Lockdown, Homeschooling & Co.

So fühlen sich Schüler in BW nach drei Jahren Corona-Pandemie

Stand
Autor/in
Susanne Babila

Vor drei Jahren fiel die Entscheidung, die Schulen in Baden-Württemberg wegen der Corona-Pandemie zu schließen. Langsam geht das normale Leben wieder los, aber wie geht es den Schülern? Eine Bestandsaufnahme.

Am Freitag, den 13. März 2020 entschieden sich alle Bundesländer auf dem Treffen der Kultusministerkonferenz, die Schulen vorerst zu schließen. Auch in Baden-Württemberg wurden Schülerinnen und Schüler ab sofort von zu Hause aus unterrichtet. Damals war noch die Rede davon, die Schulschließungen bis zu den Osterferien drei Wochen später andauern zu lassen. Ziel war es, das Infektionsgeschehen herunterzufahren. Doch die Situation dauerte länger an als zuvor gedacht.

Lockdown, Homeschooling und Wechselunterricht: Schülerinnen und Schüler mussten sich auf eine neue Art des Lernens einstellen. Aber nicht nur der Schulalltag war eingeschränkt - auch Freunde treffen, Übernachtungsbesuche oder auf Partys gehen, war tabu. Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Leben der Kinder und Jugendlichen ausgewirkt?

Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen - das zeigen Beispiele aus der Praxis

Marlene, Ariana, Tiffany, Kim und Zarah gehen im St. Agnes Gymnasium in Stuttgart in die zehnte Klasse. Als der erste Lockdown an ihrer Schule verhängt wurde, waren sie 13 Jahre alt. Die soziale Isolation und die Angst vor Corona hat uns alle verändert, betonen die heute 16-jährigen Schülerinnen.

Einsamkeit, Langeweile und Energielosigkeit waren Teil ihres Alltags. "Diese Einsamkeit kam ja davon, dass man nicht rausgegangen ist, weil die Eltern Angst hatten, dass man irgendwas mitbringt", erinnert sich Marlene. "Wenn man rausgegangen ist, dann für einen Spaziergang oder so was. Gefühlt keine Spannung im Leben, sondern pure Langeweile", ergänzt Zarah. Kim und ihre Schwester zogen während des Lockdowns zu ihrem Vater. Die Eltern sind getrennt. Teilweise hatte sie ihre Mutter monatelang nicht gesehen.

Nachwirkungen der Coronavirus-Pandemie bei Kindern dauern noch an

Bei vielen Kinder und Jugendliche machten sich Versagensängste, Panikattacken, Suizidgedanken bemerkbar. Nach der aktuellen Copsy-Studie des Universitätsklinikums Eppendorf fühlen sich ein Drittel aller Jugendlichen auch drei Jahre nach dem ersten Lockdown stark belastet. Vor allem Mädchen, insbesondere 14- bis 17-Jährige, haben ein höheres Risiko für Ängste und Depressionen, bilanzierte Sozialwissenschaftlerin Dagmar Preiss, die den Mädchengesundheitsladen in Stuttgart leitet.

Die Zahl der Betroffenen und die Probleme hätten sich kaum verändert. "Der Nachhall ist viel höher und wird auch nach Ansicht der Kinder- und Jugendpsychiatrie noch zwei bis drei Jahre andauern", sagt Preiss. "Wir sind alle ein bisschen erschrocken vom Unterstützungssystem. Man hat das unterschätzt, was der mangelnde Körperkontakt zwischen Gleichaltrigen, für viele tatsächlich die soziale Isolation, was das für viele bewirken kann.

Folgen der Covid-Pandemie: Lange Wartezeiten bei Beratungsstellen und Kliniken

Jugendliche warten teilweise fünf bis zehn Wochen auf ein Erstgespräch, so die Therapeutin. In psychotherapeutischen Beratungsstellen oder Kliniken sei die Wartezeit noch viel länger, im Bundesdurchschnitt sechs Monate. Gleichzeitig werde der Leistungsdruck an den Schulen wieder erhöht und die Verantwortung für Lernrückstände an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben. "Das führt natürlich zu einem hohen Eigendruck, der wiederum zu Versagensängsten führen kann und vielleicht auch zu depressiven Stimmungen", erklärt Preiss. Es sei wichtig, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, damit sie sich wieder mehr zutrauen.

Auch bei den Eltern habe die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen. Sie würden sich überfordert fühlen, seien erschöpft und häufiger krank. In der Beratung gebe es Mütter, die ihre Kinder nicht unterstützen können, weil sie sich selbst so belastet fühlen. "Das ist ein Phänomen, das wir erst seit Herbst in dieser Massivität beobachten", sagt Preiss.

Der Wunsch nach Verständnis und einer Zukunft ohne Ängste

Die Folgen von Corona sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, betonte Dagmar Preiss. Jetzt ist es wichtig, den enormen Beitrag der Jugendlichen an der Bekämpfung der Pandemie endlich zu würdigen und das soziale Miteinander in den Schulen zu stärken. Auch die Schülerinnen des St. Agnes Gymnasium möchten die Nachwehen der Pandemie hinter sich lassen. "Ich wünsche mir, dass die Belastung und die inneren Ängste, die wir gerade in dieser Lockdown-Zeit hatten, keinen Einfluss mehr auf mein Leben nehmen", sagt Ariana. Marlene wünscht sich, dass Rücksicht auf die Lernlücken genommen wird, die die Schulschließungen bei ihnen hinterlassen haben. "Ich hoffe, dass nicht vergessen wird, was in dieser Zeit bei uns los war", sagt sie.

BW-Kultusministerin möchte in Zukunft keine Schulschließungen

So wie den Schülerinnen des St. Agnes Gymnasiums in Stuttgart ging und geht es auch heute noch tausenden Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg. Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hat den Ernst der Lage erkannt. Im Juli 2022 betonte sie, dass Schulschließungen wie im Corona-Lockdown in Zukunft vermieden werden müssen.

Im Austausch mit Lehrkräften, Ärztinnen und Ärzten und dem Landesgesundheitsamt konnte dies bestätigt werden. "Bei den Beratungen waren sich alle Beteiligten einig: Schulschließungen haben gravierende Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen, deswegen dürfen diese nicht mehr vorkommen", sagte Schopper damals.

Viele Kinder belasten die Folgen der Corona-Pandemie in Baden-Württemberg. Schulleiter bemerken Depressionen und steigende Ängste. Schulpsychologen können unterstützen:

Lernprogramme und psychologische Unterstützung für Schüler

Laut OECD-Bericht braucht es Unterstützungsprogramme, um die Auswirkungen der Pandemie auf den Lernfortschritt und die geistige Gesundheit junger Menschen zu bewältigen. In Deutschland waren es beispielsweise Sommerschulen in den Ferien, in Baden-Württemberg unter anderem als "Lernen mit Rückenwind" bekannt.

In fast allen Ländern, die der OECD-Bericht umfasst, wurden zusätzliche psychologische und sozioemotionale Unterstützungen für die Schülerinnen und Schüler angeboten. Lehrkräfte wurden auch darin geschult, das psychische Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler zu stärken.

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