Restauriertes Kunstgebäude Stuttgart

Picasso, Porsche, Baumarkt – Florian Slotawas Skulpturen im Kunstgebäude Stuttgart

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AUTOR/IN
Andreas Langen
Andreas Langen, Autor und Redakteur, SWR Kultur (Foto: Andreas Langen)

Der Künstler Florian Slotawa kombiniert Meisterwerke der Skulptur mit eigenen Arbeiten, die oft aus Alltagsgegenständen bestehen. Zur Eröffnung des restaurierten Kunstgebäudes in Stuttgart zeigt Slotawa dort nun prominente Werke aus der Sammlung der Staatsgalerie zusammen mit Artikeln aus dem Baumarkt und einem Porsche, der als Vitrine dient.

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Wenn das mal kein Künstler-Traum ist: Der Bildhauer Florian Slotawa durfte sich für seine aktuelle Ausstellung quasi beliebig aus den Beständen der Staatsgalerie Stuttgart bedienen. Der Haken dabei: allein die Abteilung für Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts umfasst rund 5000 Stück.

Ausstellung Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart (Foto: SWR, Andreas Langen)
Kontrastiert Meisterwerke der Staatsgalerie mit eigenen Arbeiten aus Alltagsgegenständen: Der Künstler Florian Slotawa.

Was wählt man da aus? „Alles, was ich auch gern zu Hause in der Wohnung hätte“, witzelt Florian Slotawa und kommt gleich mal auf ein Objekt zu sprechen, das die Dimensionen der meisten Wohnungen sprengen würde: Ein 25 Meter langer, auf Hochglanz polierter Messingstab von Walter de Maria, mit dem schönen Titel „Anfang und Ende der Unendlichkeit“.

Fünfzig halbmeterkurze Holzkisten

Der passt noch nicht mal in das eigentlich großzügige Kunstgebäude am Schlossplatz. Also holte Slotawa den Unendlichkeits-Stecken so in seine Ausstellung, wie er aus praktischen Gründen eingelagert ist: in fünfzig halbmeterkurzen Holzkisten, durchnummeriert und aufgestellt in Reih und Glied.

Ausstellung Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart (Foto: Pressestelle, Staatsgalerie Stuttgart ©VG Bild-Kunst, Bonn 2024)
Der 25 Meter lange Messingstab von Walter de Maria, aufgreiht in fünfzig halbmeterkurzen und durchnummerierten Holzkisten ...

Das raumgreifende Kisten-Raster kombiniert Slotawa mit betont bescheidenen Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen er vor einigen Jahren seinen kompletten Hausstand dokumentiert hat,  zum Beispiel Messer, Gabeln und Löffel, aufgereiht wie die Holzkisten in der Ausstellung: “Und dadurch gibt es eine formale Entsprechung oder eine formale Verwandtschaft.“ 

Ironisches Gegengewicht zum monumentalen Rang der Klassiker 

Und vor allem gibt es ein subtil ironisches Gegengewicht zum bisweilen monumentalen Rang der Klassiker aus der Staatsgalerie. Am deutlichsten wird das bei Slotawas Antwort auf Picassos abstrakte Figurengruppe der „Badenden“, im Original sechs Figuren aus Holz, Brettern und anderen Fundstücken. Das Ensemble gilt als ein Höhepunkt in der Sammlung der Staatsgalerie. 

Ausstellung Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart (Foto: SWR, Andreas Langen)
Florian Slotawa: „Ich bin mit dem Foto von dem originalen Picasso-Ensemble von den Badenden in den Baumarkt gegangen, habe immer so geschaut was gibt es da so im Angebot oder in den Regalen, hab dann eingekauft, gebaut, Sachen auch wieder zurückgebracht, umgetauscht, mit einem Kassenzettel geht es ja, solange bis dann eben wirklich nach drei, vier, fünf Wochen oder so die Skulpturen bei mir im Atelier standen.“

Nix wie rein in den Baumarkt!

Da die Figurengruppe aus konservatorischen Gründen nicht transportiert werden darf, dachte sich Slotawa: „Dann macht man den Picasso halt selber“ und nimmt dabei den Stammtisch-Kommentar aller Moderne-Verächter gleich mit auf die Schippe: Kann doch jeder!

Also nix wie rein in den nächsten Baumarkt, frei nach dem Motto: Es gibt immer was zu tun.

Picasso nachgebaut aus Bügelbrett, Putzschwamm, Gartenharke und Alu-Profil

Jetzt stehen sie neben dem einzigen großen Fenster des Kunstgebäudes, das rausgeht auf den Eckensee vorm Opernhaus: Picassos Wiedergänger, in Form und Größe ziemlich genau den Originalen entsprechend, jetzt aber gebastelt aus Bügelbrett, Putzschwamm, Gartenharke und Alu-Profil.

Ausstellung Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart (Foto: Pressestelle, Achim Kukulies, Düsseldorf ©VG Bild-Kunst, Bonn 2024)
Florian Slotawa: Hamburger Reihe, 2018, Ausstellungsansicht, Deichtorhallen Hamburg.

Porsche 911 zur Vitrine umfunktioniert

Im vorletzten Kabinett des Rundgangs hat Slotawa einen nagelneuen Porsche 911 zur Vitrine umfunktioniert. Hinterm Steuer thront ein gold glänzender Metallkopf im Art-Déco Stil der 1920er Jahre – ein Werk des Bildhauers und Auto-Narren Rudolf Belling.

An der Wand gegenüber aber hängt eine schäbige, total verdreckte Blechtröte von Jannis Kounellis, die einen schwarzen Rußschleier auf der weißen Museumswand hinterlassen hat – ein Schelm, wer Feinstaub dabei denkt.

Falls es aber jemand nicht goutiert, wie Florian Slotawa hier mit den Säulenheiligen der Moderne umspringt, so kann er oder sie vom Kunstgebäude aus einfach die Straßenseite wechseln, empfiehlt Kurator Hendrik Bündge.

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