SWR2 lesenswert Magazin Nicht schön! – Neue Bücher zu Mord und Totschlag
Neue Bücher von Ronya Othmann, Lize Spit, Lilja Sigurðardóttir, Percival Everett und Bernadine Evaristo
Eigentlich hat sie es geschafft. Sie arbeitet in einem Amsterdamer Start-up und hat das Milieu, aus dem sie stammt, hinter sich gelassen. Doch ihr Job ist öde, ihre Kollegen sind arrogante Schnösel und ihr Arbeitsplatz ist kaum mehr als eine Abstellkammer, die sie mit dem Drucker teilt. Xerox. Der bald viel mehr als nur ein Drucker für sie ist. Denn Xerox hört ihr zu und ist immer für sie da. Das führt prompt zu ihrer Kündigung. Und Xerox bleibt zurück. Fien Veldmans gefeiertes Debüt, das die Leere der modernen Arbeitswelt entlarvt, ist in der Übersetzung von Christina Brunnenkamp im Hanser-Verlag erschienen und wird von Maria Wördemann eindrucksvoll gelesen.
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury , bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.
Zadie Smith ist ein literarischer Weltstar. Sie lebt schon immer in Londons Nordwesten, hier spielen viele ihrer Romane. „Was können wir je über andere wissen?“ ist eine Kernfrage ihres Werks.
Zum 100. Todestag von Franz Kafka widmen ihm Daniel Kehlmann und David Schalko eine ARD-Serie. Mit Denis Scheck besuchen sie Kafkas Prag.
Denis Scheck stellt seinen ganz persönlichen Kanon der Weltliteratur vor, der weder Sprach- noch Genregrenzen kennt, also bei Märchen, Krimi, Fantasy, Comic und Science Fiction noch lange nicht aufhört.
Denis Scheck über das Gedicht „Unsieg“ des libanesisch-amerikanischen Dichters: „Ich werde mich noch oft umschaufeln müssen, um Khalil Gibran zu begreifen. In meinem Kanon ist er mir vermutlich der Fernste. Aber ihn und seine Schule auszuschließen? So verarmen möchte ich denn doch nicht.“
Europa zittert vor einer Wiederwahl des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Aber geht es hier „nur" um eine Personalie oder liegt das Problem nicht tiefer: verwurzelt in den Strukturen und Haltungen der Republikanischen Partei. Das zumindest meint die Autorin Annika Brockschmidt, die eine kenntnisreiche, kritische Geschichte der Republikaner vorlegt.
Rowohlt Verlag, 366 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-498-00330-2
In den USA sind Schusswaffen allgegenwärtig, immer griffbereit, und entsprechend oft kommen sie zum Einsatz. An die 40.000 Tote im Jahr sind das bittere Resultat. Wie kam es dazu, was ließe sich dagegen tun? Das fragt Paul Auster in seinem Essay „Bloodbath Nation".
Aus dem Englischen von Werner Schmitz
Rowohlt Verlag, 192 Seiten, 26 Euro
ISBN 978-3-498-00323-4
Das Internet ermöglicht den permanenten Zugriff auf Spiele, Pornographie oder Online-Shopping. Anfänglich ein Genuss, wird der Klick auf die Lieblingsseiten schnell zur Sucht. Die Neurologin und Psychotherapeutin Heike Melzer führt in ihrem Buch „Versteckte Köder“ anschaulich vor, wie Menschen fast unmerklich in die Online-Abhängigkeit rutschen, was sie mit ihnen macht und wie sie ihr entkommen.
Hanser Verlag, 256 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-446-27969-8
Die Lyrikerin Anna Breitenbach ist keine Schreibtischtäterin, die stundenlang darauf wartet, dass ihr ein Gedicht einfällt. Sie findet Inspirationen zu ihrer Lyrik überall - oft fällt ihr spontan etwas ein, woraus sie ein Gedicht macht. Das kann beim Autofahren passieren, beim Kochen oder beim Lesen einer Lastwagenaufschrift. Anna Breitenbachs Gedichte sind witzig und temperamentvoll, haben aber auch Tiefgang und regen zum Nachdenken an.
Das Buch „Den Krieg übersetzen“ ist ein Sammelband mit Texten von ukrainischen Lyrikerinnen und Lyrikern, die ihr Erleben des Krieges in Gedichten abbilden.
