Second Hand B9 (Foto: SWR, David Zastrow)

Erfolgsgeschichte aus Villingen-Schwenningen

Inklusion und Upcycling: Darum boomt dieser Second-Hand-Laden

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David Zastrow
David Zastrow (Foto: SWR)

Der Schnäppchenladen "B9" in Villingen-Schwenningen ist nicht nur inklusiv und nachhaltig - er ist auch sehr beliebt. Das liegt nicht zuletzt an einigen passionierten Näherinnen.

Birgitta Schäfer tunkt ein Bauteilchen eines Wetterhäuschens in den weißen Kleister. "Passt das so?", fragt sie. Neben ihr schaut Jennifer Czaban, ob sie das auch richtig macht. "Ja! Jetzt rein in die Kügelchen!", instruiert sie die Chefin motiviert. Jennifer hat ein Handicap und arbeitet in der Behindertenwerkstatt im B9-Gebäude in Villingen Schwenningen. Sie strahlt über beide Backen. Die gute Laune steckt an.

Behinderte helfen im Second Hand Laden in Villingen-Schwenningen

Und Birgitta Schäfer ist mittendrin. Die Vorsitzende des evangelischen "Vereins zur Förderung der Jugend-und Sozialarbeit" hilft, kreiert, verkauft und koordiniert. Ihr ist das wichtig und sie macht das freiwillig - ohne Lohn, klar. "Ich habe einfach wahnsinnig viel Freude im Ehrenamt. Ich möchte Gutes tun und arbeite sehr gerne mit Menschen. Das gibt mir die Kraft und auch die Motivation", sagt sie und lächelt. Eigentlich ist sie Vollzeit-Anwältin und zusätzlich SPD-Stadträtin in Villingen-Schwenningen.

second hand und behindertenwerkstatt (Foto: SWR, David Zastrow)
Birgitta Schäfer und Jennifer Czaban bauen zusammen in der Behindertenwerkstatt ein Wetterhäuschen.

Upcycling: Ehrenamtliche nähen Altes zu Neuem

Der Second-Hand-Laden ist nicht wie jeder andere, er hat ein inklusives Nachhaltigkeits-Konzept. Darauf sind Birgitta und ihr Ehrenamts-Team stolz. Gleich neben der Behindertenwerkstatt rattern die Nähmaschinen. Ehrenamtliche nähen Altes zu Neuem: Upcycling liegt im Trend.

Second Hand B9 in Villingen (Foto: SWR, David Zastrow)
Die Ehrenamtlichen Marina Krieger und Annegret Niesert nähen fleißig im Upcycling-Raum im B9 in Villingen-Schwenningen.

Birgitta hat dafür alte Kunststoffplanen organisiert, die zu Umweltsünden im Meer werden könnten. Im B9 werden sie jetzt zu Einkaufstaschen. Auch alte Bettlaken werden zu Putzlappen umgenähnt und vieles mehr. Für Birgitta ist das Ehrensache. "Vielleicht sollten wir auch mal den Coronamasken eine neue Funktion geben", überlegt sie und läuft vom Upcycling-Raum an die Kasse.

Ukrainerin freut sich über die Auswahl

Dort wartet eine Ukrainerin, sie spricht kein deutsch. Die B9-Chefin versteht sie. "Dafür reicht mein Schulrussisch noch. Die Frau freut sich, dass sie hier die Möglichkeit hat, einzukaufen. Alles ist bezahlbar und außerdem nachhaltig", übersetzt Birgitta.

SWR-Reporter David Zastrow berichtete in der SWR1-Serie "Baden-Württemberg macht´s" über den Laden "B9" in Villingen-Schwenningen:

Sie ist mit allen im Gespräch. Ihr Bestreben: die Dinge wieder in den Kreislauf bringen. Das gilt auch in der Warenannahme, wo auch mal was abgelehnt wird, wie Manschettenknöpfe. Vieles geht aber direkt in den Verkauf und zur Not wird es in der 50 Cent Kiste fast verschenkt. Darum kümmern sich die Behinderten.

Team-Spirit versetzt Berge

In Birgittas Team ist auch Anita Neidhardt-März, auch im Ehrenamt. Hingebungsvoll wuselt sie im Second-Hand-Laden. Stapelt die Kleider, sortiert die ganze Ware und ist immer in Bewegung. Es verzückt, wie sie in der Arbeit aufgeht. Sie zeigt auf kleine Knöpfe. "Aus denen machen wir noch schöne Deko für Weihnachtskarten. Wir wollen möglichst nichts verloren geben", sagt sie.

second hand villingen schwenningen (Foto: SWR, David Zastrow)
Anita Neidhardt-März freut sich über eine neue Errungenschaft in der Warenannahme des B9 in Villingen-Schwenningen.

Birgitta und Anita kennen sich schon eine gefühlte Ewigkeit. "Wir haben hier die Räumlichkeiten zusammen gestrichen. Das Gefühl in der Gemeinschaft so ein Großprojekt zu wuppen, ist unschlagbar", sagen sie im Tenor.

Längere Öffnungszeit wegen großer Nachfrage

Sie mussten hier alles neu aufziehen. Davor war hier am Villinger Bahnhof der Schnäppchenladen "Jumbo", doch man musste schließen. Aus wirtschaftlichen Gründen. Der Neustart sei ihnen gelungen, sagen sie. "Wir mussten einen zweiten Verkaufstag mit dazu nehmen. Samstags war es einfach zu voll. Jetzt haben wir auch noch dienstags auf."

Inklusion und Nachhaltigkeit. Das begeistert, meinen auch die Kunden. "Wunderbar, sehr toll arbeiten sie alle", sagt eine Käuferin. "Sinnvoll. Der ökologische Fußabdruck ist wichtig", sagt eine weitere Kundin. Ein Mann, der Kleidung zur Warenannahme bringt, meint: "Wir bringen ja auch kein Müll hier her. Ich würde die Hosen ja noch tragen, aber sie passen halt einfach nicht mehr". Er lacht. Ja, wer kennt das nicht?

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