Landwirte mit Traktoren und Klimaaktivisten blockieren jeweils Straßen  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Landwirte in RLP starten neue Proteste

Bauern oder Klimaaktivisten: Weshalb Blockaden nicht gleich gut ankommen

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Traktor-Demos und blockierte Straßen - die Menschen in Rheinland-Pfalz müssen sich erneut auf erhebliche Behinderungen einstellen. Für die Proteste der Bauern gibt es bisher gefühlt aber mehr Verständnis als für die der Klimaaktivisten. Weshalb? Ein Erklärungsversuch.

Schluss mit Weihnachtsfrieden! Die Bauern machen mobil - auch in Rheinland-Pfalz. Sie wehren sich gegen die Pläne der Bundesregierung, bei der Landwirtschaft zu sparen, indem Subventionen gekürzt werden sollen. Für den Wochenstart sind im ganzen Land Proteste angekündigt. Und die Bauern werden dabei offenbar nicht zimperlich sein. Sie wollen unter anderem viele Autobahnauffahrten blockieren.

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Von einer Welle der Empörung unter den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz ist wegen der absehbaren Verkehrsbehinderungen aber bislang wenig zu spüren. Bei den Klimaaktivisten, die seit Längerem immer wieder mit Blockaden Aufmerksamkeit für ihre Anliegen erzielen wollen, sieht das anders aus. Ihnen schlägt oft Wut über ihre Aktionen entgegen, die vereinzelt sogar in Gewalt mündet.

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Steht uns der Bauer näher als der Klimaaktivist?

Warum werden etwa Blockaden der Bauern offenbar von Vielen als angemessen betrachtet und die der Klimaaktivisten als überzogen? Ein Grund, warum die Bauernproteste auf mehr Verständnis stoßen ist wohl, dass es den Landwirten gelingt, klar zu machen, dass ihre Belange auch jede Bürgerin und jeden Bürger recht unmittelbar im Alltag betreffen. Denn: Hat der Landwirt höhere Kosten, weil er mehr für Agrardiesel und höhere Steuern zahlen muss, landet das Problem irgendwann auch bei uns. Die Preise für regionales Obst und Gemüse werden steigen und das Angebot möglicherweise kleiner.

Im schlechtesten Fall gibt etwa der Spargel- oder Erdbeerbauer, bei dem wir gerne einkaufen, seinen Betrieb auf, weil er sich nicht mehr rechnet. Auch das Problem steigender Spritpreise ist jedem Auto-, Motorrad- oder Lkw-Fahrer bestens bekannt. Also: Schmerzhaftes Mitgefühl für den Landwirt bei jedem Tankvorgang.

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Landwirte haben größere Lobby als Aktivisten

Der Klimaaktivist - etwa von der "Letzten Generation" - hat es da schwerer, die Herzen und Hirne der Menschen zu erreichen. Klar, Klimaschutz finden alle irgendwie wichtig und der Klimawandel betrifft auch jeden. Auch durch Klimaveränderungen wird die Produktion von Lebensmitteln teurer.

Aber etwa den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren, um diese Entwicklung zu stoppen, ist für viele Menschen erstmal abstrakt. Und die Forderung, bis 2030 aus Öl, Gas und Kohle auszusteigen wirkt vielleicht sogar bedrohlich, weil die Energiekosten schon jetzt bedenkliche Ausmaße erreicht haben. Die Menschen fürchten, dass es noch teurer werden könnte.

Ein weiterer Nachteil für die Klimaaktivisten: Im Vergleich zu den Bauern haben sie eine überschaubare Lobby. Während sich viele Politiker und die mächtigen Bauernverbände hinter den Landwirten versammeln, fehlen den Aktivisten diese großen Netzwerke, die Stimmung für sie machen.

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Gibt es gute und schlechte Blockaden?

Auf wie viel Akzeptanz beispielsweise Straßenblockaden stoßen, hängt auch davon ab, ob sich etwa Pendlerinnen und Pendler darauf einstellen können. Für nächste Woche haben die Bauerverbände bereits angekündigt, wo sie unter anderem Autobahnauffahrten in Rheinland-Pfalz blockieren werden. Das bedeutet, die Menschen können sich in gewissem Maße darauf vorbereiten. Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium gibt es etwa die Auflage für die Landwirte, dass Autobahnauffahrten höchstens eine Stunde lang blockiert werden dürfen, Abfahrten gar nicht.

Die Klebeaktionen und Blockaden der "Letzten Generation" dagegen kommen fast immer unvermittelt und auch deren Dauer ist kaum absehbar. Die Aktionen werden meist erst durch die Polizei beendet, indem sie die Aktivisten von der Fahrbahn löst. Betroffene Verkehrsteilnehmer haben keine Chance, den Behinderungen zu entgehen. Das sorgt oft für Unmut.

So gab es in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr elf Protestaktionen der "Letzten Generation", keine davon war angemeldet, wie das rheinland-pfälzische Innenministerium auf Anfrage des SWR mitteilte. Von Bauern gab es demnach 13 Demos oder Protestaktionen. Davon waren vier nicht angemeldet.

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Während die rheinland-pfälzische Polizei bei den Bauerndemos nicht eingegriffen hat beziehungsweise nicht eingreifen musste, sind acht Protestaktionen der "Letzten Generation" wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht aufgelöst worden. Zudem wurden in Rheinland-Pfalz 43 Strafverfahren gegen Mitglieder der "Letzen Generation" eingeleitet. In der Folge von Bauernprotesten gab es nach Angaben des Innenministeriums zwei Strafverfahren.

Wie lange hält die Sympathie für die Landwirte?

Bei den Klimaaktivisten der "Letzen Generation" ließ die Unterstützung und Akzeptanz für deren Protest- und Blockadeaktionen mit zunehmender Dauer und Häufigkeit nach. Der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Tanjev Schultz von der Uni Mainz geht davon aus, dass dies auch bei den Landwirten so sein könnte: "Das Verständnis für die Landwirte dürfte deutlich sinken, wenn sie mit ihren Traktoren über Wochen hinweg immer wieder Straßen blockieren würden."

Derzeit könnten die Bauern bei vielen Menschen auch deshalb noch mit einer gewissen Sympathie rechnen, weil die angekündigten Kürzungen der Subventionen politisch recht planlos wirkten. "Bei den Klimaprotesten wiederum sehen viele Menschen zwar die Notwendigkeit, dass insgesamt mehr für den Klimaschutz getan werden sollte, sie haben aber wenig Sinn für radikale Protestformen", so Schultz.

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