Reichsbürger-Plakat "Preußisches Staats- und Landrecht" am Zaun eines Pferdehofs in der Nähe von Andernach.  (Foto: SWR)

Versammlung von "Reichsbürgern"

Bekannter Aktivist spricht bei Treffen in Andernach von “indigenen Deutschen”

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Eric Beres
Walter Faber
Marcel Kolvenbach

Auf einem Gehöft in der Nähe von Andernach haben sich am Samstag bis zu 70 Anhänger der sogenannten Reichsbürger-Szene getroffen. Nach SWR-Informationen äußerte sich der bekannte Aktivist Matthes Haug demokratiefeindlich und sprach von "indigenen Deutschen".

Matthes Haug gilt schon länger als bekannte Figur in der sogenannten Reichsbürger-Szene. In seinem Buch "Das Deutsche Reich 1871 bis heute" vertritt er die These, die Bundesrepublik existiere nicht, es gelte in Deutschland Besatzungsrecht. Nach SWR-Informationen hatte er Kontakte zu Heinrich XIII. Prinz Reuß, der seit Dezember wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzt. Prinz Reuß und anderen Beschuldigten wird vorgeworfen, einen Putsch geplant zu haben, nebst Aufbau einer "neuen deutschen Armee".

Nach eigenen Angaben wurde damals auch die Wohnung von Matthes Haug durchsucht. Nach SWR-Informationen gehört er in dem Ermittlungsverfahren zu den Beschuldigten. Er geht weiterhin bundesweit auf Lesetour. Nun war er in Andernach zu Gast - auf einem Reiterhof am Rande der Stadt, der laut Polizeipräsidium Koblenz "als Treffpunkt dieser Szene (Reichsbürger- und Selbstverwalterszene; Anm. Red) bekannt" sei.

Auf diesem Pferdehof bei Andernach fand das Treffen der "Reichsbürger" statt. (Foto: SWR)
Auf diesem Pferdehof bei Andernach fand das Treffen der "Reichsbürger" statt.

Haug spricht von "indigenen Deutschen"

Dem SWR wurden Filmaufnahmen und Gedächtnisprotokolle der Veranstaltung zugespielt. Demnach hing in dem Veranstaltungsraum eine Flagge des Königreichs Preußen. Dem Recherche-Material zufolge äußerte sich Haug demokratiefeindlich. Er sprach von einer "Demokratie-tur", von der man wisse, wo sie hinführe. Sein Ziel sei es, vom deutschen Staat, der eine Firma sei, in Ruhe gelassen zu werden.

"Indigene Deutsche", die ihre Ahnenlinie bis 1913 zurückführen könnten, hätten das Recht, sich selbst zu organisieren. Weiter sagte er: "Es gibt nur ein Deutschland und das ist das Deutsche Reich von damals, das Kaiserreich, das noch heute voll existent ist." Bei einer Anfrage vor Ort lehnte Haug ein Interview mit dem SWR ab.

Teilnehmer mit "Reichsbürger"-Theorien

Nach SWR-Informationen zahlten Teilnehmer eine Spende von 30 Euro für den Vortrag. Einige sollen enttäuscht gewesen sein, da Haug nichts Neues berichtet habe. Gegenüber dem SWR bekannten sich Teilnehmer der Veranstaltung dennoch als Anhänger seiner Thesen: "Kauft dem Haug sein Buch, dann wisst Ihr doch Bescheid", sagte ein Mann.

Ein eher besonnen wirkender Rentner berichtet, nach dem Tod seiner Frau befasse er sich nun wieder intensiver mit Politik. Mit der aktuellen Regierung sei er unzufrieden. Den Thesen Haugs kann er einiges abgewinnen. Im Interview sagt er: "Das Deutsche Reich kam mir immer so komisch vor. Aber so wie er das jetzt dargestellt hat, halte ich das für machbar."

Mehrere Teilnehmer gaben sich gegenüber den Reportern als Anhänger von "Reichsbürger"-Theorien zu erkennen. Ein Mann behauptete im Gespräch, deutsche Steuereinnahmen oder Bußgelder würden in Wahrheit in den USA verwaltet. Ein anderer meinte, die Verfassung von 1871 solle wieder gelten: "Das System muss komplett weg. Ein neues System muss das ersetzen. Alte Verfassung. Das wollt ihr aber nicht hören. Ihr seid im Firmenrecht, versteht Ihr das nicht?"

Umfangreiche Polizeikontrollen

Die Polizei hatte im Vorfeld der Veranstaltung an der Zufahrt zu dem Gehöft, in einem Wohngebiet in Andernach, umfangreiche Verkehrskontrollen durchgeführt, "zur Erkenntnisverdichtung", wie es heißt. Autos mussten anhalten, Personen mussten sich ausweisen. Im Interview mit dem SWR sagte Jürgen Fachinger, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Koblenz: "Diese Personen sind dafür bekannt, dass sie den Staat und seine Organisation nicht anerkennen, nicht akzeptieren, Maßnahmen nicht dulden. Und sie haben es selbst in der Kontrolle gesehen: Maßnahmen sind nur schwer durchzuführen und so ist es dann teilweise auch hier."

Die Polizei kontrollierte im Vorfeld des Reichsbürger-Treffens Fahrzeuge der Teilnehmer. (Foto: SWR)
Die Polizei kontrollierte im Vorfeld des Reichsbürger-Treffens Fahrzeuge der Teilnehmer.

Gehören Betreiber des Hofes selbst zur Szene?

Die Betreiber des Gehöfts in Andernach sind offenbar selbst der "Reichsbürger"-Szene zuzuordnen. Vor Ort gibt es mehrere Warnschilder, wonach auf dem Gelände "Preußisches Staats- und Landrecht" gelte. Besucher, die dagegen verstießen, müssten eine "freiwillige Spende […] von min. 5 Millionen Euro" leisten. Eine SWR-Anfrage ließen die Betreiber unbeantwortet.

Der Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz sieht in der Reichsbürger-Szene eine "nicht zu unterschätzende Gefahr”. Deren Anhänger versuchten, das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern. Zudem komme es teilweise zu Vernetzungen mit Rechtsextremisten. Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht hat die Szene in Rheinland-Pfalz etwa 950 Anhänger, davon seien 140 gewaltbereit.

Laut dem Bericht kam es “in der Region Andernach” bereits im Oktober 2022 zu einem Treffen der Reichsbürger-Szene. Der Aktivist Matthes Haug soll kurz zuvor bereits im Westerwald aufgetreten sein.

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