Lokalhelden mit Schattenseiten

Hegel, Steiner, Zetkin – Ausstellung „Not My Hero“ kratzt am Glanz Stuttgarter Helden

Stand
Autor/in
Andreas Langen

Ein Crashkurs in Denkmal-Demontage: Sieben Lokalhelden von Friedrich Hegel bis Clara Zetkin knöpft sich das Stuttgarter Stadtpalais in einer orginellen Ausstellung vor und holt deren problematische Ansichten ans Licht. Doch anstatt die Vorbilder zu canceln möchte das Museum Widersprüche aushalten und die Debatte anregen.

Heldensagen im Stuttgarter Stadtmuseum

Das hier knallt so richtig. Im dritten Stock des Stuttgarter Stadtmuseums geht es um Größen der Stadtgeschichte, aber nicht im Stil einer ehrenvollen Würdigung, sondern mit Effekten wie vom Rummelplatz: Sieben quietschbunte Kojen voll poppiger Ausstellungsstücke, jeweils flankiert von einem interaktiven Display im Design eines übergroßen Smartphones präsentieren die Helden – ein Jahrmarkt der digitalen Eitelkeiten.

Ausstellung „Not my Hero“ im Stadtpalais Stuttgart
Schrill und bunt – historische Heldengeschichten ins Social-Media-Zeitalter übersetzt.

„Viel zu bunt, viel zu grell“, sagt die Kuratorin Elena Kaifel. Für die Ausstellung habe sie die historischen Helden herüberholen wollen in die schrille Gegenwart digitaler Medien.

Lokalhelden mit Schattenseiten

Für diesen Ritt in der Zeitmaschine haben die Wissenschaftler des Stadtmuseums sieben Promis ausgesucht, die auf unterschiedliche Weise mit Stuttgart verbunden sind: der Philosoph Hegel, der Musemsstifter Linden, der Anthroposophie-Erfinder Rudolf Steiner, die Kommunistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin, Ingenieur Ferdinand Porsche, Hitler-Attentäter Stauffenberg, und der Industrielle Hanns-Martin Schleyer.

 „Wir haben Heldinnen und Helden, die einerseits gefeiert werden für ihre Errungenschaften, die aber auch, wenn man genauer hinschaut, Schattenseiten hatten“, sagt Kaifel.

 Friedrich Hegel: Sexist

Diese Dunkelzonen erschließen sich erst, wenn man buchstäblich hinter die Kulissen der Social-Media-Inszenierung schaut. Dort haben die Ausstellungsgestalter spröde Archiv-Räume nachgebaut mit Pappschachteln, Metallregalen und Lesetischen voller Bücher, Fotos und Zeitschriften. Diese Quellen zeichnen ziemlich problematische Bilder der vermeintlichen Heroen. Beispiel Hegel, den sein Zeitgenosse Goethe für den bedeutendsten Deutschen hielt.

Hegel gilt als Philosoph der Vernunft, aber er schrieb: „Der Mann ist das Tätige, das Weib ist das Empfangende. Frauen können gebildet sein, aber für Wissenschaften, Philosophie und Kunst sind sie nicht gemacht. Der Unterschied zwischen Mann und Frau ist wie zwischen Tier und Pflanze.“

Rudolf Steiner: Rassist

Oder Rudolf Steiner, der in Stuttgart die erste Waldorfschule der Welt gründete und eine feingeistige Pädagogik entwickelte. Er sagte 1909 bei einem Vortrag in Berlin, in Europa habe der Mensch das Vorderhirn in Anspruch genommen, in Amerika dagegen lebten Menschen, die „eigentlich zugrunde gehende Neger sind - die Indianer.“ 

Ausstellung „Not my Hero“ im Stadtpalais Stuttgart
Akteneinsicht im Stuttgarter Stadtmuseum: Besuchende spüren die Schattenseiten vermeintlicher Lokalheldinnen und -helden auf.

Ähnlich Schockierendes ist über jeden der Dargestellten zu finden. Die Ruchlosigkeiten gipfeln bei Ferdinand Porsche, der für seine Panzer- und Raketenproduktion bei Himmler und Hitler persönlich unzählige Zwangsarbeiter anforderte und auch bekam.

Crashkurs in Denkmal-Demontage

Es ist ein Crashkurs in Denkmal-Demontage, und er soll Fragen provozieren, sagt Kuratorin Kaifel. „Wie gehen wir mit Personen um, die unsere Vorbilder sind, aber andererseits auch daneben treten – canceln wir sie?“

Solche Fragen werden landauf, landab verhandelt – bei der Umbenennung von Schulen und Straßen, der Restitution von geraubtem Kulturgut, den Diskursen um gesellschaftliche Identität. Das Stadtmuseum Stuttgart fügt diesem notwendigen Streit mit dieser originellen Ausstellung einen weiteren Impuls hinzu – dessen Absicht vor allem ist, niemals die Debatte selbst zu canceln.

„Es ist wichtig, dass man immer in Kontakt bleibt und spricht“, sagt Kaifel, „weil es eben nicht nur gut und schlecht gibt, Held oder nicht Held. Man muss sich gesamtheitliches Bild machen.“

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