Die Polizei will in Baden-Württemberg alte, ungeklärte Fälle - sogenannte Cold Cases - in Zukunft systematisch überprüfen. Unter anderem soll geschaut werden, ob ein Fortschritt in der Kriminaltechnik neue Erkenntnisse liefern kann.
Rund 500 Cold Cases gibt es zurzeit im Land. Darunter sind Fälle wie der von Gabriele Pfeiffer, die vor 30 Jahren in Ravenstein-Erlenbach (Neckar-Odenwald-Kreis) erwürgt in einem Bach gefunden wurde.
Verbrechen gehen bis in die 1950er Jahre zurück
"Leichensachen" steht auf einem Schild über der Kurbel von einem der schweren Rollregale im Keller des Polizeipräsidiums Heilbronn. Dort und in weiteren rund 30 Regalen lagern die Akten, Fotos und Asservate von 20 ungeklärten Tötungsdelikten. Die Fälle gehen zurück bis in die 1950er Jahre. Mühsam haben die Ermittlerinnen Melanie Nietschke und Bettina Bäßler die Sachen hier aus Archiven im Land zusammengetragen. Denn vor der Polizeireform 2014 waren die Zuständigkeiten noch andere.
Das Einscannen der rund 600 Ordner war eine Mammutaufgabe für die beiden Frauen. Hauchdünne Durchschläge, vergilbte handschriftliche Zettel, Fotos in schlechtem Zustand und ähnliches machten die Digitalisierung aufwendig. Alte Videokassetten, Disketten und andere Datenträger wurden von EDV-Kolleginnen und -Kollegen im Polizeipräsidium eingespielt. Im Computer werden alle Daten in einem speziellen Programm verknüpft. So lassen sich beispielsweise Beziehungsgeflechte schnell grafisch darstellen. Auch können tausende Dokumente blitzschnell durchsucht werden.
Fälle sollen alle fünf Jahre überprüft werden
19 der 20 Fälle in Heilbronn sind bereits vollständig digitalisiert. Der letzte Fall wird voraussichtlich im Juni fertig eingescannt sein. Alle fünf Jahre will die Cold-Case-Einheit dann jeden Fall überprüfen. Manchmal auch schon vorher, falls eine Verjährung droht. Besondere Priorität haben Fälle, in denen es sichergestellte, mögliche Beweismittel gibt. Diese Objekte schaut sich Martin Schweer im Labor an und versucht, Spuren zu sichern. Dann schickt er den Gegenstand nach Stuttgart zum Landeskriminalamt. Denn erst dort können zum Beispiel DNA- oder Isotopenanalysen durchgeführt werden.
Die große Herausforderung bei Asservaten aus Cold Cases sei, dass die Ermittlerinnen und Ermittler früher nicht so sensibel, hygienisch und vorsichtig mit den Gegenständen umgegangen seien, erklärt Schweer. Die DNA-Technik war teilweise noch nicht bekannt. So könne es sein, dass es DNA-Spuren am Objekt gebe, die aber auch von einem früheren Kollegen stammen könnten, so Schweer.
Eine Botschaft an Täter und Gesellschaft
Der immense Aufwand und die Arbeit der Cold-Case-Einheit Heilbronn sei eine Botschaft an Täterinnen und Täter und Gesellschaft, sagt Kriminaldirektor Michael Kraft: "Die Gesellschaft toleriert es nicht, dass jemand mit Mord davonkommt. Kein Täter kann sich sicher sein, nicht doch noch überführt zu werden."
Außerdem sei die Arbeit auch für die Angehörigen der Opfer enorm wichtig. "Die leiden unter der quälenden Ungewissheit und der Frage nach dem Warum." Hier sei es wichtig zu zeigen, dass auch wirklich alles dafür getan werde, das Verbrechen aufzuklären, so Kraft.