Platz 8 (25 Punkte)

Nana Kwame Adjei-Brenyah: Friday Black

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Es ist ein Gemeinplatz, wenn man feststellt, dass die Literatur visionäre Kraft hat und hin und wieder die Wirklichkeit vorwegnimmt. Zumal der Gedanke, dass ein Erzählungsband mit der Praxis des Alltagsrassismus in den USA auseinandersetzt, nun nicht eben überraschend ist. Dennoch: Die Erzählungen des 1990 in New York als Sohn ghanaischer Einwanderer geborenen Nana Kwame Adjei-Brenyah gelten angesichts der Proteste in ganz Amerika durchaus als Buch der Stunde.

In einer der Erzählungen kommt es tatsächlich nach einem offensichtlich rassistisch motivierten Gerichtsurteil zu einem öffentlichen Aufruhr: Ein Vater, weiß, tötet mit einer Kettensäge fünf Kinder, schwarz; angeblich, weil er sich bedroht fühlt. Die ebenfalls weiße Jury spricht ihn frei. Der Fokus der zwölf Erzählungen liegt nicht ausschließlich auf dem Thema Rassismus: Konsumgeilheit, soziale Ungerechtigkeit und niedrige Gewalthemmschwellen verdichten sich zu einem streckenweise surreal und dystopisch grundierten Bild eines Landes, in dem der Mob beim Sturm auf Sonderangebote in einem Kaufhaus keine Rücksichten mehr kennt und in dem der verlorene Anstand der Normalzustand ist.

Das liest sich streckenweise so, wie sich ironisch aufgeladene Splatterfilme anschauen lassen: Adjei-Brenyahs Humor ist bitter und überdreht, aber dahinter steckt ein tiefer Ernst. Gewalt ist das Fundament, auf dem seine Welt steht.

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Autor/in
SWR