Dreiland Aktuell

Klimaseniorinnen ausgebremst: Schweizer Rechtskommissionen wollen Klima-Urteil ignorieren

Stand
Autor/in
Schlott, Matthias
Onlinefassung
Hermanns, Thomas

Zwei Schweizer Rechtskommissionen empfehlen, das Klima-Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu ignorieren. Eine Juristin spricht von Völkerrechts- und Tabubruch.

Es war ein großer Triumph für die Schweizer Klimaseniorinnen in Straßburg Anfang April. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR entschied: Staaten können belangt werden, wenn sie zu wenig für den Klimaschutz tun. Denn: Klimaschutz ist Menschenrecht.

Zwei Schweizer Rechtskommissionen halten das für Aktivismus. Das internationale Gericht in Straßburg habe seine Kompetenzen überschritten, sagt Nationalratsmitglied Barbara Steinemann, Vizepräsidentin der Rechtskommission. "Wir sind der Gesetzgeber und das lassen wir uns auch im Klimabereich nicht wegnehmen", so die nationalkonservative Politikerin von der Schweizer Volkspartei SVP. Die Rechtskommissionen empfehlen, dass die Schweiz dem Urteil nicht Folge leisten soll.

Der Fernsehbeitrag aus der Sendung Dreiland Aktuell vom 1. Juni 2024:

Klimaseniorinnen wollen das nicht hinnehmen

Rosmarie Wydler-Wälti ist entsetzt, dass die beiden Rechtskommissionen das Urteil einfach ignorieren wollen. Die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen Basel pocht auf die Einhaltung des Urteils.

Es geht hier um Menschenrechte und die sind nicht verhandelbar.

Sollte die Schweizer Regierung den Rechtskommissionen folgen, wollen sich die Klimaseniorinnen an den Europarat wenden, so Wydler-Wälti. Der Europarat überwacht die Umsetzung solcher Urteile. 

Der Fernsehbeitrag vom 13. April 2024, als die Schweizer Klimaseniorinnen Recht bekommen hatten:

Wird damit Völkerrecht gebrochen?

Würde der Bundesrat die Umsetzung des Urteils tatsächlich verweigern, wäre das ein klarer Völkerrechtsbruch, stimmt Helen Keller zu. Denn die Urteile des Gerichts sind verbindlich. Die Juristin war bis 2020 selbst Richterin des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie kenne keinen anderen Gerichtsentscheid, in dem die Schweiz so reagiert hätte, erzählt Keller. Es wäre auch ein Tabubruch, findet sie.

Lange wurden die Klimaseniorinnen nicht ernst genommen

Die Klimaseniorinnen hatten zuvor schon bei nationalen Gerichten versucht, die Schweiz zu verklagen. Ihr Vorwurf: Der Staat tue zu wenig gegen den Klimawandel und schütze somit die älteren Frauen zu wenig. Doch die Schweizer Gerichte wiesen die Frauen ab. Eine erfolgreiche Klage galt auch im Umfeld von Rosmarie Wydler-Wälti als undenkbar.

Die Idee zur Klima-Klage kam von Greenpeace. Die Umweltorganisation suchte 2016 aktiv nach älteren Personen, die besonders betroffen von den Folgen des Klimawandels sind. Denn nur diese könnten erfolgreich den Staat wegen Unterlassung verklagen, erzählte Wydler-Wälti in der Basler Zeitung Ende April.

Ist das Urteil eine Bevormundung der Schweiz?

Die Empfehlungen der Rechtskommissionen, das Urteil zu ignorieren, trifft in der Schweiz auch auf Zustimmung. Seit längerem wird in der Politik diskutiert, ob ein Urteil aus Straßburg der direkten Demokratie in der Schweiz schadet. Fremde Richter bestimmen über das Wohl der Gesellschaft, so das Narrativ. Vor allem die nationalkonservative Schweizer Volkspartei SVP nutzt diese Erzählung. Das Parlament will sich mit der kniffligen Frage, wie die Schweiz mit dem Straßburger Klima-Urteil umgehen wird, noch vor dem Sommer beschäftigen. 

Weitere Themen in der Sendung Dreiland Aktuell vom 01.06.2024

Wie gefährdet das Grundwasser im Elsass durch die intensive Landwirtschaft, mögliche Folgen der Giftmülldeponie Stocamine und anderer Faktoren ist, zeigt ein Bericht des französischen Fernsehens. Was in Frankreich ins Grundwasser gelangt, könnte auch auf der anderen Rheinseite, in Deutschland, für Probleme sorgen.

Am vergangenen Wochenende scheiterte die Bergung der Säntis zum zweiten Mal. Das Schiff bleibt damit wohl auf dem Grund des Sees. Doch auch in anderen Schweizer Gewässern ist viel zu finden, was dort nicht hingehört.

Vitra Schaudepot zeigt "Vom Space Age zum Metaverse". Wie verzahnt sind Möbeldesign und Science-Fiction? Und welche Designentwicklungen im Möbelbereich gibt es heute, die man nur virtuell im Metaverse erleben kann? Das zeigt das Vitra Schaudepot in seiner neuen Ausstellung in Weil am Rhein (Kreis Lörrach).

Weitere Themen der Sendung Dreiland Aktuell vom 01.06.2024

Elsass/Oberrhein

Dreiland Aktuell Streit um Grundwasser im Elsass

Die Grundwasserspiegel am Oberrhein sinken. Grund dafür sind Dürrephasen, aber auch die Bewässerung der Maisfelder, vermuten Fachleute. Landwirte in Frankreich wehren sich dagegen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Dreiland Aktuell SWR BW

Bodensee

Dreiland Aktuell Dampfschiff Säntis bleibt versunken im Bodensee

Am letzten Wochenende scheiterte die Bergung der Säntis zum zweiten Mal. Doch auch in anderen Schweizer Gewässern ist viel zu finden, was dort nicht hingehört.

SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Dreiland Aktuell SWR BW

Weil am Rhein

Dreiland Aktuell Vitra Schaudepot zeigt "Vom Space Age zum Metaverse"

Wie verzahnt sind Möbeldesign und Science-Fiction? Welche Designentwicklungen im Möbelbereich gibt es heute? Das zeigt das Vitra Schaudepot in seiner neuen Ausstellung in Weil am Rhein.

SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Dreiland Aktuell SWR BW

Stand
Autor/in
Schlott, Matthias
Onlinefassung
Hermanns, Thomas

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.