Traumhaft schön und voller Stolz geht für den 1. FC Heidenheim die erste Saison in der 1. Fußball-Bundesliga zu Ende. Der Klassenerhalt ist so gut wie sicher. Nach dem sensationellen Aufstieg hatten die Experten den Ostalb-Kickern nicht sonderlich viel zugetraut. Die Menschen in der 50.000-Einwohner-Stadt sind mit dem Herzen dabei, fiebern mit, sind voller Stolz. Ein Jahr, das vieles verändert hat und sicher unvergessen bleibt.
Zum Beispiel für die Heidenheimer Familie Kruger. Bastian, Julia und der 13-jährige Sohn Linus haben seit Jahren Dauerkarten. Was sie derzeit erleben, übertrifft alle Erwartungen. Heimspieltage sind für sie wahre Feiertage geworden, der Stadionbesuch als tagesfüllendes Ereignis.
Schon am Vormittag kommen die beiden Neffen und die Nichte aus der Nachbarschaft zu Krugers rüber. Man bereitet sich gemeinsam auf das Spiel vor, diskutiert über Chancen und die mögliche Mannschaftsaufstellung. "Ich bin innerlich echt aufgeregt und freue mich unglaublich auf das Spiel", sagt Bastian Kruger bereits fünf Stunden vor Anpfiff der Partie gegen Borussia Mönchengladbach. Sohn Linus präsentiert zuhause seine selbst gebastelte rot-blaue Fahne mit dem Schriftzug "FCH - We can't live without you".
Zu sechst machen sie sich auf den Weg in die Arena, stehen bereits zwei Stunden vor Spielbeginn vor den Stadiontoren. "Auf geht's rot-blaue Jungs, schießt ein Tor für uns", singen sie dann lauthals mitten auf der Osttribüne. Hier bei den Stehplätzen der Hardcore-Fans herrscht die größte Stimmung. Zwei Stunden hüpfen, singen, anfeuern, sich aufregen und freuen.
FCH-Fan Julia Kruger: "Das ist so ein explosionsartiger Moment."
Ehefrau Julia hätte sich vor einigen Jahren kaum vorstellen können, dass sie sich in diesem Fanpulk pudelwohl fühlen würde. "Manchmal kommen da schon blöde Ausdrücke oder ein Verhalten, dass ich eigentlich nicht hören oder sehen will", berichtet sie. "Aber wenn dann ein Tor fällt, ist das so ein explosionsartiger Moment. Das genieße ich einfach. Das ist richtig befreiend."
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Auch die Spieler im FCH-Team erleben ein einzigartiges Fußball-Jahr. Torwart Kevin Müller ist nach acht Jahren 2. Liga mit aufgestiegen, spielt nun im Alter von 33 Jahren zum ersten Mal in der höchsten Klasse und muss zum Beispiel Angriffe von Bayern-Star Harry Kane abwehren. "Es war immer dieser Traum, dass du sagt, da willst du irgendwann mal hin", erzählt Müller. "Du hast so lange dafür gearbeitet. Und du hast teilweise so viel in deiner Jugend dafür aufgegeben."
Torwart des 1. FC Heidenheim Kevin Müller ist in Heidenheim zum Star geworden
Jetzt spielt Kevin Müller, von allen im Verein nur "Mü" genannt, ein sensationelles Jahr, macht den Leistungssprung in die Erstklassigkeit auf Anhieb mit, hält oft mit spektakulären Paraden den Kasten sauber. In Heidenheim ist er seit dem Aufstieg deutlich bekannter geworden. Viele verehren ihn.
Er steht aber auch vermehrt unter Beobachtung. Die Fans interessiert plötzlich alles, was er so macht. "Die Leute schauen einfach. Manche kommen und sagen: 'Hey cool, was ihr macht, super, toll'." Aber es gebe eben auch Gerede. Zum Beispiel wenn Kevin Müller, der komplett auf Alkohol verzichtet, für seinen Vater im Supermarkt Bier holt. "Manchen schauen dann einfach nur und sagen: guck mal, der Müller kauft schon wieder einen Kasten Bier."
Kevin Müllers Sohn Pepe spielt auch Fußball, in der U13 des FCH, ebenfalls als Torwart. "Ich finde das sehr cool, wenn man die Spiele im Fernsehen sieht und denkt: 'Wow, da spielt Papa jetzt gegen Bayern München'." Aber Papa Kevin ist auch stolz auf seinen Sohn, schaut oft beim Nachwuchstraining zu. "Ich werde ihn niemals aktiv coachen und beim Training oder beim Spiel reinrufen", meint der Vater. "Aber wenn er eine Frage hat und wissen will, wie ich das mache, darf er jederzeit kommen."
Besonders aufregend ist das Bundesliga-Jahr auch für den 69-jährigen Severin Neher, der einen legendären und in der Bundesliga einzigartigen Kiosk betreibt. Es ist der einzige Kiosk direkt am Spielfeldrand, noch aus Verbandsligazeiten. Neher ist mit seinem Kiosk quasi fünf Mal mit aufgestiegen. Als der Stadionausbau anstand, hat man die Tribünen um den alten Kiosk herumgebaut - als Erinnerung, wo man herkommt.
Wo Neher früher 30 bis 50 Würste gebraten hat, kommen jetzt pro Heimspiel 1.500 Stück auf den Grill. Sein Team ist auf zehn bis zwölf Mitarbeiter angewachsen, die meisten aus seiner Familie. "Jetzt in der 1. Liga, das ist ein schönes Gefühl", sagt der Kioskbetreiber, auch wenn der Andrang inzwischen so groß ist, dass er die Tore oft selbst gar nicht mehr sieht.
Am Kiosk feiern die FCH-Fans auch Niederlagen bis in die Nacht
Legendär ist die Party am Kiosk nach Abpfiff geworden. Ein DJ legt Musik auf. Zwischen Würstchenbude und Spielfeld wird getanzt. Hier werden auch Niederlagen noch gefeiert, oft bis 2 oder 3 Uhr früh. Nach der Heimniederlage gegen RB Leipzig ist es bitterkalt im Stadion. Drei Grad, leichter Schneefall. Trotzdem feiert Petra Kleuser, die ihren benachbarten Donut-Stand längst geschlossen hat, gut gelaunt mit. Sie wünscht sich, dass in Heidenheim alles so bleibt, wie es ist. "Ohne Kommerz, nicht wie bei den Großreichen. Ich möchte, dass es so familiär bleibt und dass wir hier immer so feiern können, egal ob wir siegen oder nicht siegen."
Man ist stolz in Heidenheim auf den Erfolg. In der Stadt verfolgt jeder und jede die Spiele. Man gibt Fremden gerne Auskunft. "Ich glaube, der Heidenheimer ist durch den Aufstieg auch ein bisschen selbstbewusster geworden," beobachtet Oberbürgermeister Michael Salomo (SPD). "Das finde ich gut, denn unsere Region hat einiges zu bieten, gute Arbeitgeber, schöne Natur." Es sei ja kein Fehler, wenn diese Botschaften mit dem Fußball in der ganzen Republik verteilt würden.