Ein Mann hat am Freitagmittag auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer mehrere Personen angegriffen. Laut Polizei wurden insgesamt sieben Personen verletzt. In ersten Meldungen der Polizei war noch von drei Verletzten die Rede gewesen. Unter den Verletzten ist ein Polizeibeamter. Er ringt nach Polizeiangaben weiterhin um sein Leben (Stand: 31. Mai). "Er schwebt weiterhin in höchster Lebensgefahr", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) am Samstagmorgen.
Der von der Polizei niedergeschossene Täter ist demnach operiert worden und zurzeit nicht vernehmungsfähig. Die Suche nach dem Motiv sei daher bislang nicht vorangekommen. "Was uns am meisten umtreibt, ist die Frage nach dem Motiv", hieß es aus dem Landeskriminalamt. Die Messerattacke geschah an einem Infostand der Bürgerbewegung "Pax Europa".
Tatverdächtiger kam nach SWR-Informationen 2013 nach Deutschland
Nach SWR-Informationen ist der mutmaßliche Täter ein 25-jähriger Mann, der aus Afghanistan stammt und im Jahr 2013 nach Deutschland gekommen sein soll. Er habe zuletzt im hessischen Heppenheim gelebt - also etwa 30 Kilometer nordöstlich von Mannheim. Er hat offenbar einen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland. Dem Staatsschutz war er wohl bislang nicht aufgefallen.
Seine Wohnung in Heppenheim (Kreis Bergstraße) ist noch am Freitagabend durchsucht worden.
Die Identifikation des Mannes war schwierig, weil er keine Ausweispapiere oder persönliche Gegenstände bei sich hatte und nach der Schussverletzung durch die Polizei ins Krankenhaus gebracht wurde.
Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Karlsruhe teilten am Freitagnachmittag mit, der Polizeibeamte habe bei dem Einsatz "einen Verletzten aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich bringen" wollen. Dabei habe der Tatverdächtige den Beamten angegriffen und ihn mit seinem Messer "mehrmals von hinten in den Bereich des Kopfes gestochen". Ein weiterer Polizist stoppte den Angreifer dann durch einen Schuss aus der Dienstwaffe. Fünf weitere Personen erlitten im Zusammenhang mit der Messerattacke ebenfalls Verletzungen. Wie schwer diese sind, wurde zunächst nicht bekannt.
Vorfall in Mannheim vor Stand von Bürgerbewegung "Pax Europa"
Die Bürgerbewegung "Pax Europa" (BPE), an deren Infostand es zu dem Vorfall kam, ist ein rechtspopulistischer Verein mit Sitz in Krefeld. Er gilt als islamkritisch. Nach Darstellung der Schatzmeisterin von BPE, Stefanie Kizina, wurde bei dem Angriff auch das Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger verletzt.
Auf der Internetseite von "Pax Europa" heißt es: "Nach Augenzeugenberichten erlitt Stürzenberger schwere Stichverletzungen im Gesicht und am Bein." Inzwischen wird auch Stürzenberger selbst dort zitiert: Die zweieinhalbstündige Operation sei gut verlaufen. Er bedankte sich bei den Polizisten, Ärzten, Ordnern und weiteren Helfern. Dem verletzten Polizisten sprach er seine Genesungswünsche aus.
Motiv für Messerattacke noch unklar - islamistische Tat?
Ob die Messerattacke einen politischen Hintergrund hat, ist Gegenstand der Ermittlungen. Laut SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt ist es wahrscheinlich, dass es sich um eine mutmaßlich islamistische Tat handelt. "Das ist zwar Spekulation, aber eine Spekulation, die naheliegend ist", so Schmidt. Stürzenberger sei in der Vergangenheit bereits mehrfach bedroht worden. Die für politische Delikte zuständige Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt.
Aus dem LKA hieß es, zahlreiche Fragen seien noch ungeklärt und Gegenstand der Ermittlungen. "Was ist das für ein Messer? Woher stammt das? Hat er das Messer gekauft?" - über die Antworten darauf wolle man auch herausfinden, ob der Festgenommene die Tat geplant oder ob es sich um einen spontanen Angriff gehandelt habe.
BPE-Schatzmeisterin Stefanie Kizina sprach von einem "Terroranschlag". "Was heute passiert ist, das war ein Terrorangriff - kein Messerangriff", sagte sie. Die Attacke sei gezielt gegen Michael Stürzenberger gerichtet gewesen.
Im Einsatz am Freitagmittag waren auch Rettungskräfte und ein Rettungshubschrauber. Der Marktplatz wurde abgesperrt, zudem baute die Polizei Sichtschutzwände auf.
