ihre Anstellung aufgegeben hätte". Daher befand es eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro als ausreichend und sah von einer Freiheitsstrafe auf Bewährung ab.
Demonstrationen vor dem Amtsgericht
Am Prozesstag am Montag hatten sich zeitweise rund 150 Menschen vor dem Amtsgericht Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) versammelt. Laut Polizei handelte es sich dabei um eine angemeldete Demonstration. Die Demonstrantinnen und Demonstranten trugen Plakate mit Aufschriften wie: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" oder "Die Corona-Maßnahmen schaden den Schwächsten und nützen niemandem".
Schwere Vorwürfe der Verteidigung
Im Gerichtssaal hatte zunächst die Anwältin der mitangeklagten Bürokraft der Ärztin ihr Plädoyer gehalten. Die Verteidigerin bezeichnete den Prozess als - so wörtlich - "Terrorprozess", zog Nazi-Vergleiche und sprach von einem "totalitären Corona-Regime". Die angeklagte Ärztin hat nach Ansicht des Gerichts in weit über 4.000 Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt.
Staatsanwaltschaft forderte Haftstrafe
Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre Haft und ein dreijähriges Berufsverbot für die Ärztin gefordert. Sie sah den Tatbestand des "Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse" erfüllt. Als rechtlichen Hintergrund führte die Staatsanwältin an, dass ein Attest laut Bundesgerichtshof bereits dann als falsch gilt, wenn ein Zeugnis über einen Befund ausgestellt wird, ohne dass eine Untersuchung stattgefunden hat.
Angeklagte hält Masken für schädlich
Die Angeklagte hatte sich in der Vergangenheit öffentlich als Masken-Gegnerin positioniert und trat auch bei Veranstaltungen als Rednerin auf. Sie behauptet, dass das Tragen von Masken generell gesundheitsschädlich sei und unter anderem zu Atemschwierigkeiten und der Gefahr einer Re-Infektion führe. Deshalb habe sie aus Überzeugung über 4.000 Atteste größtenteils ohne direkten Patientenkontakt ausgestellt.