Die Stadt Überlingen (Bodenseekreis) hat am Freitag der Opfer der Flugzeugkatastrophe von vor 20 Jahren gedacht. Damals stießen über der Stadt eine DHL-Frachtmaschine und ein Passagierflugzeug aus der russischen Teilrepublik Baschkirien zusammen. 71 Menschen starben, darunter 49 russische Kinder und Jugendliche.
Hinterbliebene der russischen Opfer des Unglücks waren nur vereinzelt zu der Gedenkfeier am Freitag angereist - wegen eingeschränkter und teurer Flugverbindungen infolge des Ukraine-Kriegs sowie erst sehr kurzfristig erteilter Visa.
Schwierige Visa-Regularien und teure Reise
"Wir bedauern zutiefst, dass es die politischen Rahmenbedingungen nicht zulassen, dass wir mit mehr Hinterbliebenen gedenken", sagte der Überlinger Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) bei der Veranstaltung in der Nähe des Unglücksorts. "Unsere Gedanken sind bei ihnen."
Die ersten Pässe mit den nötigen Visa seien erst am Donnerstag zugestellt worden, sagte die Vorsitzende des Vereins "Brücke nach Ufa", Nadja Wintermeyer, im Vorfeld. Manche der Angehörigen, zu denen der Verein seit dem Unglück Kontakt hält, kamen erst eine Viertelstunde vor Beginn des Gedenkens in Überlingen an. Zudem sei die Reise für viele Angehörige der Opfer wegen der eingeschränkten Flugverbindungen sehr teuer und aufwendig. Dies alles sei enttäuschend, kritisiert die "Brücke nach Ufa" die beteiligten Behörden. Aus der Stadt Ufa stammt die Mehrzahl der Todesopfer. Derzeit gibt es keine direkten Flüge von Russland nach Deutschland.
Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler sagte, für Visa-Angelegenheiten sei das zuständige Konsulat und nicht die Stadt zuständig. Angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine waren auch keine russischen Regierungsvertreter eingeladen worden.
Staatssekretär: Brücke der Freundschaft vom Bodensee zur Wolga
Das Land Baden-Württemberg habe direkt nach dem Unglück versucht, den Hinterbliebenen zur Seite zu stehen, sagte Justiz-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) beim Gedenken am Freitag. "Das gilt auch heute, 20 Jahre später." Gleichzeitig verurteilte er den Angriffskrieg in der Ukraine deutlich und benannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Verursacher. "Lasst uns in Europa alles dafür tun, damit nicht noch mehr Väter und Mütter um ihre Kinder trauern müssen", sagte der CDU-Politiker. "Europa hat genug Krieg und Verwüstung gesehen."
Lorek betonte aber auch, durch die Begegnungen der Menschen aus Überlingen und der russischen Stadt Ufa sei "eine Brücke der Freundschaft vom Bodensee zur Wolga gebaut" worden. In den Bemühungen um ein Aufrechterhalten der Beziehungen solle der Verein "Brücke nach Ufa" nicht nachlassen, appellierte Lorek, "gerade in diesen Wochen".
Vertreter des russischen Generalkonsulats durfte nicht sprechen
Stellvertretend für die russischen Angehörigen sprach bei der Gedenkveranstaltung Taras Kostenko, der bei dem Unglück seine Schwester verloren hatte - und wegen des Krieges aus Charkiw in der Ostukraine an den Bodensee geflohen war. "Sie sind diejenigen, die unsere Schmerzen mit uns geteilt haben", sagte Kostenko. "Wir werden Ihnen immer dankbar sein und wir verneigen uns vor Ihnen."
Zu kurzer Aufregung kam es am Ende der Gedenkstunde, als ein Vertreter des russischen Generalkonsulates in Frankfurt das Wort ergreifen wollte, von Vertretern der Stadt und des Landes aber kein Rederecht erhielt.
Katastrophe ereignete sich vor 20 Jahren
Das Unglück ereignete sich am 1. Juli 2002 kurz vor Mitternacht. Über Owingen-Brachenreute bei Überlingen waren eine russische Passagiermaschine und ein DHL-Flugzeug zusammengestoßen und abgestürzt. Dabei kamen alle 71 Insassen ums Leben, darunter Dutzende Kinder. Die Tupolew war auf dem Weg nach Spanien, wo die Kinder Urlaub machen wollten, als Belohnung für herausragende Leistungen. Auch die zwei Piloten des Frachtflugzeugs kamen ums Leben.
Das Unglück ging der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zufolge auf technische Mängel und menschliche Fehler bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide zurück. 2004 erstach einer der Hinterbliebenen, der bei dem Absturz Frau und Kinder verloren hatte, einen Fluglotsen, der am Abend des Unglücks alleine im Kontrollzentrum saß und die nahende Kollision zu spät bemerkt hatte.
Chronik der Ereignisse 2002 Flugzeugabsturz Überlingen - wie es dazu kam
Menschliches Versagen und gravierende Mängel bei der zuständigen Flugsicherung "Skyguide" haben nach Ansicht der Behörden zu dem tragischen Absturz 2002 geführt. Eine Chronik der Ereignisse.