Das Chemie-Unternehmen Bayer lockt Mitarbeitende mit einem nicht nur goldenen, sondern diamantenen Handschlag. Bei entsprechenden Voraussetzungen kann jemand bis zu 52,2 Monatsgehälter bekommen, wenn er Bayer binnen sechs Monaten verlässt. Ich frage mich, ob ich bei einem solchen Angebot „einschlagen“ würde und – noch wichtiger – was die plötzliche Freiheit mit mir macht.
Die erste Frage ist rasch beantwortet (in der Theorie natürlich, mein Arbeitgeber bietet eine solche Regelung nicht an). Obwohl ich in meinem Traumberuf arbeiten darf, wäre ich – falls die Schäfchen im Trockenen sind – sofort raus. Die Aussicht auf eine selbstbestimmte Lebenszeit ginge mir über alles. Zugleich entgeht mir nicht, wie schwer sich frühere Kolleginnen und Kollegen mit ihrem Ruhestand tun. Ohne die Arbeit ist auch die Struktur weg. Kein Wunder, dass manche Ruheständler wieder ins Arbeitsleben einsteigen. Andere kommen auffallend häufig zum Mittagessen in die Kantine.
Ich habe Hobbies und einen Freundeskreis. Trotzdem fürchte ich das Loch, in das Ruheständler häufig fallen. Es macht einen Unterschied, ob ich frühmorgens aufstehe für eine Arbeit oder weil der Hund Gassi gehen muss. Arbeit hat mit Fremdbestimmung zu tun, ich kann mir Kundinnen und Kollegen nicht aussuchen. Zugleich beziehe ich von Kundinnen und Kollegen Anerkennung, gelegentlich auch Halt.
Sie merken, ich bin ambivalent, was einen diamantenen Handschlag angeht. Vielleicht ist diese gedankliche Trockenübung auch müßig. „Cross the brigde, when You reach it“, hat mir vor Jahren eine Freundin geraten. Frei übersetzt: Mach Dir erst einen Kopf, wenn Du es musst.