Das zertrümmerte Heck der Tupolew, die 2002 über dem Bodensee mit einer Boeing 757 zusammengestoßen war, auf einer Straße bei Überlingen. (Foto: dpa Bildfunk, picture-alliance/dpaweb/Mario Gaccioli (Archivbild))

Chronik der Ereignisse 2002

Flugzeugabsturz Überlingen - wie es dazu kam

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Karin Wehrheim

Menschliches Versagen und gravierende Mängel bei der zuständigen Flugsicherung "Skyguide" haben nach Ansicht der Behörden zu dem tragischen Absturz 2002 geführt. Eine Chronik der Ereignisse.

Es ist exakt 23 Uhr 35 Minuten und 32 Sekunden, als die Tupolew der Bashkirian Airlines und eine DHL Frachtmaschine in 10.600 Metern Höhe über dem Nordufer des Bodensees zusammenstoßen.

"Meine Frau und ich, wir standen auf dem Balkon, und auf einmal war der Himmel so richtig orangerot, und da kam schon über unserem Hausdach hinweg so eine richtige Feuerkugel und ein paar hundert Meter Entfernung dann ist die Kugel explodiert und die Einzelteile sind zu Boden gefallen."

Brennende Flugzeugteile stürzen auf ein 30 Quadratkilometer großes Gebiet nördlich von Überlingen und  bei Owingen herab. Und Tote. Keiner der 71 Passagiere und Besatzungsmitglieder überlebt. 49 von ihnen sind Schulkinder aus Baschkirien. Sie sollten in Barcelona Ferien machen, ihren eigentlichen Flug am Tag zuvor hatten sie verpasst. Der damalige Polizeichef Hans-Peter Walser erinnerte sich später: "Da habe ich über Funk gehört, wie einer gesagt hat: 'Es regnet Leichen vom Himmel.'"

Absturzursache ist menschliches Versagen und technische Mängel

Schuld an der Katastrophe, erklärt zwei Jahre später die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) in Braunschweig, seien menschliches Versagen und gravierende Mängel bei der für den süddeutschen Luftraum zuständigen Schweizer Flugsicherung Skyguide.

"Die Führung und das Qualitätsmanagement des Flugsicherungsunternehmens duldete seit Jahren, dass zu verkehrsarmen Zeiten in der Nacht nur ein Lotse arbeitete, während sich der zweite Lotse zur Ruhe begab."

Außerdem ist im Züricher Tower in der Unglücksnacht das automatische Kollisionswarnsystem TCAS zur Wartung abgeschaltet und das Telefon defekt. Der Fluglotse hat eine verspätete Maschine im Landeanflug auf Friedrichshafen. Dass zwei weitere Flugzeuge auf gleicher Höhe aufeinander zu rasen, bemerkt er erst nach fast 5 Minuten - 50 Sekunden vor der Kollision.

Anweisungen an Piloten widersprechen sich

Der Fluglotse gibt der russischen Tupolew die Anweisung, sofort zu sinken, fast zeitgleich befiehlt das Kollisionswarnsystem der Boeing-Frachtmaschine den Sinkflug.

"Doppelte Sinkflüge haben dazu geführt, dass die Flugzeuge sich tragischerweise auf der gleichen Höhe begegnet sind und touchiert haben und dann beide abgestürzt sind."

Es ist der größte Polizeieinsatz in der Geschichte Baden-Württembergs: Mehr als 6.000 Einsatzkräfte, Anwohner und Freiwillige durchkämmen das Gelände auf der Suche nach Überresten. Es dauert Tage, bis alle 71 Opfer gefunden und identifiziert sind.

Vier Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguide werden fünf Jahre später der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen, sie erhalten Bewährungsstrafen. Der verantwortliche Fluglotse ist da bereits tot, erstochen von einem Mann, der Frau und beide Kinder beim Flugzeugabsturz von Überlingen verlor.

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