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Folgen des Krieges

Krieg gegen die Ukraine: Das sind die Auswirkungen in Baden-Württemberg

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Maximilian Münster

Vor einem Jahr begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch die Menschen in Baden-Württemberg spüren die Folgen. Wie sich das Land verändert hat.

Am 24. Februar 2023 jährt sich der Tag, an dem russische Panzer über die ukrainische Grenze rollten. Der Angriff zerstörte die Überzeugung, dass in Europa die Zeit der Kriege überwunden sei. Seitdem fanden in Baden-Württemberg tausende Menschen aus der Ukraine Zuflucht. Zugleich leiden Menschen und Unternehmen im Land unter den Folgen der Energiekrise und unter hohen Preisen.

Flucht

Mehr als 150.000 Menschen flohen seit dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine nach Baden-Württemberg. Zum Vergleich: Während der Flüchtlingskrise 2015 nahm das Land 100.000 Geflüchtete auf.

Nach dem Angriff auf die Ukraine wollten viele Menschen in Baden-Württemberg helfen und fuhren Medikamente, Kleidung und Lebensmittel 1.500 Kilometer an die ukrainische Grenze. Auf dem Rückweg nahmen sie Ukrainerinnen und Kinder mit, die Schutz suchten. Doch die große Zahl der Ankommenden überforderte vielerorts in Baden-Württemberg die Behörden bei der Registrierung.

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4.000 Menschen kamen allein in den ersten Tagen in den baden-württembergischen Erstaufnahmeeinrichtungen an - etwa in Karlsruhe, Sigmaringen, Ellwangen (Ostalbkreis), Freiburg oder Mannheim. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den Einrichtungen Platz für 6.300 Menschen. Wohnungen in den Städten und Gemeinden waren knapp. Es fehlten auch Lehrerinnen und Lehrer, die den Menschen Deutsch beibringen. Die Landesregierung engagierte 1.000 Frauen und Männer, die beim Unterricht helfen sollen, auch Lehrkräfte aus der Ukraine. 30.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine würden mittlerweile in Baden-Württemberg unterrichtet, teilt die Landesregierung mit. Doch immer noch sehen sich die Kommunen an der Belastungsgrenze, wie der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter, dem SWR kürzlich sagte.

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Zu Beginn des russischen Angriffskrieges zahlten viele Städte und Gemeinden die Aufnahme der Menschen aus eigener Tasche. Sie forderten mehr Geld vom Land, das Land mehr Unterstützung vom Bund. Mehr als eine halbe Milliarde Euro bekamen die Kommunen schließlich vom Land. Beim jüngsten Flüchtlingsgipfel vereinbarten Bund und Länder, besser zusammenarbeiten zu wollen. Mehr Geld vom Bund soll es aber nicht geben.

Die Plätze in der Landeserstaufnahme seien mehr als verdoppelt worden, teilt die Landesregierung mit. Auch gebe es mehr Kapazitäten in den Kommunen und Landkreisen.

Im Moment nimmt die Zahl der Menschen ab, die aus der Ukraine kommen. Baden-Württembergs Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) spricht trotzdem nicht von Entspannung. Weil die Lage in der Ukraine so unsicher sei, könne sich die Situation schnell wieder ändern.

Energiekrise und Inflation

2021 lieferte Russland laut statistischem Landesamt noch 43 Prozent des Erdgases, das in Baden-Württemberg verfeuert wurde und mehr als die Hälfte der Kohle. In den Monaten nach dem 24. Februar 2022 löste sich Deutschland nach und nach aus der Abhängigkeit und damit auch Baden-Württemberg. Gleichzeitig drosselte Russland die Lieferung von Gas als Reaktion darauf, dass Europa die Ukraine unterstützt.

Weil Gas knapper wurde, verteuerte sich die Energie. Die Preise stiegen in praktisch allen Lebensbereichen. Menschen in Baden-Württemberg sorgen sich wegen hoher Nebenkostenabrechnungen. Essen und Trinken war im Oktober in Baden-Württemberg fast zwanzig Prozent teurer als im Vorjahr. Waren und Dienstleistungen insgesamt kosteten letztes Jahr im Schnitt 7,5 Prozent mehr.

Die Menschen in Baden-Württemberg gehen seltener in Restaurants, ins Kino oder ins Theater. Sie sparen an Kleidung, Urlauben sogar bei Spielsachen, wie eine SWR-Umfrage zeigt. Das schont den Geldbeutel, doch es belastet die Psyche.

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Doch dass Unternehmen, Behörden und Verbraucherinnen und Verbraucher Energie sparen, zeigt Wirkung: Im Winter verbrauchte Baden-Württemberg durchschnittlich 17 Prozent weniger Gas. Die Erdgasspeicher in Sandhausen (Rhein-Neckar-Kreis) und Fronhofen (Kreis Ravensburg) blieben gut gefüllt.

