Lebensmittel retten und Kaffee trinken

Nachhaltig und einzigartig: Erstes Foodsharing Café in Tübingen

Stand
Autor/in
Klara Keuthen
Klara Keuthen ist Reporterin für Social Media, Online und Hörfunk beim SWR im Studio Tübingen .

Im Café Mehrrettich in Tübingen kommen nur gerettete Lebensmittel auf den Tisch – kostenlos und nachhaltig, ganz nach dem Foodsharing Prinzip. Und nun auch an einem festen Ort.

In dem kleinen Café Mehrrettich am Rande der Tübinger Altstadt sind die großen Fenster zur Straße geöffnet, viele Gäste sitzen auch draußen in der Sonne auf dem Bordstein vorm Café. Drinnen wird an der Theke frischer Kaffee zubereitet, während Kinder in der Spielecke toben. Menschen unterhalten sich und genießen ihre Getränke bei Wohnzimmer-Atmosphäre. Neben dem Tresen ist ein großes Regal mit allerlei Lebensmitteln: Brot, eine Stange Lauch, einige Salatköpfe, Äpfel und Pfirsiche liegen da in Körben, an denen man sich bedienen kann.

Der Name des Cafés beinhaltet auch das Konzept: "Mehr rett ich!" und will Lebensmittel retten und nicht wegwerfen. Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr in Deutschland weggeschmissen.

Im Mehrrettich, das vom gleichnamigen Verein eröffnet wurde, gibt es wie in anderen Cafés auch verschiedene Kaffeespezialitäten, Kaltgetränke und kleine Snacks. Was hier aber anders ist: Für Getränke zahlen Gäste nur das, was sie bezahlen möchten. Über die Getränke soll das Angebot finanziert werden. Hinzu kommt ein zweites Prinzip: Man muss nichts verzehren und darf auch eigene Getränke und Speisen mitbringen -auch das ist ungewohnt.

Im Foodsharing Café in Tübingen gibt es nachhaltige Speisen und Getränke. Die Atmosphäre gleicht eher einem Wohnzimmer, als einem öffentlichen Treffpunkt.
Im Foodsharing Café Mehrrettich in Tübingen gibt es nachhaltige Speisen und Getränke. Die Atmosphäre gleicht eher einem Wohnzimmer, als einem öffentlichen Treffpunkt.

Kleinere Speisen wie Salatteller, Obstsalate oder Eisbecher werden vom Team vorbereitet und kostenlos zum Verzehr vor Ort angeboten. Eine klassische Backstube oder einen Küchenbetrieb gibt es nicht: Die Lebensmittel kommen so auf den Tisch, wie sie gerettet wurden.

Gerettet – aber woher kommen die Lebensmittel?

Die Lebensmittel kommen über den Foodsharing Verteiler von Supermärkten, Bäckereien oder aus dem Großhandel, wo sie im Müll gelandet wären, obwohl sie eigentlich noch gut sind. Ehrenamtliche Helfer des Vereins Mehrrettich holen die Lebensmittel ab, kontrollieren den Zustand und legen sie dann im Regal im Café aus.

Auch private Lebensmittelspenden nehmen sie an, wenn zum Beispiel aus einem 5-Kilo-Sack Zwiebeln doch noch was übrig ist, oder man vor dem Urlaub noch den Schrank leer machen will. Die Lebensmittel mitnehmen darf jeder.

Wie steht's um die Frische der Lebensmittel?

Warum so viele Lebensmittel in die Tonne kommen, obwohl sie eigentlich noch gut sind, hat einen einfachen Grund: Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, müssten die Händler selbst die Verantwortung für die Genießbarkeit der Lebensmittel übernehmen – das ist aufwendiger und risikoreicher, als die Lebensmittel zu entsorgen.

Ein Mitarbeiter des Café Mehrrettich in Tübingen bestückt das Foodsharing Regal.
Das Café Mehrrettich in Tübingen bietet auch ein Foodsharing Regal. Ehrenamtliche Helfer des Vereins holen die Lebensmittel ab, kontrollieren den Zustand und legen sie dann im Regal im Café aus.

Beim Café Mehrrettich liegt die Verantwortung über die Genießbarkeit der Lebensmittel dementsprechend beim Team selbst, da sind sie ganz pragmatisch eingestellt: "Wir können ja sehen, riechen und schmecken und uns so von der Genießbarkeit überzeugen", sagt Mitbegründer Thilo Minich.

Foodsharing Café in Tübingen auf Spenden angewiesen

Die Idee ist schon fast 3 Jahre alt. Wirklich gestartet ist das Projekt Café Mehrrettich dann vor ungefähr einem Jahr. Zunächst als Pop-Up Café im Tübinger Zimmertheater mit zwei Öffnungstagen. Nun ist der Traum von einem Café an einem festen Ort realisiert worden.

Mit einer Crowdfounding- Kampagne für die Eröffnung des Cafés hat der Verein angefangen Geld für die Eröffnung des Cafés zu sammeln. Jetzt hat das Café einen Ort gefunden, ist aber weiterhin auf Spenden angewiesen - auch wegen der hohen Erstinvestitionen. Gäste können zum Beispiel für 150€ eine Stuhlpatenschaft übernehmen, um sich symbolisch einen Platz im Café zu kaufen, für 300€ gibt’s einen Tisch. Miete, Mitarbeiter und Getränke sollen durch den Verkauf der Getränke gedeckt werden.

Diese Tafel steht im Foodsharing Café in Tübingen und erklärt das Prinzip der Rettung der Lebensmittel.
Diese Tafel steht im Foodsharing Café in Tübingen und erklärt das Prinzip der Rettung der Lebensmittel.

Mehr als nur ein Café

Neben dem Cafébetrieb möchte der Verein den Ort als Bildungsstätte nutzen, Kochkurse und Workshops zum Beispiel sollen Inspirationen für Rezepte mit häufig geretteten Lebensmitteln bieten. Vor allem soll es ein Ort sein, der über Foodsharing aufklärt und gerettete Lebensmittel salonfähig macht.

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