Gekonnt deckt die zierliche, 27-jährige Thuong im hellblauen Dienst-T-Shirt im Gastraum die Tische mit Tellern, Besteck, Wasser- und Weingläsern ein. Hier zupft die Auszubildende noch eine Serviette zurecht, da poliert sie noch eine Gabel sauber. Das hat sie auch schon in ihrer Heimat gelernt und getan.
Thuong ist gerne in Deutschland. Der Mittelrhein, die Weinberge und Wälder gefallen ihr gut. "Die Landschaft ist schön und die Deutschen sind sehr freundlich", freut sie sich. Nur das Wetter macht ihr zu schaffen, es sei so kalt hier. In Vietnam dauere der Sommer viel länger. Ein weiterer Kulturschock, das Essen: "Brot, Tomaten, Käse, Kartoffeln - das schmeckt mir alles nicht. Das Essen in Vietnam ist leckerer als das in Deutschland!"
Thuongs sechs Jahre jüngere Freundin und Kollegin Misa nickt. Schon jetzt quäle sie ein bisschen das Heimweh. "Ich vermisse meine Eltern und meine Freunde. Wenn ich frei habe, telefoniere ich täglich mit ihnen. Manchmal bis zu vier Stunden lang."
Neue Azubis wohnen gemeinsam
Untergebracht sind Thuong, Misa und der Kochlehrling Bion in einer Wohnung in Sankt Goar, in der sie in einer Wohngemeinschaft leben. Hotelchefin Martina Lorenz hat sie besorgt. "Die Vermieterin bemuttert sie regelrecht", schmunzelt sie.
Coronafolgen im Norden von Rheinland-Pfalz Massiver Personalmangel: Gastronomen finden keine Mitarbeiter
"Geschlossen wegen Personalmangels" - vor Corona war das die Ausnahme, jetzt ist es oft Alltag: Viele Gastronomiebetriebe im Norden von Rheinland-Pfalz suchen händeringend Mitarbeiter.
Projekt des Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen genutzt
Auf die Idee, vietnamesische Auszubildende anzustellen, kam Martina Lorenz eher durch Zufall. Sie stieß auf eine Anzeige des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen. Der hatte seinen Betrieben angeboten, bei der Vermittlung von Hotelfachkräften zu helfen. Martina Lorenz schrieb den Verband an und hatte Erfolg.
Drei Jahre lang bildet sie jetzt Thuong und Misa zu Hotelfachfrauen und den 25-jährigen Bion zum Koch aus. Der junge Mann müsse aber noch viel lernen, grinst die Ausbilderin. "Mit der Pünktlichkeit hat er es nicht so. Wenn es heißt 10 Uhr Arbeitsbeginn ist er manchmal halt mal erst um 10.15 Uhr da."
Gäste in St. Goar mögen die neuen Angestellten
Die Gäste haben die drei Vietnamesen wegen ihres freundlichen Wesens schnell in ihr Herz geschlossen. Auch Hotelchefin Lorenz lobt sie. "Sie sind neugierig, wissbegierig, wollen viel lernen. Und das, was sie gelernt haben, setzen sie sehr schnell um". Schon jetzt, gut zwei Wochen nach ihrem Arbeitsbeginn kann sie sich vorstellen, sie auch nach ihrer dreijährigen Ausbildung weiter zu behalten. Das hänge aber auch davon ab, ob sie dann auch in Deutschland bleiben und nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten.