In Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) nimmt die Kirchliche Sozialstation am Modellversuch "Telepflege" teil. Beratungsgespräche des ambulanten Pflegedienstes sind dann nicht mehr persönlich vor Ort, sondern werden per Videoanruf geführt, um das Personal zu entlasten.
Erstgespräch muss weiter persönlich vor Ort erfolgen
Jutta Herth ist seit fast 40 Jahren im Pflegeberuf tätig. Das persönliche Gespräch wird einen Videoanruf niemals ersetzen können, das betont sie ganz klar. Deshalb ist es für sie ja auch so wichtig, das Erstgespräch immer vor Ort bei den Patienten zu führen, um Fragen zu klären, wie zum Beispiel: Wie sind die räumlichen Gegebenheiten zu Hause? Braucht der Patient einen Rollator, einen Rollstuhl, Handlauf-Geländer? Ist jemand mit im Haushalt, der helfen kann - oder gibt es Verwandte, Freunde, Nachbarn? Diese wichtigen Fragen sollten immer in einem ausführlichen persönlichen Erstgespräch geklärt werden.
Der Wechsel zwischen Hausbesuch und Videocall wäre für Jutta Herth durchaus denkbar und gut umsetzbar. Das funktioniert, wenn der Patient oder die Angehörigen fit in Sachen Technik sind. Eine weitere Voraussetzung: Smartphone, Tablet oder Computer.
Pflegegrad nur mit Antrag
Hat ein Mensch in Deutschland einen Pflegegrad 1 bis 5, stehen ihm bestimmte Pflegeleistungen zu. Die bekommt man aber erst nach einem genehmigten Antrag bei der Pflegekasse. Die Pflegeleistungen können dann monatlich ausbezahlt werden, wenn Angehörige die Pflege selbst übernehmen.
In diesem Fall kommt eine Pflegeberaterin oder ein Pflegeberater halbjährlich zu Hause vorbei und schaut nach dem Rechten. Ist ein Patient pflegebedürftig, so wird er vom ambulanten Pflegedienst durch Hausbesuche versorgt. Medizinische Leistungen zu Hause könnten dann unter anderem sein: Umlagern im Bett, Wundverbände wechseln, Spritzen setzen oder die richtige medikamentöse Behandlung. Das gilt meist für Menschen, die einen höheren Pflegegrad haben.
Das Pflegeberatungsgespräch ist dann alle drei Monate. Und genau diese Gespräche, entweder alle drei oder alles sechs Monate, sollen künftig nicht mehr persönlich, sondern per Videoanruf geführt werden.
Personalmangel steht auf Tagesordnung
Frank Becker ist stellvetrender Geschäftsführer der Sozialstation. Er betont: Pflegedienste und stationäre Pflege könnten in Zukunft nicht mehr die kompletten Leistungen erbringen. Bei dem Projekt gehe es darum, die rund 300 Mitarbeitenden zu entlasten. Denn der demografische Wandel und die steigende Zahl der Pflegebedürftigen werde zu erheblichen Problemen führen.
Ganz scharf ausgedrückt: Die Sterblichkeit wird deutlich steigen wird, weil die Menschen einfach nicht mehr versorgt werden können.

Ab Januar startet Testphase "Telepflege"
Die Kirchliche Sozialstation Sinsheim betreut fast 1.000 Kunden. Rund 400 davon seien nicht ambulant pflegebedürftig. Die Menschen können sich noch alleine oder mit Hilfe Angehöriger zu Hause versorgen. Heißt: Hier muss der Pflegedienst keine Hausbesuche machen. Und genau diese Kunden würden nun für das Modellprogramm "Telepflege" gesucht, so Becker weiter. Knapp 40 von ihnen werden von der Kirchlichen Sozialstation Sinsheim angefragt, ob sie sich vorstellen könnten, bei dem Projekt mitzumachen.
Das Modellprogramm wird von der Hochschule Hof wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Erste Ergebnisse würden nach der Testphase Ende August 2025 bekannt gegeben, so Becker.