Hotelmanager André Hülsenitz an und Rentner Carlos Andrade an der Theke des Koblenzer Hotels Kleiner Riesen (Foto: SWR)

Neue Ideen bei der Personalsuche

Kreativ gegen Fachkräftemangel: Koblenzer Hotel stellt Rentner ein

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Sandra Thyssen
Bild von Multimediareporterin Sandra Thyssen aus dem SWR-Regionalstudio Koblenz (Foto: SWR)

Der Fachkräftemangel macht auch den Betrieben im Norden von Rheinland-Pfalz schwer zu schaffen, deshalb suchen sie nach Lösungen. Wir stellen zwei kreative Ideen vor.

Kaffee servieren, in der Küche helfen oder ein Schwätzchen mit den Gästen halten. Rentner Carlos Andrade aus Brasilien arbeitet seit drei Monaten im Hotel Kleiner Riesen in Koblenz. Er blüht bei der Arbeit richtig auf. "Ich laufe hier rum, rede mit den Gästen und frage, ob sie zufrieden sind", sagt er. "Die Gäste merken nicht, dass ich so alt bin - 86!"

Der 85-jährige Carlos Andrade steht hinter der Theke des Hotels Kleiner Riesen in Koblenz (Foto: SWR)
Der 85-jährige Carlos Andrade war früher Chef der Bordverpflegung einer brasilianischen Fluggesellschaft.

Das Hotel am Koblenzer Rheinufer hat nach eigenen Angaben vor allem in den Sommermonaten mit fehlendem Personal zu kämpfen. Der Fachkäftemangel sei aber nicht der einzige Grund gewesen Senioren einzustellen - auch der soziale Gedanke spiele für Hotelmanager André Hülsenitz eine große Rolle.

Auf die Idee eine Kampagne zu starten, sei er durch seinen Vater gekommen, erzählt er. "Der sitzt Zuhause in der Rente und langweilt sich, hat keine Aufgabe mehr", sagt der 40-Jährige. So gehe es bestimmt vielen älteren Menschen.

Das Plakat der Kampagne sorgt für Aufmerksamkeit

Das Plakat mit der Aufschrift "Rente? Zu jung für Langeweile? Wir suchen Verstärkung mit Lebenserfahrung in flexibler Teilzeit" habe schon viele Leute angesprochen, sagt André Hülsenitz.

So war es auch bei Carlos Andrade. Der 86-Jährige hat früher als Chef der Bordverpflegung bei einer brasilianischen Fluggesellschaft am Frankfurter Flughafen gearbeitet. Er fühle sich zu fit, um den ganzen Tag faul auf dem Sofa zu liegen. "Ich achte auf meine Linie, ich mache Yoga und Gymnastik, aber ich habe Sorge, dass ich auch einen Bauch bekomme. Ich muss mich bewegen und deswegen bin ich hier", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Plakat am Zaun eines Koblenzer Hotels, das Renter einstellt (Foto: SWR)
Neben dem Fachkräftemangel war nach Angaben des Hotels Kleiner Riesen vor allem der soziale Aspekt ein Grund ältere Menschen einzustellen.

Das Hotel Kleiner Riesen in Koblenz freue sich über jeden Bewerber, sagt der Hotelmanager. Mit Carlos hätten sie schon einen echten Glücksgriff gemacht. Darüber seien sie sehr froh.

Koblenzer Bäckerei bietet Bewerbern Wechselprämie

Auch die Bäckerei Kamp in der Koblenzer Vorstadt sucht mit einem Plakat und in den sozialen Medien nach Fachkräften. Inhaber Sascha Kamp, der das Geschäft in 3. Generation führt, bietet Bewerbern 500 Euro Wechselprämie, wenn sie bei ihm anfangen.

Der 51-jährige Bäckermeister spürt nach eigenen Angaben schon seit Jahren, dass immer weniger junge Leute seinen Beruf erlernen möchten. Zu seiner Ausbildungszeit habe es vier Berufsschulklassen mit Lehrlingen aus Koblenz gegeben. Heute sei es gerade mal eine Klasse mit Schülerinnen und Schülern aus Koblenz und der Umgebung. Sascha Kamp sagt, es gebe zu viele neue, attraktive Berufsfelder und immer mehr junge Menschen würden studieren.

Bäckerei-Inhaber Sascha Kamp und Frau in ihrem Laden in der Koblenzer Vorstadt (Foto: SWR)
Die Bäckerei Kamp in der Koblenzer Vorstadt gibt es seit 1928. Sascha Kamp führt sie in 3. Generation - zusammen mit seiner Frau.

Bäckerei sucht weiter nach Fachkräften

Bei der Suche nach Fachkräften verlange der Bäckerei-Inhaber nur noch selten nach einer Bewerbung, meist bleibe es bei einem Telefonat, um die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten. Durch seine Plakat-Aktion habe er schon zwei neue Verkäuferinnen einstellen können. Darüber freue er sich sehr, sagt er.

Nach eigenen Angaben fehlen aber immer noch zwei Mitarbeitende. Seit Februar vergangenen Jahres habe er montags einen Ruhetag eingeführt. Vielleicht komme bald sogar noch der Sonntag hinzu. Zwei Schichten pro Tag an sieben Tagen in der Woche könnten sonst mit seinem jetzigen Team nicht mehr voll besetzt werden, so Kamp.

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