Nach Baden-Baden zieht es einige große Namen der Schachwelt. Am Samstag tritt Deutschlands bester Schachspieler und jüngste Großmeister, Vicent Keymer, für das Bundesligaspiel der Ooser Schachgesellschaft (OSG) Baden-Baden 1922 gegen Mannheim-Viernheim an. Mit 425 Mitglieder gehört der Verein zu den größten in Deutschland. "Wir haben Mannschaften in jeder Klasse, von der Kreisklasse bis zur Bundesliga", sagt der 1. Vorsitzende Patrick Bittner. "Das zieht natürlich auch viele an."
- "Schach ist der Sport mit der geringsten Frauenquote überhaupt"
- Im Jugendalter steht Spaß im Vordergrund
- Mädchen bleiben wegen Gemeinschaft beim Schach
- Frauen sind im Schach inzwischen sichtbarer als früher
- Verein bezahlt für dieselbe Leistung dasselbe Geld
- Traditionelle Geschlechterrollen haben Auswirkungen für Frauen
Schlindwein: "Schach ist der Sport mit der geringsten Frauenquote überhaupt"
Dabei fördert der Baden-Badener Verein nicht nur die Besten, sondern konzentriert sich auch auf die, die normalerweise in dem Sport viel zu kurz kommen: Mädchen und Frauen. "Der Anteil der Mädchen liegt deutschlandweit zwischen fünf und acht Prozent. Schach ist der Sport mit der geringsten Frauenquote überhaupt", erzählt Rolf Schlindwein, der Jugendkoordinator des OSG.
Im Verein liegt der Frauenanteil nach eigenen Angaben hingegen etwa bei 13 Prozent. Unter ihnen ist auch Elisabeth Pähtz, die als erste Deutsche den Titel "Großmeister" tragen darf. In Baden-Baden werden Mädchen eigene Kurse, eigene Trainings und Turniere angeboten.
Früher gab es nur gemischte Gruppen. Die bestanden meistens aus acht Jungen und nur zwei Mädchen, erinnert sich der Jugendkoordinator. "Die fühlen sich oft nach einiger Zeit nicht wohl. Wenn dann ein Mädchen aufhört, ist das Zweite auch immer weg." Deswegen habe der Verein eigene Mädchengruppen gestartet. Die Jungs würden in den gemischten Gruppen häufig etwas schneller lernen und dann gegen die Mädchen gewinnen. "Wenn man in der Gruppe nur verliert, macht es keinen Spaß. Und das ist immer das Risiko, wo man höllisch aufpassen muss."
Im Jugendalter steht Spaß im Vordergrund
Jungs hätten meistens auch mehr Ehrgeiz als Mädchen. Er habe schon Mädchen trainiert, die gegen ihre Freundinnen absichtlich unentschieden gespielt haben, auch wenn sie eigentlich hätten gewinnen können. "Wenn man sie dann gefragt hat: Du standest doch vor dem Gewinnen, warum hast du nicht gewonnen? 'Ja, wenn ich gewonnen hätte, hätte meine Freundin verloren.'"
Die gemischten Gruppen gibt es in dem Verein aber auch weiterhin. Denn manche Mädchen trainierten sogar lieber mit Jungs. "Sie sagen, es macht viel mehr Spaß, Jungs im Schach zu besiegen als Mädels", sagt Schlindwein. Im Jugendalter sei es besonders wichtig, den Spaß am Schach zu erhalten. Irgendwann merkten Mädchen dann, dass es auch schön ist, mal zu gewinnen, so der Jugendkoordinator. "Und der Ehrgeiz kommt eigentlich dann irgendwann von alleine."
Mädchen bleiben wegen Gemeinschaft beim Schach
Die Angebote, die der Verein Mädchen macht, werden gut angenommen. Viele von ihnen schätzen die Gemeinschaft, wie zum Beispiel Felizia Lindner, die seit drei Jahren spielt. Sie mag es, sich in die anderen Spielerinnen und Spieler hineinzuversetzen und zu erraten, welchen Zug sie als nächstes machen. Schach hatte sie in ihrem Hort zusammen mit einer Freundin angefangen zu spielen. Danach sind beide zusammen dem Verein beigetreten.
