Es war ein großer Triumph für die Schweizer Klimaseniorinnen in Straßburg Anfang April. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR entschied: Staaten können belangt werden, wenn sie zu wenig für den Klimaschutz tun. Denn: Klimaschutz ist Menschenrecht.
Zwei Schweizer Rechtskommissionen halten das für Aktivismus. Das internationale Gericht in Straßburg habe seine Kompetenzen überschritten, sagt Nationalratsmitglied Barbara Steinemann, Vizepräsidentin der Rechtskommission. "Wir sind der Gesetzgeber und das lassen wir uns auch im Klimabereich nicht wegnehmen", so die nationalkonservative Politikerin von der Schweizer Volkspartei SVP. Die Rechtskommissionen empfehlen, dass die Schweiz dem Urteil nicht Folge leisten soll.
Der Fernsehbeitrag aus der Sendung Dreiland Aktuell vom 1. Juni 2024:
Klimaseniorinnen wollen das nicht hinnehmen
Rosmarie Wydler-Wälti ist entsetzt, dass die beiden Rechtskommissionen das Urteil einfach ignorieren wollen. Die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen Basel pocht auf die Einhaltung des Urteils.
Sollte die Schweizer Regierung den Rechtskommissionen folgen, wollen sich die Klimaseniorinnen an den Europarat wenden, so Wydler-Wälti. Der Europarat überwacht die Umsetzung solcher Urteile.
Der Fernsehbeitrag vom 13. April 2024, als die Schweizer Klimaseniorinnen Recht bekommen hatten:
Wird damit Völkerrecht gebrochen?
Würde der Bundesrat die Umsetzung des Urteils tatsächlich verweigern, wäre das ein klarer Völkerrechtsbruch, stimmt Helen Keller zu. Denn die Urteile des Gerichts sind verbindlich. Die Juristin war bis 2020 selbst Richterin des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie kenne keinen anderen Gerichtsentscheid, in dem die Schweiz so reagiert hätte, erzählt Keller. Es wäre auch ein Tabubruch, findet sie.
Lange wurden die Klimaseniorinnen nicht ernst genommen
Die Klimaseniorinnen hatten zuvor schon bei nationalen Gerichten versucht, die Schweiz zu verklagen. Ihr Vorwurf: Der Staat tue zu wenig gegen den Klimawandel und schütze somit die älteren Frauen zu wenig. Doch die Schweizer Gerichte wiesen die Frauen ab. Eine erfolgreiche Klage galt auch im Umfeld von Rosmarie Wydler-Wälti als undenkbar.
Die Idee zur Klima-Klage kam von Greenpeace. Die Umweltorganisation suchte 2016 aktiv nach älteren Personen, die besonders betroffen von den Folgen des Klimawandels sind. Denn nur diese könnten erfolgreich den Staat wegen Unterlassung verklagen, erzählte Wydler-Wälti in der Basler Zeitung Ende April.
Ist das Urteil eine Bevormundung der Schweiz?
Die Empfehlungen der Rechtskommissionen, das Urteil zu ignorieren, trifft in der Schweiz auch auf Zustimmung. Seit längerem wird in der Politik diskutiert, ob ein Urteil aus Straßburg der direkten Demokratie in der Schweiz schadet. Fremde Richter bestimmen über das Wohl der Gesellschaft, so das Narrativ. Vor allem die nationalkonservative Schweizer Volkspartei SVP nutzt diese Erzählung. Das Parlament will sich mit der kniffligen Frage, wie die Schweiz mit dem Straßburger Klima-Urteil umgehen wird, noch vor dem Sommer beschäftigen.
Weitere Themen in der Sendung Dreiland Aktuell vom 01.06.2024
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