Nach monatelanger Suche haben die Gründer des Boxprojekts "Spot on auf die Jugend der Großstadt" einen Trainingsraum gefunden. Es ist ein Projekt von Migranten für Migranten innerhalb des Vereins "Deutsche Jugend aus Russland" (DJR). In der neu angemieteten Sporthalle im Stuttgarter Stadtteil Degerloch kommen mehrmals die Woche Dutzende junge Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, um gemeinsam Sport zu machen. Nationale oder politische Konflikte gibt es nicht, sagen die Mitglieder.
Besonders beliebt sei das Boxtraining, sagt der Vereinsvorstand und Projektmitbegründer Roman Ramenski. Dabei treffen sich junge Männer aus Syrien, Afghanistan und Afrika, um gemeinsam Dampf abzulassen. Seit kurzer Zeit kommen zum Training auch immer mehr junge Geflüchtete aus der Ukraine. Die jüngsten sind sechs Jahre alt, die ältesten Mitte 20. Sowohl der Altersunterschied als auch die Sprachbarriere stellten keine Hürden dar. Im Gegenteil: "Die kulturellen Unterschiede sind sogar bereichernd, weil jeder neue Techniken ins Team mitbringt", sagt der 21-jährige Oleksandr Platonov aus der Ukraine, der die Mannschaft im Wechsel mit seinem Vater trainiert.
Die Sprache des Sports verbindet
Die Herkunft spiele beim Sport keine Rolle, sagt der 15-jährige Artem Dimidov aus der Ukraine. Deyaa Hazim aus Syrien bezeichnet das Training als eine Art persönliche Therapie: "Beim Boxen kann ich negative Energie am besten loswerden und Probleme geduldiger lösen." Die sportliche Disziplin, die Vorbildfunktion der Trainer und der kameradschaftliche Umgang miteinander führten die Jugendlichen nicht nur zu Erfolgen im Sport, sondern auch privat und beruflich, sagt Ramenski aus eigener Erfahrung.
Krawalle in Stuttgart als Impuls für Projekt
Die Ausschreitungen während der Krawallnacht im Sommer 2020 in Stuttgart seien der entscheidende Anstoß für die Initiative gewesen, erklärt Ramenski. Als Jugendlicher hat er in den frühen 2000er Jahren selbst am Stuttgarter Vorgänger-Projekt des DJR "Boxen im Osten" teilgenommen. Heute möchte er seine eigenen Integrationserfahrungen mit Migranten der Gegenwart teilen.
Stadt Stuttgart unterstützt das Projekt finanziell
Die Stadt Stuttgart unterstützt das Projekt finanziell mit einem Zuschuss für die Miete der Sporthalle und die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen. "Jungen Menschen fehlen oft die Orte, wo sie täglich zusammenkommen können, um etwas Sinnvolles zu machen", sagt Gari Pavkovic, Leiter der Abteilung Integrationspolitik bei der Stadt. Das Projekt biete einen wertvollen Baustein für die Präventions- und Integrationsarbeit mit jungen Menschen in Problemlagen, so Pavkovic.
Neben den Sportkursen bietet der Verein DJR auch persönliche Beratung, PC- und Malkurse sowie Seminare zu Themen wie Gewaltprävention und Diskriminierung für alle Altersstufen an. Das Angebot der gemeinnützigen Organisation richtet sich längst nicht mehr ausschließlich an Aussiedlerdeutsche aus dem postsowjetischen Raum. Internationalität werde beim Verein groß geschrieben, so Ramenski. "Gerade seit 2015 sind viele andere Nationalitäten nach Deutschland gekommen, die auch Unterstützung benötigen."
Alle Nationen und Altersgruppen im Verein willkommen
Ziel des Vereins sei, noch mehr Mitglieder zu gewinnen und die Sportinitiative bekannter zu machen. Dafür werben die Gründer Edward Gil und Roman Ramenski nicht nur über Social-Media-Kanäle. Sie sprechen die Menschen direkt auf der Straße an und möchten sich auch an Schulen vorstellen. In Zukunft wolle man das Sportangebot für Frauen erweitern und feste Mannschaften gründen. Im Sommer soll es laut Initiatoren auch öffentliche Boxtrainings im Freien geben, um vor allem Jugendliche an verrufenen Orten der Stadt anzusprechen.
Willkommen sind dabei nicht nur Zuwanderer, sondern auch Einheimische. Je mehr Vielfalt in den Gruppen, desto besser für die Integration. "Zur Integration gehört es nicht nur, die Ausländer in Deutschland zu integrieren, sondern auch die Deutschen den Ausländern näher zu bringen", sagt Ramenski.