Ein Berg voller Schutt liegt zwischen entkernten Häusern (Foto: SWR)

Zeitplan zur Müllentsorgung wird nicht eingehalten

Krebserregender Müll liegt immer noch im Niersteiner Rhein-Selz-Park

Stand
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Wolfgang Seligmann

Bis Ende Juli sollte die Entsorgung des gesundheitsgefährdenden Mülls aus dem Rhein-Selz-Park zumindest begonnen haben. Diese Vorgabe der Kreisverwaltung Mainz-Bingen wird der kuwaitische Besitzer des Areals nicht einhalten können.

In den vergangenen Wochen hat sich die Kreisverwaltung viel Mühe gegeben, beim Thema der Müll- und Schuttablagerungen im Niersteiner Rhein-Selz-Park das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. Zuletzt gingen Vertreter der Kreisverwaltung sogar erstmals in den Niersteiner Stadtrat, um dort die Situation rund um die krebserregenden Stoffe auf dem Areal zu erklären und zu beruhigen. Auch der Plan zur Entsorgung dieser gefährlichen Abfälle wurde erläutert.

Abtransport des Mülls binnen weniger Wochen angekündigt

Der leitende staatliche Beamte der Kreisverwaltung, Stefan Cludius, wird von der "Allgemeinen Zeitung" aus der letzten Stadtratssitzung in Nierstein wie folgt zitiert: Man hoffe, eine Deponie gefunden zu haben, auf die der belastete Müll gebracht werden könne. Bezüglich einer Zusage durch die Deponie gab sich Cludius optimistisch. Danach könne binnen weniger Tage mit dem Abtransport begonnen werden. (Zitatende)

Die CDU im Niersteiner Stadtrat interpretierte den leitenden staatlichen Beamten Cludius sogar noch optimistischer. In einer Pressemitteilung der Partei vom 8. Juli steht: Mit der Dyckerhoff in Wiesbaden habe man eine Deponie gefunden. Der Müll solle in den nächsten Wochen dorthin abtransportiert werden.

Dyckerhoff-Deponie kann Müll nicht einfach mitnehmen

Nach Informationen des SWR ist dem allerdings nicht so. Nach Angaben der Wiesbadener Dyckerhoff-Deponie gab es bislang lediglich eine Anfrage der kuwaitischen Besitzer des Areals im Rhein-Selz-Park, die für die Entsorgung des mit krebserregenden Stoffen belasteten Mülls verantwortlich sind. Nach einer Begehung des Geländes durch Mitarbeiter der Deponie sei klar gewesen: So einfach gehe das nicht.

Sondermüll auf dem Gelände des Rhein-Selz-Parks (Foto: SWR, SWR, Christian Bongers)
Sondermüll auf dem Gelände des Rhein-Selz-Parks

Die Dyckerhoff-Deponie braucht demnach genauere Analysen des Mülls und dessen Inhaltsstoffe, die die Besitzer anfertigen müssen. Darauf warte man nun seit einigen Wochen. Erst wenn diese Ergebnisse vorliegen, könne man überhaupt entscheiden, ob die Wiesbadener Deponie zur Lagerung der Materialien geeignet sei. Außerdem müsse der Schutt sortiert werden, bevor er abtransportiert werden könne. Laut einem Gutachten geht es hier immerhin um 1.300 Tonnen mit krebserregenden Stoffen belastetes Material.

Auszug aus dem Schreiben der Kreisverwaltung (Foto: Kreisverwaltung)
Dieses Schreiben ging am 13.04.22 von der Kreisverwaltung an die kuwaitischen Besitzer des Areals im Rhein-Selz-Park.

Kosten zwischen 500.000 und 750.000 Euro

Fazit: Zum jetzigen Zeitpunkt steht keineswegs fest, dass Müll und Schutt aus dem Rhein-Selz-Park tatsächlich auf der Wiesbadener Deponie gelagert werden dürfen. Eine von der Kreisverwaltung dem kuwaitischen Besitzer gestellte Frist bis zum 31. Juli, zumindest mit der Entsorgung zu beginnen, wird keinesfalls einzuhalten sein. Legt man die Preise der Wiesbadener Deponie für die Einlagerung solcher Stoffe zugrunde, würde das den Besitzer zwischen 500.000 und 750.000 Euro kosten.

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Seit wann wusste die Kreisverwaltung von den krebserregenden Stoffen?

In der Niersteiner Stadtratssitzung versuchte die Kreisverwaltung, die als Untere Abfallbehörde die Entsorgung von Sondermüll überwacht, ihr angeblich schnelles Handeln in diesem Fall deutlich zu machen. Einer der Mitarbeiter der Behörde wird von der "Allgemeinen Zeitung" aus der Sitzung zitiert: "Seit uns am 17. Juni 2021 eine Beschwerde über den Müll erreicht hat, dreht sich mein ganzer Arbeitstag um den Rhein-Selz-Park."

Allerdings musste der leitende staatliche Beamte Cludius in dieser Sitzung wiederum zugeben, bereits 2018 von dem belasteten Müll gewusst zu haben. Cludius sagte, dass der ehemalige Niersteiner Bürgermeister Thomas Günther (CDU) die Kreisverwaltung vor vier Jahren bereits darüber informiert hatte. "Das Thema sei aus dem Blick geraten", wird Cludius von der "Allgemeinen Zeitung" zitiert.

Hinweise vom Ex-Bürgermeister und dem TÜV

Grundlage für die Hinweise Günthers an die Kreisverwaltung war ein Gutachten des TÜV, das auch dem SWR vorliegt. Es spricht viel dafür, dass der Kreisverwaltung dieses Gutachten ebenfalls seit 2018 vorliegt - jedenfalls bringt es die Behörde in Erklärungsnot.

In dieser Dokumentation des TÜV-Rheinland, wird auf die Gefahren der Materialien und den sicheren Umgang damit hingewiesen (Foto: SWR)
In diesem TÜV-Gutachten von 2018 werden die gefährlichen Stoffe im Schutt aus den ehemaligen Kasernengebäude aufgeführt.

In der letzten Kreistagssitzung fragte die AfD-Fraktion explizit nach diesem Gutachten. In der schriftlichen Antwort der Landrätin Dorothea Schäfer (CDU) heißt es: Der Kreisverwaltung liege das Gutachten erst seit dem 21. Dezember 2021 vor. An diesem Tag sei das TÜV-Gutachten von der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) der Kreisverwaltung zugeschickt worden.

Auf mehrmalige Nachfrage des SWR versicherte die Behörde jedoch, dieses Gutachten nie an die Kreisverwaltung verschickt zu haben - und das bedeutet: auch nicht im Dezember vergangenen Jahres. Mit dieser Aussage konfrontiert, konnte die Kreisverwaltung nicht mehr nachvollziehen, wie und wo dieses TÜV-Gutachten plötzlich aufgetaucht sei.

Antwort nicht wahrheitsgemäß

Damit wäre klar, dass die Landrätin auf die AfD-Anfrage nicht wahrheitsgemäß geantwortet hat. Bereits vor einem Dreivierteljahr war die SGD, ebenfalls auf SWR-Nachfrage, fest davon ausgegangen, der Kreisverwaltung müsse als Untere Abfallbehörde ein so wichtiges Gutachten vorliegen. Dann hätte die Kreisverwaltung seit 2018 von krebserregenden Stoffen im Rhein-Selz-Park schwarz auf weiß Kenntnis gehabt und nicht gehandelt.

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Wolfgang Seligmann