Viele der Jugendspieler kämen hingegen durch ihre Familie zum Schach. "90 Prozent, die zu uns kommen, haben entweder vom Opa oder vom Vater oder von Geschwistern gelernt", sagt Patrick Bittner - so auch Aryana Baihaghi. Sie spielt seit fünf Jahren und ist über ihren Cousin zum Spiel gekommen. Sie wollte dann zusammen mit ihrem Bruder angefangen Schach zu spielen.
Ihre Lehrer fanden sie zu dem Zeitpunkt noch zu jung. Aber schon wenig später haben beide Training bekommen. "Egal wie lange du spielst, du kannst trotzdem etwas dazulernen", erwidert Aryana auf die Frage, was sie am Schach so mag. Sie schätzt es, dass der Verein Mädchen so stark fördert und den Fokus nicht nur auf Jungs legt.
Frauen sind im Schach inzwischen sichtbarer als früher
"Die gesamte Schachgemeinschaft interessiert sich nur für Männer", findet Aukse Ozinskaite. Sie spielt seit zwei Jahren und mag die verschiedenen Wettbewerbe und dass Schach gut fürs Gehirn ist. Generell werde mehr in Männer investiert, sodass es als Frau schwerer ist, in die Welt hineinzukommen. Aber sie sehe bereits, dass sich was geändert habe.
Wenn sie auf Turniere geht, sehe Aukse mehr und mehr Frauen. "Wenn man eine Frau beim Schachspielen sieht, weiß man, dass sie das großartig macht", schwärmt sie. Eines ihrer weiblichen Vorbilder ist die ungarische Schachspielerin Judit Polgár. Frauen interessierten sich ihrer Meinung nach weniger für Schach, weil sie im Verlauf der Geschichte weniger Raum gehabt hatten das Spiel besser kennenzulernen.
"Für Frauen ist es nun so, dass wir in diesem neuen Zeitalter begonnen haben, die Schachfiguren so wie Männer sehen zu können", sagt Aukse hoffnungsvoll. "Ich denke, das ist der Grund, warum es sich jetzt ändert."
Verein bezahlt für dieselbe Leistung dasselbe Geld
Ihre Mitspielerin Johanna Tangen schockiert es, wie wenig Aufmerksamkeit Veranstaltungen wie zum Beispiel die Frauen-Schach-WM immer noch bekommen. In einem Video im Internet habe sie gesehen, wie der männliche Weltmeister viele Fotos und Autogramme geben musste, wohingegen die weibliche Weltmeisterin daneben stand und komplett ignoriert wurde. "Niemand wusste überhaupt, wer sie ist", erzählt die Schachspielerin.
Johanna spielt seit 2017 Schach im Verein. Aber schon vorher kannte sie die Regeln. Schach ist für sie ein guter mentaler Ausgleich zu ihrem Konferenzdolmetschen-Studium, wo sie sich oft auch lange am Stück konzentrieren muss.
Unterschiedliche Bedingungen gebe es zwischen den Geschlechtern ihrer Meinung nach, weil Männer und Frauen nicht dieselbe finanzielle Unterstützung bekämen. Aus diesem Grunde könnten sich Männer lange und intensiv auf das Schachspiel und ihr Training konzentrieren und Frauen nicht. In der OSG ist das laut Bittner anders. Für beide Geschlechter gebe es für dieselbe Leistung dasselbe Geld. "Also, je besser du spielst, desto mehr Geld kriegst du."
Traditionelle Geschlechterrollen haben Auswirkungen für Frauen
Im Erwachsenenalter gibt es laut der 2. Vorsitzenden Petra Jurga auch wegen der traditionellen Geschlechterrollen Unterschiede. "Wir Frauen kriegen Kinder. Wir pausieren. Wir haben Familie", sagt sie. Männer im Profibereich gingen hingegen ihren Weg. "Das sind eben die Männer, die in der Welt umherziehen und ihre Turniere machen."
Frauen würden auf Turniere ab und an auch von den Kindern und ihren Ehemännern begleitet werden. So könnten sie jederzeit nach ihrer Familie schauen. Anders sei das hingegen im umgekehrten Fall. "Der Mann kommt hierher und der spielt Schach. Der hat keine Ablenkung", bemerkt Jurga. "Da stehen nicht die Frauen hinten dran, die auf die Uhr gucken und sagen, du musst jetzt dann bald fertig werden, wir müssen wieder gehen."