Wegen der Energiekrise hat der Bund auch beschlossen, Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Neckarwestheim II bei Heilbronn soll erst im April 2023 vom Netz genommen werden.

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Entlastungen

Bund und Land versuchten, die Belastungen abzufedern. Mit der Spritpreisbremse sollten Autofahrerinnen und -fahrer vergangenen Sommer an den Zapfsäulen Geld sparen. Doch der Rabatt war vor allem beim Diesel kaum spürbar. Dagegen brachte das Neun-Euro-Ticket viele Menschen in Baden-Württemberg dazu, auf Busse und Bahnen umzusteigen. An den Wochenenden quollen Züge teilweise über. Das Ticket wurde zwar stark nachgefragt, doch die Landesregierung verwies auf die hohen Kosten, die es verursacht. Trotzdem war die Diskussion um einen günstigeren Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angestoßen. Nun soll im Mai das 49-Euro-Ticket bundesweit nachfolgen.

Wegen der Energiepreise zahlte der Bund Erwerbstätigen sowie Rentnerinnen und Rentnern eine Pauschale von 300 Euro. Eltern bekamen einmalig 100 Euro mehr Kindergeld. Der Staat unterstützte auch Menschen, die Hartz-IV beziehen.

Ab diesem Jahr greifen schrittweise die Strom- und Gaspreisbremse. Die Kosten für eine Kilowattstunde Strom oder Gas werden dabei für Haushalte, sowie kleine und mittlere Unternehmen gedeckelt. Strom kostet nicht mehr als 40 Cent pro Kilowattstunde, Gas nicht mehr als zwölf Cent. Dazu fördert die Landesregierung seit Dezember günstige Kredite für Unternehmen, falls sie die Energiekosten nicht zahlen können.

Wirtschaft

Anfang 2022 erholten sich die Unternehmen in Baden-Württemberg gerade erst von den Folgen der Corona-Pandemie. Mikrochips fehlten, auch Vorprodukte wie Kunststoffe, Aluminium oder Holz. Außerdem mangelt es schon lange in allen Branchen an Fachkräften. Dann kam der Krieg. Nach Beginn des russischen Angriffs stoppten die meisten Unternehmen ihre Russlandgeschäfte. Manche hielten aber daran fest, zum Beispiel ZF, Liebherr oder Ritter Sport.

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Die Preise für Strom und Gas stiegen und stiegen, worunter Branchen leiden, die viel Energie brauchen, etwa die Metall-, Zement- oder Papierindustrie. Außerdem störte der Krieg in der Ukraine die Lieferketten. Der Automobilindustrie fehlen Kabelbäume, die in der Ukraine gebunden werden oder Metalle, die aus Russland stammen und wegen der Sanktionen nicht mehr exportiert werden dürfen. Transportunternehmen leiden unter hohen Spritpreisen. Restaurants, Hotels oder Bäckereien zogen bei ihren Preisen an, weil sie die Kosten für Waren und Energie kaum schultern konnten. Zudem fehlte das Getreide aus der Ukraine, weil Russland zeitweise die Seehäfen blockierte. Die Aufträge der Baubranche gingen zurück, weil Kredite teurer wurden und sich Menschen kein Haus mehr leisten können. Auch war die Sorge groß, das Gas könnte im Winter ausgehen.

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Doch die kalten Monate trafen die Unternehmen nicht so stark wie befürchtet. Die Gasspeicher blieben gefüllt. Betriebe sparten Energie, indem sie die Heizungen runterdrehten. Weil Entlastungen wie die Gaspreisbremse in Sicht sind, können Unternehmen besser planen. Auch die Exporte ziehen wieder an. Viele Betriebe sind optimistisch, dass das Gas auch im kommenden Winter reichen wird. Doch vor allem dort, wo die Gewinnmargen niedrig sind, bleiben Sorgen. In den Restaurants etwa: Menschen gehen seltener essen, doch gleichzeitig bleiben die Einkaufspreise hoch. Um die Gastronomie zu entlasten, gilt noch bis Ende des Jahres der niedrigere Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent.

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Weil überall Fachkräfte fehlen, setzen viele Betriebe Hoffnungen in die Geflüchteten aus der Ukraine. Mehr als 19.000 Ukrainerinnen und Ukrainer haben laut Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg eine Beschäftigung gefunden. Eine Entlastung des Arbeitsmarkts, wenn auch keine Lösung des Fachkräftemangels. Berufliche Qualifizierungen sind oft nicht anerkannt. Zudem wollen viele Menschen in die Ukraine zurückkehren.

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