Wenn auf scheinbar magische Weise riesige Schmetterlinge den Berliner Fernsehturm hinauf flattern oder geheimnisvolle Figuren über die Fassade des Karlsruher Schlosses tanzen: Bei der Lichtkunst sind der Fantasie heute – dank moderner Technik – kaum mehr Grenzen gesetzt. Sobald die Nächte wieder länger werden boomen rund um die Welt Lichtkunst-Festivals.

Lichtkunst als Touristenmagnet
Bei den Festivals erweckt das Licht starre Fassaden zum Leben und trotzt farbenfroh der dunklen Jahreszeit. Touristenmagneten sind die stromfressenden Shows, bei denen die Menschen auch bei klirrender Kälte die Städte erkunden wollen. Vom „Festival of Lights“ in Berlin zu einem der ältesten und größten Lichterfestivals weltweit, dem „Fête des Lumières“ in Lyon in Frankreich.

Medium Licht in der Kunst
Lichtkunst – damit sind Kunstwerke gemeint, die Licht als Hauptmedium nutzen. Auch wenn es ohne Licht nicht geht – die Formen der Lichtkunst sind vielfältig: Ganz egal ob kleine Skulpturen oder eindrucksvolle, große Installationen.
Dabei könnte in zwei Hauptarten unterschieden werden: Objekte, die in Museen oder grundsätzlich in Innenräumen gezeigt und ausgestellt werden – und auf der anderen Seite Lichtkunst, die im öffentlichen Raum, beziehungsweise grundsätzlich im Freien gezeigt wird.

Die Anfänge: Kunst mit Leuchtröhren
Das Licht hat in der Kunst immer schon eine entscheidende Rolle gespielt. Der Amerikaner Dan Flavin wird auch als der „Vater der Lichtkunst“ bezeichnet. Er spielt mit dem Medium selbst und mit den Möglichkeiten, die es gibt, das Licht im Raum zu inszenieren.

In einem radikalen Akt erklärt Flavin eine handelsübliche Leuchtstoffröhre an der Wand zu Kunst. Die Neonröhren sind bis heute Kultobjekte.
Die Leuchtstoffröhren erobern die Galerien und Museen. Auch Kunstschaffende wie Tracey Emin oder Bruce Nauman nutzen Neonröhren , um Symbole oder Schrift durch das Licht zum Sprechen zu bringen.

Lichtprojektionen
Mit neuen technischen Möglichkeiten erobert die Lichtkunst noch viel größere Räume als die Innenräume der Museen. Mit Projektionen verwandeln sich immer größere Oberflächen in beleuchtete Leinwände.
Nachdem es mit einfachen Mustern begann, sind heute komplexe Erzählungen oder immersive Erlebnisse möglich, die Fassaden oder Räumen eine völlig neue Aura verleihen können. Raumgreifende Lichtkunstwerke sind heute multimediale Inszenierungen; der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Otto Piene als Visionär
Einer der Pioniere der Licht-Projektionen ist Otto Piene. Der kinetische Künstler und Mitbegründer der Avantgarde-Gruppe ZERO arbeitete schon in den 1950er- und 1960er- Jahren an aufwendigen Projekten, um Lichträume aus unterschiedlichen Projektionen zu schaffen.
In den Anfängen waren Otto Pienes Visionen noch Utopien, die sich technisch nur bedingt umsetzen ließen. Aber Piene entwickelte seine Projektionen weiter, von unsichtbaren Motoren angetrieben begeistern seine bewegten Lichtquellen und Leuchtobjekte bis heute.
Mein höherer Traum betrifft die Projektion des Lichts in den großen Nachthimmel, das Ertasten des Universums. Der Luftraum ist der einzige, der uns Menschen fast unbegrenzte Freiheit bietet.
Spektakuläre Projektionen bei den Schlosslichtspielen in Karlsruhe
Pienes Utopien sind auf eine Art Realität geworden: Was man nur mit Licht erschaffen kann, veränderte sich in den letzten Jahrzehnten durch neue technische Möglichkeiten noch einmal rasant. Bestes Beispiel im Südwesten: Die Schlosslichtspiele in Karlsruhe, die 2015 auf Initiative des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) ins Leben gerufen wurden.
Möglich macht das die innovative Technik des „3D-Projection Mappings“, bei dem sich die Projektionen wie eine zweite Haut über die Fassaden der Gebäude legen.
Dabei werden Bilder und Videos auf ein oder mehrere Seiten eines dreidimensionalen Objekts projiziert. Das können Denkmäler, Fahrzeuge, unebene Wände oder Höhlen in der Natur sein. Auch ganze Straßenzüge können dank modernster Technik durch Licht in 3D-Fantasiewelten umgestaltet werden.

