Wie ein Schleier legen sich derzeit sogenannte Blaualgen über den Schluchsee (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald), den größten Badesee in Baden-Württemberg. Anders als ihr Name es vermuten lässt, schimmern die als "Cyanobakterien" bekannten Algen grünlich im Wasser. Doch sie sind nicht nur ein ästhetisches Problem, warnen Behörden. Die Bakterien produzieren ein Gift, was bei Hautkontakt oder Verschlucken zu Übelkeit, Erbrechen, Glieder- und Ohrenschmerzen, Durchfall und Atemwegserkrankungen führen kann. Seit Montag rät das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg deshalb vom Baden im Schluchsee ab.
Warum die Blaualgen so gefährlich sind, erklärt Nadine Gode aus der SWR-Umweltredaktion auf Instagram:
Was passiert im See bei einem Blaualgen-Befall?
Auch für das Ökosystem See ist die übermäßige Algenbildung ein Problem, weiß Hans-Peter Grossart. Er ist Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei: "Durch die Cyanobakterien wird massiv Biomasse im See aufgebaut. Diese Algen bleiben nicht oben im Wasser, wo sie Sauerstoff produzieren können. Sondern sie sterben irgendwann ab und sinken an den Grund."
Einmal am Grund angekommen, werden die Algen durch Mikroorganismen zersetzt. "Das heißt, die Mikroorganismen veratmen die Algenbiomasse zu CO2 und verbrauchen dabei Sauerstoff", erklärt der Experte. Es entsteht ein Sauerstoffmangel im tieferen Wasser des Sees.
Klimaerwärmung als Treiber von Algenbefall
Je stärker sich ein Gewässer erwärmt, umso mehr verliert es seine Fähigkeit, Sauerstoff zu binden. Zusätzlich bildet sich bei steigenden Temperaturen eine natürliche Schichtung im See: eine aufgewärmte Deckschicht und eine kühlere Tiefenschicht. Während oben im See durch die vielen Algen ein Überschuss an Sauerstoff entsteht, kommt in der Tiefe nicht genug an. Durch den starken Temperaturunterschied der Schichten kann das Wasser nicht ausreichend zirkulieren. Die Klimaerwärmung verstärkt diesen Effekt.
Ist ein See erst einmal von solch einem Sauerstoffmangel betroffen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er im darauffolgenden Jahr noch intensiver darunter leiden wird, zeigt die Studie eines internationalen Teams aus Forscherinnen und Forschern. Die Folge: schlechte Lebensbedingungen für zahlreiche Seebewohner wie Fische, Muscheln oder Krebse. Der See kippt.
Hitze bietet Blaualgen optimale Bedingungen
Auch wenn Cyanobakterien sich das ganze Jahr über in einem Gewässer befinden, beginnen sie erst ab einer Temperatur von 10 Grad Celsius richtig zu wachsen. Viel Sonnenschein und hohe Temperaturen bieten ihnen optimale Voraussetzungen, um sich zu vermehren. Kommt es wie aktuell am Schluchsee zur Algenblüte, treiben die Blaualgen an der Oberfläche und bilden eine Art Algenteppich.
Vorzeigebeispiel: Blaualgen am Bodensee
Grossart zufolge führen landwirtschaftliche Abfallprodukte im Gewässer zu erhöhten Nährstoffeinträgen von etwa Nitrat und Phosphat. Verfahren, wie diese reduziert werden könnten, gebe es bereits. Mit ihnen konnte der Bodensee bereits erfolgreich in einen naturnahen Zustand zurückversetzt werden.
"Der See wird sich zwar nicht mehr in den Ursprungszustand zurück entwickeln, weil sich die Umweltbedingungen zu sehr verändert haben. Aber man kann versuchen, einen Zustand zu erreichen, der für die Algenblüte ungünstiger ist. Und das sollte man auch tun", betont der Biologe. Die Nährstoffzufuhr sei nur eine Stellschaube. Langfristig müsse auch der Klimaschutz für einen gesunden Zustand der Seen mitgedacht werden.
Wie kann man sich vor den Algen schützen?
Zur Orientierung für Badende empfiehlt das Umweltbundesamt: Wer bis zu den Knien im Wasser steht und seine Füße nicht mehr sehen kann, der sollte vom Baden in dem betroffenen Gewässer absehen. Dann seien voraussichtlich zu viele Cyanobakterien im See. An betroffenen Seen sollten Betreiber oder Hinweisschilder auf ein Badeverbot aufmerksam machen.
Wer vor seinem Badeausflug auf Nummer sicher gehen möchte, findet einen Überblick über die Wasserqualität in Baden-Württemberg auf einer Badegewässerkarte. Sie wird vom Land zur Verfügung gestellt.