Während des Spiels müssen seine Frau und sein Sohn bedienen. Wirt Frank Zeger sitzt im Trikot gebannt vor dem Bildschirm. Auch die anderen Gäste im Café Melange fiebern mit, während der FC Heidenheim bei Union Berlin spielt. (Foto: SWR, SWR, René Munder)

FCH bei Union Berlin - Stolz und Stimmung daheim

Heidenheim in der Bundesliga: Die ganze Stadt fiebert mit

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Peter Köpple

Das Abenteuer Bundesliga hat die Heidenheimer in ihren Bann gezogen. Die 50.000-Einwohner-Stadt auf der Ostalb fiebert mit, auch bei einem Auswärtsspiel.

Auswärtsspieltag ist für Frank Zeger Heimspieltag. Der Wirt macht das Café Mélange zu einer kleinen Arena, stellt zwei Fernsehbildschirme auf. Es wird proppenvoll werden in seiner Kneipe, die in der Hinteren Gasse längst zum Treffpunkt Heidenheimer Fußballfans geworden ist. Um 15.30 Uhr spielt der FCH an diesem Samstag bei Union Berlin. Zeger steigt die Treppen hinauf in den ersten Stock, entrollt aus dem Fenster die große rot-blaue Vereinsfahne. Draußen in der Fußgängerzone stellt er die Werbetafel auf, die für den Nachmittag Stadionwurst für vier Euro anpreist.

FCH Gesprächsthema auf dem Heidenheimer Wochenmarkt

Wie das Spiel in Berlin heute wohl ausgeht, ist am Vormittag Gesprächsthema auf dem Heidenheimer Wochenmarkt. "Zwei zu eins für Heidenheim", meint der kleine Yakub, der mit seiner Mutter beim Einkaufen ist. Der Junge trägt eine blaue FCH-Mütze, kickt selbst in einer Kindermannschaft, und fügt gleich hinzu: "Man ist stolz darauf, dass wir es so weit geschafft haben." Mutter Heidi Mühlberger spricht von einem neuen Heidenheim-Gefühl, das auch diejenigen wahrnehmen, die von Fußball nicht viel Ahnung haben. "Wenn der FCH auswärts spielt, dann ist einfach ein Teil von Heidenheim auswärts unterwegs, erfolgreich, und repräsentiert uns."

"Stolz darauf, dass wir es soweit geschafft haben". Yakub Mühlberger zeigt auch beim Einkaufen mit seiner Mutter auf dem Heidenheimer Wochenmarkt, dass er stolzer FCH-Fan ist. (Foto: SWR, SWR, René Munder)
"Stolz darauf, dass wir es soweit geschafft haben". Yakub Mühlberger zeigt auch beim Einkaufen mit seiner Mutter auf dem Heidenheimer Wochenmarkt, dass er stolzer FCH-Fan ist.

Das nächste Spiel sei immer Gesprächsthema auf dem Markt, sagt Gärtner Joachim Winkler. "Das ist eine Riesen-Sache hier. Jeder verfolgt die Spiele." Ein älteres Paar steht am Metzger-Stand an. "Wenn wir verreisen, wurden wir früher immer gefragt: Wo liegt denn Heidenheim?", erzählt Gabriele Bauer in der Warteschlange. Heute sei das anders. "Beim Stichwort Heidenheim sagt gleich jeder: Ja klar, erste Bundesliga. Toll, was Ihr da macht."

Andrang bei Tourist-Info: Plötzlich sind Kurzurlauber in der Stadt

Das gestiegene Interesse bekommt auch Simon Ludwig in der Tourist-Info in Heidenheim zu spüren. Bei ihm klingelt auch an diesem Samstag immer wieder das Telefon. Auswärtsfans, die demnächst in die Brenzstadt kommen, rufen an. "Viele Auswärtsfans bleiben ein oder zwei Nächte, erkundigen sich bei uns, was man hier unternehmen kann", berichtet Ludwig als Leiter der Stadtinformation. Inzwischen sei es oft schwierig geworden, an Heidenheimer Heimspieltagen überhaupt noch Zimmer in der Stadt zu bekommen. Besonders gefragt sei auch die schwäbische Küche. Es gab sogar schon Menschen, die völlig unabhängig von Spieltagen Kurzurlaub in Heidenheim gemacht haben. Aus Neugierde, erzählt Ludwig. "Die haben gesagt, wir sehen Euch immer im Fernsehen in der Bundesliga. Jetzt wollen wir mal wissen, wie es bei Euch aussieht."

