Nur 28 Kilometer waren es am letzten Tag – ein Klacks mit Blick auf die insgesamt 5.200 Kilometer, die Jola Ketterer seit ihrem Start Anfang März in Los Angeles gelaufen ist. Im Schnitt waren es täglich 52 Kilometer, von der Ostküste zur Westküste, durch Wüste, Steppen, Wälder und Berge, bei Sonne, Hitze und Kälte. Sieben Paar Laufschuhe hat die 55-Jährige dabei verschlissen.

Applaus für Jola Ketterer an der Brooklyn Bridge
"Es war einfach überwältigend", beschreibt Jola Ketterer den Moment, als sie an ihrem Traumziel New York die Brooklyn Bridge erreichte – und schon von weitem ein großes Banner mit ihrem Namen erblickte. Daneben warteten Freunde und Familienangehörige. Ihr Ehemann und ihre Kinder begleiteten sie die letzten Meter. „In dem Moment habe ich schon ein paar Tränchen vergossen“, gesteht Jola Ketterer. Passanten, die ihre Familie spontan mobilisiert hatte, standen Spalier und spendeten Applaus.
Ich könnte die Welt umarmen. Ich bin einfach nur glücklich!
Sie könne es noch gar nicht richtig fassen, dass sie ihren Lebenstraum verwirklicht hat, erzählt Jola Ketterer einige Stunden später im Interview mit dem SWR. Sie müsse die vergangenen 100 Tage erst mal in Ruhe Revue passieren lassen. Die letzten Lauftage seien nochmal ein richtig schönes Erlebnis gewesen.
Durch Pennsylvania ging es und durch New Jersey, durch eine schöne, waldreiche Landschaft, die ein bisschen an den Schwarzwald erinnere, erzählt Jola. Ruhige entspannte Lauftage bei bestem Wetter – „ein wunderschöner Abschluss“, sagt sie. Überhaupt habe sie mit dem Wetter die ganze Zeit über unglaubliches Glück gehabt.
An 100 Tagen hatte ich nur vier mal Regen!

Unendliche Weiten in den USA und herzliche Begegnungen
Bei der Frage, welche Bilder und Erlebnisse ihr besonders in Erinnerung bleiben, muss Jola Ketterer lange nachdenken. Zu viele Eindrücke habe sie in den 100 Tagen gesammelt. Am meisten habe sie die unendliche Weite beeindruckt, das tagelange Laufen durch fast menschenleere Gegenden.
Diese Weite, diese unglaubliche Weite – das ist mit Deutschland überhaupt nicht zu vergleichen.
Und wenn sie doch Menschen getroffen hat, seien es fast immer freundliche und herzliche Begegnungen gewesen. Da war der Bauarbeiter am Straßenrand, der ihr spontan 20 Dollar in die Hand drückte, ohne zu wissen, dass sie auf ihrem Lauf Spenden für Frauenprojekte sammelt. Da waren andere, die Umwege fuhren, um ihr ein Getränk zu kaufen. Oder ihr anboten, sie ein Stück mit dem Auto mitzunehmen, was sie natürlich dankend ablehnte.
Spendenlauf von Los Angeles nach New York Frau aus Pforzheim will 5.000 Kilometer durch die USA laufen
Jola Ketterer aus Pforzheim will zu Fuß die USA durchqueren – von Los Angeles nach New York in 100 Tagen. Die 54-jährige will dabei Spenden für Frauenprojekte sammeln.
Ich habe das nie in Frage gestellt: Ich werde das schaffen!

Pforzheimerin denkt kein einziges Mal ans Aufgeben
Nie sei sie an einen Punkt gekommen, an dem sie dachte: "Ich schaffe das nicht." Bis zuletzt habe sie sich kerngesund gefühlt, sei an keinem einzigen Tag krank gewesen. Wenn es ein Erfolgsrezept für ihre Leistung gibt, so Jola Ketterer, dann wohl dieses: gute Vorbereitung, ein starker Wille und Glück. Glück mit dem Wetter, mit den Betreuern, mit dem eigenen Körper, der keinerlei Probleme gemacht habe. Im Gegenteil: der habe beim Laufen unentwegt Glückshormone ausgeschüttet. Nur ein Beinbruch hätte sie aufhalten können, meint sie.
Was jetzt kommt? Es kommt das Leben. Ich habe vorher gelebt, ich habe meinen Traum gelebt, jetzt kommt wieder das Leben.
Ketterer will jetzt noch zwei Tage lang New York genießen, um dann wieder zurück nach Deutschland zu fliegen, wo sie in Pforzheim als Lauftrainerin arbeitet. Ihren Lebenstraum hat sie sich erfüllt. Was danach kommt, weiß sie nicht. Nur eines: „In ein Loch falle ich nicht“, ist sie überzeugt. Leben wolle sie. Und Leben heißt für Jola Ketterer nicht nur, aber eben auch: laufen, laufen, laufen.