Ein Reiher steht auf einer Sandbank im Rhein (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Auswirkungen des Klimawandels

Niedrigwasser bedroht Tiere und Pflanzen in RLP

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Das Niedrigwasser des Rheins und anderer Flüsse beeinträchtigt die Binnenschifffahrt. Noch schlimmer ergeht es manchen Tieren. Höhere Wassertemperaturen und weniger Sauerstoff können für sie fatale Folgen haben.

Hochsommer, Trockenheit, Niedrigwasser: An der Südspitze der Rheininsel Niederwerth bei Koblenz ist eine riesige Kiesfläche trockengefallen. Zoologieprofessor Jochen Koop bückt sich an der Wasserlinie und hebt Körbchenmuscheln auf. Einige leben noch, andere sind schon tot. Im von der Sonne stärker aufgeheizten Niedrigwasser mit weniger gelöstem Sauerstoff haben sie Probleme mit dem Stoffwechsel bekommen, wie der Biologe der Koblenzer Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) erklärt.

"Die Temperatur hier im Flachwasser ist wie in einer Badewanne." Das inzwischen extreme Niedrigwasser vieler Flüsse nervt nicht nur Binnenschiffer. Auch die Natur leidet. Beispielsweise im heißen Sommer 2003 ist es schon zu einem Fisch- und Muschelsterben in Flüssen gekommen. "Da sind rund 50.000 tote Aale im ganzen Rhein angeschwemmt worden", sagt Koop.

Auf dem Weg zum Fischsterben aufgrund von Niedrigwasser und Hitze

Weniger Wasser, teils mehr Strömung, höhere Wassertemperatur, weniger Sauerstoffkonzentration: Atmung und Bewegung kosten Tiere viel mehr Energie, sie können nicht genug davon aufnehmen. Sie werden schwächer und anfälliger für Krankheiten. "Auch 2006 und 2007 hat es am Rhein Hitzeperioden, aber nicht zugleich so sehr Niedrigwasser gegeben", erinnert sich der Biologe. Das sei für Tiere weniger dramatisch gewesen. "Aber 2022 sind wir wieder auf dem Weg zum Fischsterben", befürchtet Koop. Falls es nicht bald länger regne und die Flusspegel weiter fielen, "könnten wir Ende August, Anfang September wieder den Kipppunkt erreichen".

Karsten Rinke, Leiter der Abteilung Seenforschung beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg, erklärt zudem: "Bei Niedrigwasser wird der Anteil gereinigten Abwassers im Abflussgeschehen immer höher. Im Rhein, der Elbe und der Oder kann er bei Dürreverhältnissen abschnittsweise über 40 Prozent des Abflusses betragen." Das erhöhe die Konzentration von Schad- und Nährstoffen im Wasser. Damit könne es "auch zu Schadstoffanreicherungen in den Organismen kommen, die im Fall von Fischen die menschliche Nahrungsversorgung erreichen".

Heimische Arten sterben, fremde wandern zu

Die bei Niedrigwasser zunehmende Erhitzung kann laut Rinke zur Entstehung sauerstofffreier Zonen führen, etwa auf der Flusssohle. "Die betroffenen Bereiche sind als Lebensraum für Fische, Muscheln, Insekten und so weiter verloren. Während Fische gegebenenfalls in andere Gewässerbereiche ausweichen können, ist dies für Muscheln nicht der Fall", erklärt der promovierte Biologe. Sie können sterben.

Gleichzeitig kann es mehr tierische Einwanderer aus wärmeren Gebieten geben. Schon jetzt hat sich beispielsweise die Schwarzmeergrundel, ein nach seiner Herkunft benannter Fisch, in deutschen Flüssen verbreitet. "Dies wird in Zukunft stark zunehmen und die Artengemeinschaften werden sich stark verändern", sagt Rinke voraus.

"Trockengefallene Flussbetten sind ein Totalverlust für die Flora und Fauna des Gewässers"

Außerdem versiegten manche Bäche mittlerweile zeitweise - auch mangels Grundwassers. "Trockengefallene Flussbetten sind ein Totalverlust für die Flora und Fauna des Gewässers", mahnt Rinke. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg etwa sei das Grundwasser seit circa 2010 um einen Meter gesunken.

Bäche müssten besser beschattet werden

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) antwortet auf eine parlamentarische Anfrage mit Blick auf Bachoberläufe in Mittelgebirgen, bei beginnender Austrocknung könnten manche Fische noch rechtzeitig in tiefere Bachabschnitte fliehen. "Anderen gelingt dies nicht und sie verenden in austrocknenden Bachbetten." Im Dürresommer 2020 sei dies etwa im Hunsrück passiert.

Sommerliche Wassertemperaturen von Bächen lassen sich laut Eder mit der Beschattung durch Bäume und Sträucher deutlich senken deutlich zugunsten des Überlebens von Tieren. Vergleichende Untersuchungen des rheinland-pfälzischen Landesamtes für Umwelt im Juli 2022 bei verschiedenen Gewässern hätten das gezeigt.

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