Im FCH-Fanshop waren die Trikots schon ausverkauft

Obwohl an diesem Samstag die FCH-Kicker 600 Kilometer entfernt in Berlin spielen, haben die beiden Mitarbeiterinnen im Fanshop in der Heidenheimer Fußgängerzone jede Menge zu tun. Immer wieder fragen Kunden nach Eintrittskarten. Dabei ist das Unterfangen fast aussichtslos. Die Spiele auf dem Schlossberg sind stets ausverkauft. Vereinsmitglieder haben ein Vorkaufsrecht. Und selbst die können nicht alle bedient werden. Immerhin gibt es im Fanshop endlich wieder Trikots. Die waren lange Zeit ausverkauft. "Trikots, Trikots, Trikots", antwortet Verkäuferin Jasmin Pawlowski auf die Frage, welche Fanartikel am meisten gefragt sind. Das Abenteuer Bundesliga im Fanshop zu erleben, sei einfach überwältigend. "Es fühlt sich für mich noch immer nicht so richtig real an. Aus ganz Deutschland kommen Leute und sagen, dass es so toll ist, das Heidenheim in der Bundesliga spielt."

Seit dem Aufstieg ist die Nachfrage im FCH-Fanshop enorm. Katrin Pusch (rechts) kauft ein FCH-Trikot für ihren Sohn Noah. Er soll ein Geburtstagsgeschenk werden. (Foto: SWR, SWR, René Munder)
Seit dem Aufstieg ist die Nachfrage im FCH-Fanshop enorm. Katrin Pusch (rechts) kauft ein FCH-Trikot für ihren Sohn Noah. Er soll ein Geburtstagsgeschenk werden.

Mittagszeit im Café Melange. Zeit für das Spieltagsritual bei Wirt Frank Zeger und Sohn Niklas. Da verspeisen die zwei immer Weißwürste. "Zur Ablenkung. Um bissle runterzukommen", erklärt Frank Zeger. "Vor dem Spiel bin ich immer Vollgas nervös."

OB Salomo: Aufstieg tut der Stadt unheimlich gut

Schon in der dritten Spielminute wird es laut im Café Mélange. Alle springen auf, als Nikola Dovedan den FCH in Führung schießt. In der Halbzeitpause schaut der Oberbürgermeister vorbei. OB Michael Salomo kommt direkt von einer Ukraine-Demonstration, will wissen, wie es steht. Inzwischen liegt der FCH aber 1:2 zurück. Trotzdem: "Der Aufstieg in die Bundesliga tut Heidenheim unheimlich gut", meint Salomo. "Der Heidenheimer ist dadurch auch in bisschen selbstbewusster geworden." Ein Imagegewinn, der für die Stadt unbezahlbar ist.

Das Café Mélange in Heidenheim ist längst zum Treffpunkt für FCH-Fans geworden, vor allem bei Auswärtsspielen. (Foto: SWR, SWR, René Munder)
Das Café Mélange in Heidenheim ist längst zum Treffpunkt für FCH-Fans geworden, vor allem bei Auswärtsspielen.

Bis zum Ende gelingt den Heidenheimer Fußballern noch der Ausgleich. 2:2 bei Union Berlin. Zum fünften Mal in Folge hat der FCH auswärts nicht verloren, nistet sich in der Tabelle im Mittelfeld ein. "Ich find's schade, dass wir von anderen noch oft belächelt werden", meint Claudia Lichtwer am Fan-Stammtisch. "Wir spielen doch gut. Klar sind wir in der Provinz. So what?"

In Heidenheim wird der Auswärtspunkt groß gefeiert

Wirt Frank Zeger lässt auf den Punktgewinn in der Hauptstadt eine Lokalrunde springen. Jetzt wird gesungen im Café Mélange. Alle stimmen lautstark ein: "Wir sagen Dankeschön - ein Punkt von Union - 1846 - hey, hey." Wohl in keiner anderen Bundesligastadt wird ein Unentschieden so groß gefeiert. Heidenheim in der Bundesliga - das ist eben etwas ganz Besonderes. Und der Stolz wächst Punkt für Punkt.

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Peter Köpple