Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 türmte sich das Treibgut in Kreuzberg meterhoch. Jetzt will die Staatsanwaltschaft über eine mögliche Anklage gegen Ex-Landrat Pföhler entscheiden. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Entscheidung angekündigt

Flut im Ahrtal: Klagt Staatsanwaltschaft den ehemaligen Landrat an?

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Johannes Baumert
Bild von Johannes Baumert im Regionalbüro Bad Neuenahr (Foto: SWR)

Fast drei Jahre nach dem Hochwasser könnte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Ex-Landrat des Kreises Ahrweiler erheben. Der SWR überträgt die Pressekonferenz im Internet.

Bei der Flutkatastrophe an der Ahr starben im Juli 2021 insgesamt 135 Menschen. Kurz danach begann die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen zwei Personen zu ermitteln, darunter auch der langjährige Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU). Jetzt hat die Staatsanwaltschaft für den 18. April eine Pressekonferenz angekündigt, in der sie bekanntgeben wird, ob Anklage erhoben wird oder nicht.

Warum steht der ehemalige Landrat des Kreises Ahrweiler im Fokus?

Kurz nach der Flutkatastrophe war der damalige CDU-Landrat Jürgen Pföhler in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Ihm wird vorgeworfen, am Abend der Flutkatastrophe untätig gewesen zu sein und zu spät den Katastrophenalarm ausgelöst zu haben.

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Am 4. August 2021 leitete die Staatsanwaltschaft Koblenz deshalb die Ermittlungen gegen Pföhler ein. Seitdem untersucht sie, ob er und ein weiteres Mitglied der technischen Einsatzleitung in der Flutnacht zu wenig getan haben, um Menschenleben zu retten. Konkret geht es um den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung im Amt und der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Pföhler ließ sich kurz darauf beurlauben und wurde am 31. Oktober 2021 in den Ruhestand versetzt. 

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Warum dauerten die Ermittlungen gegen Pföhler so lange?

Die Aufarbeitung der Flutnacht ist sehr komplex. Die gesammelten Akten beinhalten mittlerweile mehr als 30.000 Seiten. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben rund 15.000 Notrufe aus der Flutnacht gesichert. Ermittler haben etwa 200 Zeugen vernommen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren immer wieder auch Gutachten in Auftrag gegeben, die sie auswerten musste.

Ein Professor für Bevölkerungsschutz hatte beispielsweise das Krisenmanagement des Landrats in der Flutnacht untersucht. Ein weiteres Gutachten hatte sich mit dem Regen und den Wassermassen in der Flutnacht befasst.

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Wird die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den ehemaligen Landrat erheben?

Das ist noch völlig unklar. Ein Gutachter hatte zwar erhebliche Mängel im Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler festgestellt. So sei die Einsatzleitung beispielsweise nicht ausreichend auf solche Ereignisse vorbereitet gewesen. Allerdings sei die Komplexität der Sturzflut nicht vorhersehbar gewesen, wie aus einem anderen Gutachten hervorgeht.

Für die strafrechtliche Bewertung ist aber noch eine andere Frage relevant: Kann die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass mindestens eine Person mit hoher Sicherheit noch leben würde oder unverletzt geblieben wäre, wenn der Ex-Landrat in der Flutnacht anders gehandelt hätte? Wenn sie diesen Zusammenhang nicht ziehen kann, ist eine Anklage unwahrscheinlich.

Wie wird die Flutkatastrophe noch aufgearbeitet?

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind nur die strafrechtliche Aufarbeitung der Flutkatastrophe. Im Landtag von Rheinland-Pfalz gab es außerdem noch einen Untersuchungsausschuss. In mehr als 40 Ausschusssitzungen sollten mögliche Fehlentscheidungen in der Politik aufgeklärt werden. In der letzten Sitzung im Februar hatte ein Krisenforscher das von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachten kritisiert. Es sei lückenhaft, weil viele für eine Beurteilung des Krisenmanagements notwendige Daten nicht erhoben worden seien.

Auch hochrangige Politiker mussten in dem Ausschuss in den Zeugenstand. So wurde die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) dafür kritisiert, dass sie nur zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub aufgebrochen war und anschließend falsche Angaben dazu gemacht hatte. Spiegel, die inzwischen Bundesfamilienministerin war, musste im April 2022 zurücktreten.

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Innenminister Roger Lewentz (SPD) verkündete ein halbes Jahr später seinen Rücktritt. Hintergrund waren Videoaufnahmen und der Einsatzbericht der Hubschrauberpiloten aus der Unglücksnacht, die das Ausmaß der Katastrophe zeigten. Lewentz sagte im Ausschuss, er könne auf diesen Bildern keine Katastrophe erkennen, was für große Empörung sorgte. Die Bilder wurden dem Ausschuss außerdem erst mit großer Verzögerung vorgelegt.

Auch die Ministerpräsidentin Malu Dreyer selbst stand unter Druck - auf eine Entschuldigung ihrerseits warten die Betroffenen im Ahrtal bis heute.

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