Video in sozialen Netzwerken: Angreifer offenbar durch Polizeiwaffe gestoppt
Videoaufnahmen von dem Geschehen kursieren in den Sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf der Plattform X (früher Twitter). Zu sehen ist dort, wie eine Person mit einem Messer einen Mann angreift und verletzt. Polizisten kommen hinzu und versuchen die Menschen zu trennen. Dann ist zu sehen, wie der Angreifer auf einen Polizeibeamten einsticht und diesen am Kopf verletzt. Schließlich wird der Angreifer offenbar durch den Schuss einer Polizeiwaffe zu Boden gebracht. Auf dem Video sind mehrere Polizeibeamte mit Dienstwaffen in der Hand zu sehen.
Kanzler Scholz: "Bilder aus Mannheim sind furchtbar"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich über die Gewalttat in Mannheim erschüttert gezeigt. Sie sei "furchtbar", schrieb Scholz am Freitag auf X. Seine Gedanken seien bei den Opfern. "Gewalt ist absolut inakzeptabel in unserer Demokratie. Der Täter muss streng bestraft werden."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte mit, die Bilder "dieser brutalen Gewalttat sind erschütternd". Sie wünsche den Opfern, dass sie wieder vollständig genesen. "Den Polizeikräften, die sofort eingeschritten sind, und den Ärzten und Rettungskräften, die um das Leben der Opfer dieser furchtbaren Tat kämpfen, danke ich sehr herzlich." Ergäben die Ermittlungen ein islamistisches Motiv, "wäre das eine erneute Bestätigung der großen Gefahr durch islamistische Gewalttaten, vor der wir gewarnt haben".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entrüstet: "Ich verurteile die Tat in Mannheim aufs Schärfste!", schrieb seine Sprecherin Cerstin Gammelin am Freitag in Steinmeiers Namen auf der Plattform X. "In unserer Demokratie darf kein Platz für Gewalt sein - Gewalt zerstört Demokratie. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut." Er wünsche den Verletzten ein rasches Genesen und dankte der Polizei für ihr schnelles Eingreifen.
Ministerpräsident Kretschmann dankt Polizisten für schnelles Eingreifen
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) teilte mit, er sei bestürzt wegen des Messerangriffs in Mannheim. Er dankte den Polizisten für ihr schnelles Eingreifen. Kretschmann sagte am Freitag: "Alle unsere Gedanken sind bei den Verletzten und Angehörigen, wir hoffen inständig, dass alle wieder genesen." Es treffe ihn tief, so Kretschmann, dass ein Polizist bei dem Einsatz schwer verletzt wurde. "Wer Polizisten angreift, greift unseren demokratischen Rechtsstaat an."
Auch Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) reagierte betroffen auf den Vorfall in Mannheim. "Allen wurde heute auf schreckliche Art und Weise vor Augen geführt, was für große, ernste Gefahren mit dem Polizeiberuf verbunden sind", sagte er.
Mannheimer Oberbürgermeister Specht "erschüttert und schockiert"
Auch der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) zeigte sich nach dem Messerangriff auf dem Marktplatz tief betroffen.
Specht teilte mit, er sei in Gedanken bei dem verletzten Polizisten und auch bei den anderen Opfern. Zugleich rief er die Menschen dazu auf, nicht über die Hintergründe der Tat zu spekulieren, sondern stattdessen die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Mannheim, Thomas Mohr, zeigte sich "schockiert" über den Angriff auf seinen Kollegen. Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens erklärte, die Tat zeige, dass Polizisten bei ihren Einsätzen "jederzeit mit massiven Gewaltausbrüchen und Tötungsversuchen rechnen müssen. Die Gefahr ist präsent und real".
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Michael Stübgen (CDU), wertete die Messerattacke von Mannheim als einen Beleg für die Verrohung der Gesellschaft. "Das Motiv des Messerstechers wird jetzt untersucht, die Sicherheitsbehörden werden daraus ihre Schlüsse ziehen müssen", sagte Brandenburgs Innenminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Diese schreckliche Tat macht darüber hinaus erneut deutlich, wie sehr unsere Gesellschaft verroht."
Markus Frohnmaier, Landesvorsitzender der AfD Baden-Württemberg, kritisierte nach Bekanntwerden der Tat die Regierung: "In Deutschland kommt es seit einigen Jahren immer wieder zu brutalen Messer- und Axtattacken durch Personen, die sich überhaupt nicht in unserem Land aufhalten sollten", so Frohnmaier in einer Mitteilung. Die deutschen Sicherheitsbehörden seien offenbar "überfordert".