Lothar Wieler und Corona: Ex-Chef des RKI über Fehler und Aufarbeitung der Pandemie

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Nabil Atassi
SWR1 Moderator Nabil Atassi (Foto: SWR)

Lothar Wieler hat als Chef des RKI die Regierung zu Corona beraten. Welche Fehler wurden in der Pandemie gemacht und welche Lehren kann die Gesellschaft daraus ziehen?

»Es gibt zwei Dinge, die mich überrascht haben: Das eine ist das Ausmaß an Falschmeldungen, an Fehlinterpretationen - und wirklich an destruktiver Kommunikation. Und das Zweite […] war das Ausmaß der Veränderung des Virus, also die Virusevolution.«

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Kaum eine Person war in den letzten drei Jahren medial so präsent wie Prof. Lothar Wieler als Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Während der Corona-Pandemie waren seine Pressekonferenzen mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem folgenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die er im blauen Jackett vor der blauen Wand in der Bundespressekonferenz abhielt, ein Fixpunkt in der Woche.

»Ich bin schon lange der Papagei.«

Seine Aufgabe als RKI-Chef war es, die Bundesregierung mit Daten, Fakten und Empfehlungen zur Eindämmung der Pandemie zu versorgen.

Tierarzt erklärt Viren und Übertragung

Der studierte Tiermediziner, Mikrobiologe und renommierte Wissenschaftler Wieler war mit seiner Expertise zum Zusammenspiel von Mensch, Tier und Umwelt bei der Übertragung von Infektionserkrankungen fachlich der richtige Mann in der Coronapandemie. Er nahm die Rolle des Mahners ein: "Maske aufsetzen, Händewaschen, sich isolieren und impfen lassen", das war jede Woche sein Mantra.

»Es gab ja eine regelrechte Symbolik, dass Masken ein Symbol der Unfreiheit seien. Und wenn so diskutiert wird, so populistisch und destruktiv, dann ist es tatsächlich schwer, fachlich inhaltlich ausgewogen zu diskutieren.«

Mit dem Fortschreiten der Pandemie geriet Wieler auch ins Visier von Kritikern und Coronaleugern, bekam sogar Morddrohungen. Auch sein Zusammenspiel mit der Politik lief nicht immer konfliktfrei ab: Schon mit Spahn gab es Reibungen, mit Lauterbach kam es dann im Herbst 2022 zu Gerangel um Kompetenzen und Kommunikationschaos.

»Es gibt einen großen Strauß an Dingen, die alle bekannt sind, und auch schon vor der Pandemie bekannt waren. Die man leider oft erst angeht, wenn die Krise schon da ist.«

Wieler wechselt zum Hasso-Plattner-Institut

Ende März 2023 wurde Wieler beim RKI verabschiedet. Sein Weggang war eine Überraschung und erfolge "im Einvernehmen" mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

»Wenn man acht Jahre irgendwo ist, ich denke, das ist eine lange Zeit. Und es ist gar nicht so schlecht […] wenn da mal wieder ein neuer Chef, eine neue Chefin kommt.«

Wieler arbeitet jetzt in Potsdam und forscht zur Digitalisierung des Gesundheitswesens am Hasso-Plattner-Institut (HPI). Dort ist er Sprecher des neuen Clusters Digital Health, wo er sich mit dem Ziel einer besseren digitalen Vernetzung beschäftigt. In SWR1 Leute spricht er über seinen wissenschaftlichen Weg hin zu seiner Rolle als "Chef-Covid-Erklärer", darüber, welche Fehler rückblickend während der Corona-Pandemie gemacht wurden und wie nötig eine Aufarbeitung ist.

»Etwas, was man sicher im nach hinein betrachten muss, ist diese starke, binäre Betrachtungsweise schwarz/weiß, schlecht/gut [...] Wo hier und dort das Vertrauen etwas verloren gegangen ist, das müssen wir uns schon nochmal anschauen. Denn: Es werden ja noch weitere Krisen kommen. Und dann sollte man versuchen, diesen Vertrauensverlust möglichst gering zu halten.«

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