Die Bissula hat es nach Dillingen geschafft. Schon am frühen Mittwochabend erreichten die Forscher mit dem Nachbau des römischen Handelsschiffes den Hafen im Saarland. "Wir sind selbst überrascht, dass wir so schnell waren", sagte Professor Christoph Schäfer, der das Projekt leitet.

Dafür waren die Wissenschaftler und Studenten aber auch früh am Morgen im Trierer Hafen Monaise losgefahren. Schon gegen sieben Uhr hatte die Crew die Leinen losgemacht. Denn die Fahrt über Mosel und Saar dauert einige Stunden.
Projekt ist weltweit einzigartig

Christoph Schäfer hat lange auf diesen Tag gewartet: "Wir sind sehr froh, auch ein bisschen aufgeregt, weil es jetzt losgeht. Es ist schon ein riesiges Unternehmen, was wir hier machen." 2019 hat sein Team den römischen Handelsfrachter nachgebaut. Bislang war das Holzschiff aber nur auf der Mosel unterwegs. Diesmal soll die Reise die "Bissula" aber bis ans Mittelmeer bringen. Das Ziel: Cannes in Südfrankreich.
Testfahrten auf der Mosel
"Wir konnten auf der Mosel gut feststellen, wie hoch das Schiff an den Wind gehen kann", sagt Professor Christoph Schäfer, der das Projekt leitet: "Das heißt, in welcher Richtung zum Wind kann man wie schnell segeln." Was die Forscher auf dem Fluss hingegen nicht erproben konnten, ist, wie das Schiff sich bei Wellengang oder starken Strömungen verhält. Das wollen sie nun mehrere Wochen lang in der Bucht von Cannes testen.

Vorher muss die Bissula aber erstmal in Südfrankreich ankommen. Und schon die Überfahrt des 16 Meter langen und fünf Meter breiten Kahns birgt Herausforderungen. Nachdem das Schiff am Mittwochmorgen in Trier abgelegt hat, fuhr es die Mosel und die Saar entlang bis nach Dillingen im Saarland. Gefahren wurde aber nicht mit dem Wind, sondern mit einem Dieselmotor. "Mit dem Mast hätten wir gar nicht unter den vielen Brücken an Saar und Mosel durch gepasst", sagt Schäfer.
Die Fahrt über die Saar verlief ruhig, sanft glitt das Schiff über den Fluss. Rauer dürfte es auf hoher See zugehen, sagt der Professor. Ob die Bissula den Wellen überhaupt standhält, sei noch unklar. Es sei sogar möglich, dass das Schiff kentert, weil es über keinen schweren Kiel verfügt.

Projekt ist weltweit einmalig
Auch Johanna Klusch kennt die Tücken des Frachters. Die Studentin segelt seit Jahren auf dem Rhein und nimmt auch an Meisterschaften teil. Daran, ein römisches Handelsschiff zu steuern, musste sich die 20-Jährige aber trotzdem erst gewöhnen. Denn der Frachter ist viel schwerer als die Segler, die sie gewohnt ist, und weniger wendig: "Ich hatte anfangs Respekt. Es hat dann aber super, super Spaß gemacht. Gerade weil es ganz anders ist, macht es das super interessant."

Klusch kann ihre Leidenschaft fürs Segeln mit ihrem Geschichtsstudium verbinden: "In so ein großes Forschungsprojekt reinschnuppern zu können, ist eine große Ehre und auch eine super Chance." Zumal die Herangehensweise von Christoph Schäfer und seinem Team "einzigartig" ist, wie der Professor sagt: "Die Versuche, die wir hier fahren, sind bislang einmalig. Es gibt nur diesen einen Nachbau eines römischen Handelsschiffs und daher auch keine Daten darüber, wie sich solche Schiffe auf See verhalten. Da ist aus der Antike kaum etwas überliefert."
Moderne Software für alte Seerouten
Und hier kommt Junior-Professor Pascal Warnking ins Spiel, der später ebenfalls zur Crew stoßen wird. Warnking will nämlich moderne Software nutzen, um Daten über das Schiff zu erfassen: Wie schnell kann es fahren, wie reagiert es auf Wind und Wetter? Wie weit konnten die Römer damit segeln? All diese Informationen will das Forschungsteam zusammentragen.

Im Dillinger Hafen warten die Forscher nun darauf, dass der Frachter auf einen großen Lastwagen geladen wird, der ihn bis nach Cannes transportiert. Eigentlich hatten die Forscher vor, den ganzen Weg auf dem Wasser zurückzulegen. "Manche Schleusen an den französischen Kanälen sind aber recht eng", erklärt Warnking: "Die Bissula hätte schlicht nicht durch gepasst."
Für einige Streckenabschnitte in Frankreich fehlen aber noch Genehmigungen für den Schwertransport, sagt Schäfer. Daher werde sich die Weiterfahrt möglicherweise um einige Tage verzögern.
Schiff könnte im Mittelmeer kentern
Richtig los geht es mit den Testfahrten aber ohnehin erst Anfang Oktober in Cannes. Bis Ende des nächsten Monats wollen die Forscher dort bleiben. "Von der touristischen Anziehungskraft und dem Glamour der südfranzösischen Filmstadt wird das Team vermutlich nur wenig zu sehen bekommen", teilte die Universität mit. Denn von Morgens bis Abends werde die Crew aus Studenten und Wissenschaftlern in der Bucht unterwegs sein - sofern das Schiff dem standhält.
Die Forscher sind aber guter Dinge, dass sie die Bissula wieder heil zurück nach Trier bringen. "Sie liegt uns sehr am Herzen", sagt Warnking: "Und deshalb werden wir auch alles daran setzen, dass sie nicht in Cannes untergeht."