Bobbycars stehen unter Jacken von Kindern, die an einer Garderobe einer Kindertagesstätte (Kita) hängen.

Akuter Personalmangel

Betroffene und Gewerkschaften in BW kritisieren größere Kitagruppen

Stand

BW will wegen des Personalmangels vorübergehend größere Kita-Gruppen zulassen. Betroffene fürchten, dass dadurch bald noch mehr Fachkräfte ausfallen und die Betreuung leidet.

Wegen der angespannten Personalsituation in Kitas in Baden-Württemberg will das Land jetzt durch eine Ausnahmeregelung größere Kitagruppen zulassen. Kritik kommt von Gewerkschaften und Betroffenen.

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Kritik in Sozialen Medien

Betroffene, darunter auch Erzieherinnen und Erzieher, äußern sich in den Sozialen Medien kritisch über die Pläne der Landesregierung, die Höchstgruppengröße in den Einrichtungen zu erhöhen. Viele fürchten, dass die pädagogische Betreuung und Qualität noch mehr leidet, sollte weniger Personal die Verantwortung für noch mehr Kinder tragen müssen.

"Wir Erzieherinnen sind eh schon am Limit."

Bedingungen schon während Corona "kräftezehrend"

Eine Userin schreibt in einem Instagram-Kommentar auf der Seite von SWR Aktuell, dass sie den Job gewechselt habe, weil die berufliche Belastung bereits während der Corona-Pandemie zugenommen habe. Eine Erhöhung des Personalschlüssels sorge nicht dafür, dass sie wieder im Kindergarten arbeiten möchte.

Auch ein anderer User befürchtet zusätzlichen Stress für Erzieherinnen und Erzieher, wenn die Gruppen größer würden. Das führe "im schlimmsten Fall zu Fachkräfteflucht".

Stress für Kinder und Erziehende

Eine weitere Userin kommentiert als Mutter und als Erzieherin und befürchtet nicht nur Stress für das Personal, sondern auch für die Kinder. Eine andere Userin äußert die Sorge, dass die Kinder darunter leiden würden, da nicht mehr gewährleistet werden könne, auf jedes einzelne Kind einzugehen.

Eine Fachkraft schreibt, dass viele Kolleginnen und Kollegen an der Bürokratie verzweifeln und mehr am Schreibtisch sitzen würden als Zeit für die Kinderbetreuung zu haben. Einige Kommentare auf der SWR Aktuell-Facebookseite sehen vor allem auch die Aufsichtspflicht durch die Erzieherinnen und Erzieher gefährdet.

Bessere Bezahlung und mehr Ausbildungsanreize schaffen

Die meisten Kommentierenden wünschen sich eine bessere Bezahlung, vor allem die der Auszubildenden. Eine Userin schreibt dazu: "Das fängt schon mit der Ausbildung an, meine Töchter machen diese gerade, weil sie aus Überzeugung in diesen Beruf gehen. Im ersten Ausbildungsjahr bekommen sie keinen Cent, im 2. und 3. Jahr ein bisschen Bafög und erst im 4. Jahr gibt's Geld". Dazu schreibt eine weitere Userin, dass es zumindest in Baden-Württemberg die Möglichkeit einer PiA-Ausbildung gebe. Das sei der richtige Weg, finde sie.

PiA-Ausbildung in BW möglich

Bei der sogenannten PiA-Ausbildung handelt es sich um eine praxisintegrierte Ausbildung, die es im Land bereits seit 2012 gibt. Erzieherinnen und Erzieher werden dabei in einem dualen System ausgebildet: drei Tage Schule, zwei Tage Praxis - drei Jahre lang mit bezahltem Vertrag.

Eine weitere Userin findet, dass das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) bei der Ausbildung angerechnet werden sollte. Außerdem, so der Kommentar, sollte man auch darin geschult werden, sich selbst in Ausbildung und Beruf gesund zu halten, beispielsweise durch Sportangebote und soziale Beratung.

Bilungsgewerkschaft kritisiert größere Gruppen

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht höhere Gruppengrößen in Kitas kritisch. Die Erhöhung der Gruppengrößen werde keine Lösung sein, sondern den Fachkräftemangel erhöhen, heißt es in einem Schreiben, das dem SWR vorliegt. Bereits jetzt sei die Krankheitsquote bei den Kita-Fachkräften viel zu hoch. Wenn die Belastung steige, fielen noch mehr pädagogische Profis aus und Öffnungszeiten der Kitas müssten eingeschränkt oder Einrichtungen sogar geschlossen werden.

"Landesregierung und Kita-Träger haben in der Vergangenheit zu wenig in Bildung investiert, jetzt spüren Kinder, ihre Erzieher*innen und Eltern die Konsequenzen", so Ricarda Kaiser, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Die GEW erwarte, dass Landesregierung und Kita-Träger ihre Bemühungen, Fachkräfte zu gewinnen, intensivierten. "Wenn ein großer Automobilkonzern sagen würde, dass er seine Produktion wegen Fachkräftemangel einstellen wird, könnte man sich sicher sein, dass am nächsten Tag der Ministerpräsident vor der Tür steht, Unterstützung und einen Strategiedialog anbietet", sagte Kaiser. Die Gewerkschaft erwarte von der Landesregierung und den Kita-Trägern eine Kampagne für mehr Qualität in Kitas und Grundschulen.

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Ver.di: Pädagogische Fachkräfte sind empört

Die Gewerkschaft ver.di äußerte sich ebenfalls zu der vom Kultusministerium per Verordnung geplanten Veränderung des Personalschlüssels. Landesbezirksleiter Martin Gross sagte: "Die pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen sind empört, dass die Standards erneut für ein Jahr verschlechtert werden."

Zur Ankündigung, die Absenkung sei zunächst nur für ein Jahr befristet, hätten sie inzwischen kein Vertrauen mehr, so Gross. Zum einen glaube kein einziger Akteur in der frühkindlichen Bildung ernsthaft, dass der Fachkräftemangel in einem Jahr behoben sei und wieder ausreichend Plätze angeboten werden könnten.

Der Vorsitzende des Fachgruppenvorstandes Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit, Hansi Weber, fügte hinzu, dass die Werbekampagnen zur Gewinnung neuer Fachkräfte ins Leere laufen würden, wenn der Inhalt nicht mehr stimme. "Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die hochgradig motivierten und engagierten Beschäftigten ihrer eigentlich schönen und sinnstiftenden Profession wieder mit verlässlichen und ordentlichen Standards nachgehen können, " sagte Weber.

Kritik auch vom Verband Kita-Fachkräfte in BW

Anja Braekow, Vorsitzende vom Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg kritisierte die Pläne der Landesregierung ebenfalls: "Immer mehr Kinder benötigen Sprachförderung und individuelle Begleitung und Eltern brauchen immer mehr Unterstützung, die Arbeitsbelastung steigt also stetig." In dieser eh schon angespannten Situation noch mehr Kinder zu betreuen ende in einem Desaster, so Braekow.

Braekow schlägt vor, Entlastung könne man zeitnah und relativ kostengünstig zum Beispiel über FSJler, Hauswirtschaftskräfte, Integrationshelferinnen und -helfer und Verwaltungsmitarbeitende schaffen.

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