In Ulm sind bei einem Workshop des deutschlandweiten Bündnisses "Aufstehen gegen Rassismus" sogenannte "Stammtischkämpferinnen und Stammtischkämpfer" ausgebildet worden. Das Ziel des Abends: Argumente und Strategien gegen abfällige, rassistische oder sexistische Bemerkungen vermitteln.
Sie fallen laut Seminarvorlage unter die Kategorie Stammtischparolen und sehen beispielsweise so aus: "Ausländer nehmen uns die Arbeit weg." Oder: "Frauen sind am Herd doch am Besten aufgehoben" und haben eines gemeinsam: Sie sind pauschalisierend, vorverurteilend, herablassend, diskriminierend.
Rassistischer "Quatsch" am Telefon: Überrascht und sprachlos
Es ist ein Mittwochabend, die Teilnehmenden des Workshops "Werde Stammtischkämpfer*in" trudeln nach und nach im Bürgerzentrum auf dem Ulmer Eselsberg ein, 25 sind es, überwiegend Frauen. Der Stuhlkreis füllt sich, alle sind ein bisschen aufgeregt, fangen schon im Vorfeld an zu diskutieren. Warum sie da sind, was sie schon erlebt haben. Manche kommen alleine, manche zu zweit, manche reisen sogar aus Stuttgart an.
Sie wolle nicht mehr überrascht und sprachlos in solchen Situationen sein, so begründet Ulrike ihre Teilnahme an dem Workshop. Die Ulmerin erzählt von einem Telefonat mit einem Bekannten: "Mir haben da wirklich die Argumente gefehlt, was für einen rassistischen Quatsch er von sich gegeben hat."
Ulrike merkt an diesem Abend: Sie ist nicht allein. Drei Stunden lang besprechen die Frauen und Männer verschiedene Situationen, die sie erlebt haben, diskutieren, was sie hätten besser machen können. Jasmin Zienck vom Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" leitet das Seminar, an ihrer Seite hat sie den Diplompädagogen Stefan Brandstetter aus Freiburg.
"Erschreckend viele" mit Stammtischparolen konfrontiert
Jasmin Zienck freut sich, dass der kostenlose Kurs jetzt auch in Ulm angeboten wird. Er war direkt ausgebucht. "Ich bin überglücklich, dass er so gut angenommen wird. Auf der anderen Seite ist es natürlich erschreckend, dass so viele Leute mit Stammtischparolen konfrontiert werden." Und das in allen erdenklichen Alltagssituationen, sagen die Teilnehmenden: im Geschäft oder in der Nachbarschaft - "im Alltag, im Bus, in der Familie, im Freundeskreis", ergänzt Ulrike.
Die Frauen und Männer bekommen eine Art verbalen Werkzeugkasten an die Hand: Wie reagiere ich? Wann reagiere ich? Woher nehme ich mir Hilfe? Für Trainerin Jasmin Zienck gibt es einige grundlegende Tipps für Situationen, in denen man sich rassistischen und diffamierenden Äußerungen konfrontiert sieht:
- Die Situation einschätzen, in der man sich befindet, vor allem im öffentlichen Raum. Sprich: Sich selbst nicht zur Zielscheibe machen oder in Gefahr bringen.
- Andere Menschen/Augenzeugen um Hilfe und Unterstützung bitten.
- Aussagen widersprechen und Position beziehen. Nach dem Motto: "Ich bin nicht deiner/Ihrer Meinung. Ich sehe das anders. Für mich ist das rassistisch. Davon distanziere ich mich."
- Insgesamt deutlich machen, dass es andere Meinungen gibt - nicht zur schweigenden Mehrheit gehören.
In einer Übung dürfen die Frauen und Männer auch in die andere Rolle schlüpfen und mit rassistischen Parolen um sich werfen. "Na, das ist ja wirklich einfach und platt", sagt eine Teilnehmerin erstaunt. Alle sind sich einig: Diese Rolle ist viel einfacher, als sich entwaffnende Gegenargumente zu überlegen. "Im normalen Leben hätte ich mich aus der Situation gestohlen und nichts entgegnet", sagt Ulrike. Aber hier musste sie dagegen halten: "Das war wirklich interessant."
Im Workshop gelernt: "Lauter sein und sich mehr einmischen"
Nach kurzweiligen, aber intensiven drei Stunden nehmen alle für sich etwas mit nach Hause: "Es ist schön zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin, die sich manchmal hilflos fühlt", sagt eine Teilnehmerin. Eine andere sagt: "Scheinbar naives Nachfragen wie 'Was meinst du damit genau?,' kann schon helfen." Manche sind sich sicher, mehr Mut geschöpft zu haben. "Ich hab' für mich festgestellt, dass ich noch zu leise bin", sagt Ulrike. "Ich mische mich jetzt mehr ein.
Weitere Tipps für Gesprächsstrategien (aus einer Broschüre des Bündnisses "Aufstehen gegen Rassismus"):
- Nachfragen & hinterfragen: "Was meinst du damit?", "Denkst du wirklich, dass über 60 Millionen Menschen zum Spaß flüchten?"
- Perspektivwechsel anregen und Empathie einfordern: "Wie würdest du dich fühlen, wenn so über dich gesprochen würde?"
- Daten und Fakten einfordern: "Kannst du mir deine Quelle nennen?", "Wo finde ich den Artikel, den du angesprochen hast?"
- Konkrete Beispiele einfordern/Eigene Beispiele bringen: "Wem (wo, wann) genau ist das passiert?", "Da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht."
- Auf einem Thema bestehen: "Ich schlage vor, wir reden zuerst über..."
- Zuspitzen und Konsequenzen des Gesagten aufzeigen: "Wenn ich das, was du sagst, zu Ende denke, würde das bedeuten, dass..."
- Relativierungen hinterfragen und illustrieren: "Hast du nun was gegen Homosexuelle oder nicht?"
- Positive Leitbegriffe, Werte und Visionen einbringen: "Ich wünsche mir auch keine Zwei-Klassen-Medizin und ausreichend Personal mit genügend Zeit für die Patienten."