Frauen werden geschlagen - im Fall einer Irakerin in Mainz endete das tödlich. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Schläge, Demütigungen, Angst

Frau in Mainz getötet - Kann häusliche Gewalt verhindert werden?

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Damaris Diener
Rabea Amri
Christiane Spohn
Christiane Spohn ist Reporterin im SWR Studio Mainz (Foto: SWR, Daniel Brusch)

Erst kommen die Beschimpfungen, dann die Schläge. Ein gewalttätiger Ehemann soll in Mainz seine Frau umgebracht haben. Am Donnerstag wird das Urteil gefällt. Das tun Polizei und Beratungsstellen, um solchen Taten vorzubeugen.

"Der Papa schlägt gerade die Mama" - solche Anrufe gehen bei der Polizei immer mal wieder ein, erzählt Susanne von Essen vom Polizeipräsidium Mainz. Sie ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises Häusliche Gewalt bei der Polizei Rheinland-Pfalz.

Fast 1.500 Fälle von Partnerschaftsgewalt gab es im vergangenen Jahr im gesamten Polizeipräsidium Mainz. 330 davon sind in der Landeshauptstadt selbst gemeldet worden.

Einer dieser Fälle endete im August 2023 tödlich. Ein Mann hatte seine Frau mit einer Mullbinde erdrosselt. Er ist deshalb wegen Totschlags vor dem Mainzer Landgericht angeklagt. Im Prozess haben die Nachbarinnen der Familie geschildert, dass alle wussten, dass der 47-Jährige seine Frau schlägt.

Jede vierte Frau ist von häuslicher Gewalt betroffen

Die Statistik bei häuslicher Gewalt sei eindeutig, erklärt Susanne von Essen: Jede vierte Frau werde im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt in einer Partnerschaft. Alter, Nationalität, Bildungsstand - all das spiele dabei keine Rolle.

Das betonen auch die Sozialarbeiterinnen der Interventionsstelle Mainz. Sie werden von der Polizei eingeschaltet, wenn Frauen Opfer von Gewalt in einer Beziehung geworden sind. Es gehe in der Regel immer um Macht und Kontrolle, wenn ein Mann Gewalt gegen seine Partnerin ausübe, erzählen die beiden Sozialarbeiterinnen.

Polizei schaltet Interventionsstelle ein

Psychische Gewalt sei eigentlich immer im Spiel. Sowie unterschiedliche Formen von körperlicher und sozialer Gewalt: "Würgen, schlagen, treten, einsperren, isolieren - da ist alles dabei", berichten die beiden Frauen, die aufgrund ihrer sensiblen Arbeit anonym bleiben wollen.

Auf einem Tisch stehen Bücher, ein Bild und ein kleines Regal mit Informationsmaterial zu verschiedenen Themen. (Foto: SWR)
Ecke mit Infoflyern vor dem Beratungsraum der Interventionsstelle.

Die Interventionsstelle wird automatisch von der Polizei informiert, wenn es einen Fall von Partnerschaftsgewalt gegeben hat und die betroffene Frau damit einverstanden ist. Die Sozialarbeiterinnen rufen die Frauen dann an und beraten sie über ihre rechtlichen Möglichkeiten sowie die Hilfsangebote, die es gibt.

Trennung von gewalttätigen Partnern fällt oft schwer

Frauen sollten sich immer über ihre persönlichen Grenzen im Klaren sein, raten die Sozialarbeiterinnen der Interventionsstelle. Dann bemerkten sie schneller, wenn rote Linien überschritten würden. Jede Frau reagiere jedoch anders auf die Gewalterfahrung. Manche seien nicht bereit, ihren Partner zu verlassen. Andere bräuchten dafür mehrere Anläufe.

Hier spielten Faktoren wie Herkunft, Bildungsstand und das soziale Milieu durchaus eine Rolle. Eine Frau, die von ihrem Mann finanziell abhängig sei, trenne sich nicht so leicht. Auch fehlende Sprachkenntnisse oder soziale Isolation könnten Frauen daran hindern, die Beziehung zum gewalttätigen Partner zu beenden.

Appell an die Gesellschaft: nicht wegschauen!

Auch die Gesellschaft sei beim Thema häusliche Gewalt gefragt. Wer den Verdacht habe, dass eine Frau Opfer von Partnerschaftsgewalt ist, könne zum Beispiel unauffällig Unterstützung anbieten. Sollten aus der Nachbarwohnung Schreie und verdächtige Geräusche zu hören sein, dann sei jedoch Vorsicht geboten.

Um einen Streit zu unterbrechen, kann man bei der Nachbarin klingeln und zum Beispiel um ein Ei oder etwas anderes bitten.

Allerdings solle sich dabei niemand selbst in Gefahr bringen. Im Zweifel lieber sofort die 110 wählen und die Polizei rufen.

Hohe Hürden für Frauen, sich zu wehren

Um Gewalt in Partnerschaften zu verhindern und Frauen besser zu schützen, müsse sich aber auch in der Justiz etwas ändern. Zum Beispiel müssten Männer, die Kontakt- und Näherungsverbote missachteten, konsequenter bestraft werden.

Ein beigefarbenes Haus mit einer Tafel auf der Hildegard Haus steht. (Foto: SWR)
Die Interventionsstelle befindet sich im Hildegard Haus in Mainz, einem Zentrum für Frauen und Familien.

Betroffene Frauen erwarte häufig ein Spießrutenlauf, wenn sie sich wehren wollen. Die Beweislast liege immer noch beim Opfer, betonen die Sozialarbeiterinnen. Betroffene müssten Verletzungen genaustens dokumentieren und Zeugen für Taten benennen. Dennoch würden viele Anzeigen fallen gelassen.

Kriminologe: Täter müsen sich Hilfe holen

Doch welcher Mann wird überhaupt zum Täter? Martin Rettenberger ist Direktor der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder in Wiesbaden. Der Kriminologe und Psychologe forscht zum Thema häusliche Gewalt und zu Gewalt- und Sexualstraftätern. Er sagt, die Persönlichkeit des Täters spiele eine Rolle. Jemand, der seine Gefühle schlecht regulieren könne und eine kurze Zündschnur habe, laufe eher Gefahr, Täter zu werden.

Außerdem sei das Verhalten von Tätern in der Vergangenheit ein guter Indikator, um das Verhalten in der Zukunft einzuschätzen. "Ein Mann, der schon in verschiedenen Paarbeziehungen gewalttätig war, hat ein hohes Risiko, das auch in folgenden Beziehungen fortzuführen, wenn er sich keine Hilfe holt", sagt Rettenberger. Und diese Hilfsangebote gibt es. Es liege aber in der Verantwortung des Täters, sich die Hilfe auch zu holen, so der Kriminologe.

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