Lyrik und Prosa haben für die Schriftstellerin Anja Kampmann viel miteinander zu tun. In ihren Gedichten und in ihrem Roman ist es Kampmann wichtig, gute Geschichten zu erzählen und dabei die Welt aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Für Ihre nachdrücklichen Wort-Betrachtungen wurde die Schriftstellerin jetzt mit dem Arno-Reinfrank-Preis der Stadt Speyer ausgezeichnet. Kerstin Bachtler hat mit Anja Kampmann über Ihre Arbeitsweise gesprochen.
Margarita ist 15 und als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre, kommt noch Einiges dazu: Ihr jüdisches Leben in Berlin bei ihrem alleinerziehenden Vater, ihre Ferien bei den Großeltern in den USA, die unverhofft zu einem Aufenthalt bei ihrer Mutter in Israel werden. Denn Margarita soll ihre Mutter, die die Familie vor langem verlassen hat, besser kennenlernen. Dana Vowinckel erzählt die Geschichte einer zerrissenen Familie aus zwei Perspektiven, die im Hörbuch jeweils eigene Stimmen bekommen: Lili Zahavi ist eine sehr glaubwürdig pubertierende Margarita, und Jaron Löwenberg verkörpert den Vater Avi, der trotz all seines Strauchelns eine souveräne Figur abgibt. Ein nicht nur mehrstimmiges, sondern auch inhaltlich vielschichtiges Hörerlebnis, das zum Nachdenken anregt und manchmal auch zum Widerspruch.
Eigentlich hat sich der berühmte Spurenfinder Elos von Bergen zur Ruhe gesetzt, vor allem zum Schutz seiner Zwillinge Ada und Naru. Denn bei seinen bisherigen Abenteuern hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Doch dann geschieht ausgerechnet im beschaulichen Friedhofen ein Mord: Ein Fall für Elos von Bergen und diesmal sind seine Kinder mit von der Partie. Marc-Uwe Kling hat mit seinen beiden Töchtern eine fantastische Welt kreiert, von der sie locker und lustig erzählen, auch wenn es zwischendurch sehr gefährlich und spannend wird. Der Fall ist so komplex, dass man ihn danach gleich nochmal hören will, um selbst Spuren zu suchen – nein, zu finden.
Baumgartner sitzt immer noch fast jeden Tag an seinem Schreibtisch, obwohl er schon über 70 Jahre alt ist und als Professor emeritiert. Er ist allein, seit seine große Liebe Anna vor zehn Jahren bei einem Badeunfall ums Leben kam. Die Erinnerung an sie ist noch sehr lebendig, genauso wie die an seine Eltern oder kurze Szenen, die plötzlich wieder vor seinem inneren Auge auftauchen. Urs Remond liest die anspruchsvoll verschachtelten Sätze Paul Austers souverän und verleiht den Erinnerungen Baumgartners mit seiner markanten Stimme eine angenehme Atmosphäre.
Am 20.März 2024 wird der österreichische Schriftsteller siebzig Jahre alt. Aus diesem Anlass erscheint ein Band mit gesammelten Erzählungen aus vier Jahrzehnten.
Vor zehn Jahren beging die Terrormiliz des Islamischen Staats einen Völkermord an den Jesiden. Die Schriftstellerin Ronya Othmann dokumentiert in ihrem Roman „Vierundsiebzig“ die Geschehnisse.
Der Film „Comandante" fiel 2023 bei der Kritik durch: zu pathetisch! Mit ihrem zeitgleich entstandenen Roman aber haben Edoardo de Angelis und Sandro Veronesi eine Erzählung vorgelegt, die weniger dick aufträgt: Ihr Roman „Comandante" erinnert daran, dass auf See höhere Gesetze gelten als Phrasen von Pflichterfüllung und Vaterland. Ein Roman, der die Unmenschlichkeit und die Sinnlosigkeit aller Kriege in Erinnerung ruft.
Aus dem Italienischen von Anna und Wolf Heinrich Leube
Zsolnay Verlag, 158 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-552-07389-0
Die Krimiszene Islands ist so aktiv wie seine Vulkane. Schuld daran ist auch Lilja Sigurðardóttir und ihre neue Krimiserie.