Seit 2021 vergibt die UNESCO City of Media Arts Karlsruhe auch einen Preis im Projection Mapping, um Talente aus aller Welt zu fördern. Die 170 Meter breite Leinwand – das Karlsruher Schloss – ist außerdem die ideale Fläche, um die Kunstform für ein breites Publikum erlebbar zu machen.
LED als Revolution der Lichtkunst
Stichwort neue Technik: Die Weiterentwicklung der Lichttechnologie ermöglichte im Laufe der Zeit neuartige Lichtkunstprojekte im öffentlichen Raum, durch den Siegeszug der Leuchtioden (kurz LED) seit den 2000er Jahren gibt es nicht nur ein Leuchtmittel, von dem das Licht ausgeht, sondern ein bildgebendes Element.

Durch LED-Netze lassen sich ganze Fassaden in Bewegung versetzen. Es können dynamische Lichtlandschaften geschaffen werden, die sich nicht nur viel flexibler verändern lassen, sie können auch auf externe Reize reagieren und ermöglichen beispielsweise Installationen interaktiver Lichtkunst.

Ein Beispiel der Superlative war die Lichtinstallation des Künstlers Leo Villareal an der San Francisco Bay Bridge von 2013. Zehn Jahre funkelte die seinerzeit weltweit größte LED-Lichtskulptur an der Skyline der Stadt. Sie erstreckte sich über eine Breite von fast drei Kilometern und die knapp 25.000 LED-Lichter präsentierten jede Nacht eine speziell programmierte Lichtershow.
Als neue LED Faszination am Himmel ersetzen immer häufiger illuminierte Drohnen Shows Feuerwerke am Himmel. So tanzen durch die Luft Figuren aus LED-Lichtern zu passender Musikuntermalung. Eine ganz neue visuelle Kunstform.

Hologramme und 3D Skulpturen: Laserstrahlen
Und noch eine Technik bringt eine andere Qualität in die Lichtkunst: Laserstrahlen. Sie ermöglichen eine Präzision und optische Brillanz, die vorher undenkbar schien. 1960 zuckte der erste Laserstrahl auf und setzte eine beispiellose Technikrevolution in Gang.
Laserstrahlen schneiden Stahl, ohne sie gibt es keine Computerchips oder Warenscanner an der Supermarktkasse. In der Kunst ermöglichte der Laser Hologramme oder 3D-Skulpturen.

Ein Beispiel, dass die Kraft dieser Art der Lichtkunst deutlich macht, war die groß angelegte, partizipatorische Kunstinstallation „Border Tuner“ von Rafael Lozano-Hemmer von 2019 in den Städten El Paso in Texas und Juárez in Chihuahua. Leistungsstarke Strahler bilden „Lichtbrücken“, die sozusagen Kanäle für die Kommunikation über die Grenze zwischen den USA und Mexiko öffnen.

Das Werk schafft einen fließenden Lichthimmel, der von den Besuchern an sechs interaktiven Stationen verändert werden kann, von denen sich drei in El Paso und drei in Juárez befinden. Die Grenzregion zwischen Mexiko und den USA steht seit Jahren für Sehnsucht auf der einen und Armut und Leid auf der anderen Seite. Unter Donald Trump wurde sie zum Symbol einer rigorosen Migrationspolitik.
„Border Tuner“ sollte nicht nur neue Verbindungen zwischen den Gemeinschaften auf beiden Seiten der Grenze schaffen, sondern auch die bereits bestehenden Beziehungen sichtbar machen, indem es die bestehenden Beziehungen, Gespräche und Kulturen vergrößert. Das Werk ist als sichtbare Schaltzentrale der Kommunikation gedacht, in der sich die Menschen selbst informieren können.
Licht als vielfältiges Medium
Die unterschiedlichen Arten der Lichtkunst eint: Sie machen deutlich, wie vielfältig Licht als Medium sein kann und dass Licht in ganz unterschiedlicher Weise und mit immer wieder neu faszinierenden Möglichkeiten zu uns „sprechen“ kann.