Rezension

„Dickens und Prince“ von Nick Hornby: Was es braucht, um ein Genie zu sein

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AUTOR/IN
Dirk Schneider
ONLINEFASSUNG
Lydia Huckebrink

Charles Dickens und der Popmusiker Prince: Der britische Bestseller-Autor Nick Hornby hat einen Essayband über zwei seiner Helden geschrieben. Zwei Genies auf völlig unterschiedlichen Gebieten und Zeiten, deren Kreativität nie zu versiegen schien, die Welterfolg hatten und doch verbitterten und nicht alt wurden. Was können wir von ihnen lernen?

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Kunst verschlingen wie die Vorbilder

Es komme vielleicht gar nicht darauf an, Zehntausende Stunden zu üben, sondern Zehntausende von Stunden zu konsumieren, um es zur Meisterschaft zu bringen: Zu diesem Schluss kommt Nick Hornby auf Seite 57 seines Essaybandes „Dickens und Prince“.

Charles Dickens, einer der bedeutendsten englischen Schriftsteller, hatte eine regelrechte Theatermanie. Er behauptete von sich, als junger Mann drei Jahre lang so gut wie jeden Abend das Theater besucht zu haben.

Prince wiederum verbrachte seine Jugend damit, Musik nicht nur zu hören, sondern sie regelrecht aufzusaugen, Note für Note. Er spuckte sie sehr bald auch wieder aus, in Form eigener Songs.

 Was es braucht, um ein Genie zu sein

Nick Hornby sucht in seinem Essay nach einer Erklärung für das Genie. Für jene unbestimmbare Eigenschaft, die es einem Menschen erlaubt, mit Ende 20 fast 80 meist großartige Songs geschrieben zu haben – um dann nur 16 davon auszusuchen und sie auf dem Album „Sign O‘ The Times“ zu veröffentlichen.

Oder an zwei großen Romanen mit einem ausufernden Figurenensemble gleichzeitig zu arbeiten, wie es Dickens tat, der seinen „Nickolas Nickleby“ als Fortsetzungsgeschichte zu veröffentlichen begann, noch bevor er „Oliver Twist“ abgeschlossen hatte. Für einen Schriftsteller wie Nick Hornby absolut unfassbar, dazu noch völlig ohne elektronische Hilfe!

 Früh erfolgreich, früh verbittert

„Mehr oder weniger in dem Augenblick, in dem sie dem Teenageralter entwuchsen“, schreibt Hornby, „entflammten sie beide und steckten die Welt in Brand“. Es gibt viele interessante Gemeinsamkeiten, die Hornby zusammenträgt: Beide lebten als Kinder in Armut und wurden sehr früh sehr produktiv.

Prince hatte mit 18 Jahren einen Vertrag über drei Alben bei Warner Music in der Tasche – bis dato der jüngste Musiker, der je so massiv gefördert wurde. Beide verbitterten trotz ihres riesigen Erfolges.

Dickens wegen der vielen Plagiate, die seinen Fortsetzungsromanen Konkurrenz machten, Prince, weil er seinen Erfolg irgendwann nicht mehr steigern konnte.

 Nick Hornby forscht aus eigenem Interesse

Doch man merkt diesem Buch auch an, dass Hornby es aus persönlichen Beweggründen geschrieben hat: Immer wieder vergleicht er die beiden mit sich selbst und fragt sich, was er von ihnen lernen kann. Oft kommt Interessantes zutage, etwa wenn er Ratgeberliteratur für Literat*innen einbezieht und feststellt, dass Dickens so gut wie alles anders gemacht hat, als es dort geraten wird.

Oder wenn er berichtet, dass der Nachlass von Prince so groß ist, dass man jedes Jahr zwei Alben mit je zehn unveröffentlichten Stücken herausgeben könnte – und das für die nächsten drei- oder vierhundert Jahre.

Ein persönliches Buch

Doch nur wenige dieser Fundstücke und Gedanken sind wohl ihrerseits unveröffentlicht, das meiste dürfte sich längst in Abhandlungen und Biografien der Künstler finden. Trotzdem folgt man Hornby gerne bei seiner ziemlich exzentrischen Idee, vor allem dann, wenn er über sein eigenes künstlerisches Schaffen reflektiert und ganz persönlich wird.

Hornby hat als Schriftsteller übrigens erst mit 35 Jahren debütiert. Sein erster Roman wurde allerdings gleich zum Welterfolg.

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Aus dem Englischen von Ingo Hertzke |
Kiepenheuer & Witsch |
ISBN: 978-3-462-05410-1 |
160 Seiten, 18 Euro

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