Auszeichnung

Arno-Reinfrank-Literaturpreis für Lyrikerin Anja Kampmann

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AUTOR/IN
Kerstin Bachtler

Sie sind wie „wilde Geschosse, die man in die Welt setzt“, sagt die Lyrikerin Anja Kampmann über ihre Gedichte. Die 40-Jährige, die in Leipzig lebt, hat bisher zwei Lyrikbände und einen Roman veröffentlicht. Am 6. März wurde sie mit dem Arno-Reinfrank-Literaturpreis der Stadt Speyer ausgezeichnet.

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Lyrik war die erste Form, die Anja Kampmann wählte, um ihre Eindrücke von der Welt literarisch wiederzugeben. Ihre Gedichte sind narrativ. Wenn man den Zeilensprung ihrer Verse außer Acht lässt, wirken die Texte fast wie Prosa. 

2016 veröffentlichte sie ihren ersten Lyrikband „Proben von Stein und Licht“, zwei Jahre später ihren ersten Roman „Wie hoch die Wasser steigen“ über die außergewöhnlichen Lebenserfahrungen eines Mannes auf einer Ölbohrinsel und zuletzt 2021 wieder einen Lyrikband. Er trägt den Titel eines Gedichts: „Der Hund ist immer hungrig“.

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Kampmann schreibt im eigenen Ton über das, was sie bewegt

In diesem Gedicht steck(t)en Kritik, Wut und auch ein Gefühl von Resignation angesichts der gegenwärtigen Geldgier der Industrieländer und der dadurch ausgelösten Umweltzerstörung. Dieses Thema treibt viele junge Autorinnen und Autoren um, doch Anja Kampmann hat ihren ganz eigenen Ton gefunden, über Aktuelles, aber auch über geschichtliche Zusammenhänge und über philosophische Fragestellungen zu schreiben. 

Eigentlich ist es ja kaum auszuhalten. Aber die Art, wie man draufschaut, kann auch eine Energie freisetzen und kann einen auch wieder ermächtigen, zu sagen: Was ist da eigentlich los?

Es dauerte, sich vom Gelernten zu emanzipieren

Anja Kampmann studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Schriftstellerin wurde sie jedoch erst, als sie begann, sich von dem Gelernten zu lösen: „Ich habe dieses Institut in Leipzig 2009 abgeschlossen und der erste Lyrikband kam dann 2016, also viel später. Und das hatte auch damit zu tun, dass ich das Gefühl hatte, dass ich mich von ganz viel freischwimmen musste, was man gehört hat darüber, wie Texte sein sollen. Ich wollte mich einfach auf meine eigenen Hinterbeine stellen und gucken, was bedeutet mir das.“

Anja Kampmann will in ihren Texten die Sprache ausloten, sie spielt virtuos mit Rhythmen und mit Bildern. Die Lyrik bot ihr dabei zunächst den größten Freiraum, der sie bis heute fasziniert.

Momente im Gedicht, wo es „irgendwie abhebt“

„Bei mir war es eben, dass ich das Gefühl hatte und habe, dass das irgendwie wilde Geschosse sind, die man da in die Welt setzt. Einerseits versuche ich schon, Sachen zu erzählen, aber andererseits gibt es im Gedicht immer Momente, wo das irgendwie abhebt. Und dann hat man auf einmal einen Zugang zu einem Thema, einen besonderen Ton wie eine bestimmte Farbe oder so etwas, die einem eigentlich erlaubt, noch einmal anders auf die Welt zu sehen oder Themen anders zu sehen.“

Diese Erfahrung verbindet Anja Kampmann mit dem Autor, Lyriker, Essayisten und Publizisten Arno Reinfrank. Er wurde 1938 in Mannheim geboren und ging mit 19 Jahren nach London ins Exil – aus Protest gegen die deutsche Kulturpolitik.

Er schrieb sein Leben lang auf Deutsch, setzte sich in seinem Werk kritisch mit Wissenschaft und Technik auseinander und blieb dabei stets den Idealen des Humanismus verpflichtet. Diese Haltung erkennt Arno Reinfranks Witwe Jeannette Koch, die den Literaturpreis gestiftet hat, in allen bisherigen Preisträgern, auch bei Anja Kampmann.

Bewunderung für Arno Reinfrank

In ihrer Dankesrede drückte Anja Kampmann ihre Bewunderung für Arno Reinfrank aus, ohne ihn ein Vorbild nennen zu wollen. Bei der Lektüre ihrer Texte lassen sich spannende Parallelen erkennen, die zeigen, dass hier zwei eigenständig Schreibende mit der gleichen offenen Einstellung auf die Welt blicken. 

Anja Kampmann hat dafür ebenso wie Arno Reinfrank ihre individuelle Sprache gefunden: klar und deutlich, klangvoll und poetisch.

Arno-Reinfrank-Literaturpreis

Der Literaturpreis wird alle drei Jahre in Erinnerung an den Schriftsteller Arno Reinfrank (1934-2001) von der Stadt Speyer vergeben. Mit dem Preis werden deutschsprachige Schriftsteller für herausragende literarische Leistungen in Lyrik oder Prosa ausgezeichnet, die im Sinne des Werkes von Arno Reinfrank den Idealen des Humanismus und der Aufklärung verpflichtet sind.

Preisträgerinnen und Preisträger sind: Tijan Sila (2021), Björn Kuhligk (2018), Svenja Leiber (2015), Daniela Dröscher (2012), Monika Rinck (2009) und Jan Wagner (2006).            

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Kerstin Bachtler