Fast 90 Minuten dauert das Video, das im Gerichtssaal gezeigt wird. Es ist so still wie sonst fast nie in Saal 70 des Trierer Landgerichts. Alle kleben an den Lippen des Amokfahrers, wollen wissen, was der Mörder nur vier Stunden nach der Tat den Polizisten zu sagen hat.
Zu sehen bekommen sie einen Mann, der rein äußerlich nicht so wirkt, als habe er vor wenigen Stunden mehrere Menschen umgebracht. Zu Beginn der Vernehmung geht es um die Tage vor der Tat. Um den angeblichen Ärger mit einem Notar, der ihm mehrere hunderttausend Euro vorenthalten haben soll. Der Amokfahrer glaubt, er sei Opfer einer Verschwörung.
Er schildert in dem Video seine Probleme sehr blumig, detailreich und erzählt mit klarer Stimme. Er kann alle Nachfragen der Polizisten beantworten. Dabei wirkt er sehr präsent, sitzt breitbeinig in einem Sessel.
Sobald es zur Tat selbst kommt, hat er wenig zu sagen. "Ich habe keinen blassen Plan, warum ich das gemacht habe", antwortet er auf die Frage eines Polizisten, warum er in die Fußgängerzone abbog.
Amokfahrer sagt, er habe Filmriss
Am 1.12.2020 sei sein Plan gewesen, gegen Mittag in die Innenstadt zu fahren, um dort bei einer Bank Kontoauszüge abzuholen, berichtet er in der Vernehmung. Der Amokfahrer kann sich dabei ganz genau an die Route erinnern, die er vom Trierer Stadtteil Zewen aus genommen hat. Doch ab dem Zeitpunkt, an dem er in die Fußgängerzone abbog, hat er keine Erinnerung.
Mehrfach fragt der vernehmende Polizist nach, warum er das getan habe. "Ich habe keinen blassen Plan, warum ich das gemacht habe", antwortet ihm der Amokfahrer. Er wisse nicht, was er sagen solle, und dass er sich nicht vorstellen könne, so einen Blödsinn zu machen.
Er könne sich nur daran erinnern, wie er mit großem Druck auf dem Brustkorb und heißem Kopf an der Porta Nigra angehalten habe. Dann sei er ausgestiegen, habe sich eine Zigarette angezündet und gedacht, "ups, was war das denn gerade".
Nachdem der Amokfahrer mehrfach sagt, er könne nichts dazu sagen und habe auch keine Bilder von der Fahrt durch die Fußgängerzone, hält ihm einer der Vernehmer vor Augen, wie viele Menschen zu dem Zeitpunkt Opfer der Tat waren.
Amokfahrer von Trier seit Dienstag erneut vor Gericht Neuauflage Amokfahrt-Prozess: Für Hinterbliebene nur schwer zu ertragen
Wolfgang Hilsemer verlor bei der Amokfahrt in Trier seine Schwester, sein Schwager starb später an den erlittenen Verletzungen. Wie blickt er auf die Teil-Neuauflage des Prozesses?
15 Schwerverletzte gebe es, viele Menschen habe er meterweit mitgeschleift. Vier der Opfer seien mittlerweile tot, darunter ein Baby, sagt der Polizist. "Wenn ich hier rausgehe, muss ich die Fragen der Angehörigen beantworten, da kann man nicht sagen, ich weiß es nicht." Das mache kein Mensch: rast da raus und sagt dann, ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe.
Nach knapp 90 Minuten sind das Video und der Prozesstag zu Ende. Man spürt bei allen im Saal eine Beklemmung. "Das war schwer zu ertragen", sagt eine Frau beim Rausgehen.
Polizisten empfanden Vernehmung als skurill
Die Polizisten selbst schilderten ihre Erinnerungen an die Vernehmungen am Vortag.
"Er war fernab von allem, gut gelaunt, fragte nach den aktuellen Bundesligaergebnissen und bemängelte, dass es im Gefängnis für ihn keine Bücher gab", berichtet ein Polizist am dritten Prozesstag von einer Fahrt mit dem Angeklagten vom Gefängnis zur Vernehmung.
Das Verhalten des Amokfahrers in den Vernehmungen sei nicht in Einklang zu bringen gewesen mit dem, was passiert war, sagte ein Beamter. Der Täter sei redselig gewesen, froh über die Aufmerksamkeit, die ihm entgegengebracht wurde, habe gelacht.
Immer, wenn es um ihn und sein Leid ging, habe er sehr viel geredet. Der Trierer Amokfahrer behauptet, Opfer einer Verschwörung geworden zu sein, die in der Kindheit begann. Zur Amokfahrt durch Trier habe er geschwiegen. "Diese Situationen waren für uns als Menschen und Polizisten skurril", so ein Ermittler.