Kita-Kind beim Essen am Tisch. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Land erfüllt laut Bertelsmann-Studie gesetzlichen Anspruch nicht

Zu wenig Kitaplätze in BW - Opposition fordert Platz-Sharing und bessere Bezahlung

Stand

In Baden-Württemberg gibt es im kommenden Jahr zu wenig Kitaplätze. Zu diesem Schluss kommt die Bertelsmann-Stiftung. Die Opposition fordert geteilte Plätze und mehr Geld fürs Personal.

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung sieht perspektivisch einen Mangel an Kitaplätzen - rund 58.000 Positionen fehlten. Besonders junge Eltern in Baden-Württemberg könnten daher 2023 in die Röhre schauen, wenn sie im nächsten Jahr einen Betreuungsplatz für ihr Kind suchen.

Studie: Rechtsanspruch in BW nicht erfüllt

Die Studie, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, bescheinigt dem Land zwar einen massiven Ausbau der Kitaplätze in den vergangenen Jahren. Dennoch kann die Nachfrage der Eltern und deren Rechtsanspruch auf Betreuung in vielen Teilen des Landes nicht gedeckt werden. So liege die Quote der betreuten Kinder unter drei Jahren mit 29 Prozent deutlich unter dem Bedarf von 41 Prozent, heißt es in der Studie. Das entspricht einer Lücke von zwölf Prozent beziehungsweise 39.000 Plätzen.

Bei den über Dreijährigen sieht die Lage besser aus - hier klafft zwischen Angebot und Nachfrage eine Lücke von drei Prozent - rund 18.000 fehlende Kitaplätze. Um die fehlenden Plätze zu schaffen, müssten die Kommunen als Kita-Träger zusätzlich 16.800 Fachkräfte einstellen. Die Stiftung schätzt die Kosten dafür auf über 700 Millionen Euro jährlich - weitere Betriebs- und Baukosten noch nicht eingerechnet.

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Situation um Kitaplätze "untragbar"

Aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung belegen die Zahlen, dass der gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung auch bis 2023 nicht erfüllt werden kann. "Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern werden bei der Betreuung ihrer Kinder nicht unterstützt, während Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in ihrer frühen Bildung vorenthalten wird", sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Stiftung.

Die Experten der Stiftung sehen die Probleme bei der Gewinnung von Fachpersonal und analysieren: "Eine fatale Wechselwirkung erschwert die Aufgabe: Zu wenig Personal verschlechtert nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Kinder, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte." Dadurch werde es schwieriger, Personal zu halten. Damit dieser "Teufelskreis" durchbrochen werden könne, brauche es eine "erkennbare politische Priorität für eine bessere Personalausstattung".

Opposition fordert Platzsharing, Brückengeld, bessere Bezahlung

Der baden-württembergische SPD-Bildungsexperte Daniel Born zeigt sich besorgt angesichts des aktuellen Berichts der Bertelsmann-Stiftung. Ohne Kitaplatz müsse oft auf ein Einkommen verzichtet werden und das sei angesichts steigender Lebenshaltungskosten für immer mehr Eltern finanziell nicht mehr zu stemmen, so Born. Die SPD im baden-württembergischen Landtag fordert daher unter anderem ein Platz-Sharing in der Kita. Dabei sollen sich zwei Kinder einen Kitaplatz teilen, um den Eltern zumindest Arbeit in Teilzeit zu ermöglichen, bis für ihr Kind ein voller Platz frei wird. Ein weiterer Vorschlag der SPD: ein Brückenelterngeld. Es soll die Eltern unterstützen, die trotz rechtzeitiger Bewerbung auf einen Kitaplatz leer ausgehen.

Die AfD will Erzieherinnen besser bezahlen, die FDP spricht von einem Direkteinstiegsprogramm für Kitakräfte. Einigkeit mit der Landesregierung besteht darin, dass es viele Wege geben müsse, um den Fachkräftemangel zu beheben.

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ver.di: Kitasystem steht vor dem Kollaps

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht das Kitasystem vor einem Kollaps. Die stellvertretende baden-württembergische Bezirksleiterin Hanna Binder erklärte, die Zahlen der Studie seien vorhersehbar gewesen. Es müsse endlich richtig investiert werden, etwa in Ergänzungskräfte, Ausbildung und Qualifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern. Binder kritisierte, dass in fast jeder zweiten Kita in Baden-Württemberg der Personalschlüssel nicht kindgerecht sei.

Hansi Weber, Vorsitzende des ver.di Fachgruppenvorstandes Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit in Baden-Württemberg, erklärte, statt frühkindlicher Bildung gebe es dann häufig nur noch Betreuung, mit allen Folgen für den Bildungserfolg insbesondere benachteiligter Kinder.

Kommunen wollen Abstriche bei Kitastandards

Steffen Jäger, Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, sagte, es liege an dem immensen Fachkräftemangel und den geltenden Standards, dass es für viele tausend Kinder kein Angebot geben könne. Er drängte das Land erneut zu Abstrichen bei Gruppengröße und Personalschlüssel. Als Beispiel nannte er Bayern. Wenn man den dortigen Personalschlüssel auf Baden-Württemberg übertragen würde, ergäbe sich ein rechnerisches Mehr von rund 90.000 Plätzen. Kurzfristig könnten in Baden-Württemberg keine zusätzlichen 16.800 Fachkräfte gewonnen werden, da der Facharbeitsmarkt vollkommen leergefegt sei.

Kultusministerium wenig überrascht

Auch das Kultusministerium zeigte sich wenig überrascht von den Zahlen der Bertelsmann-Studie. Staatssekretär Volker Schebesta, CDU, erklärte, man wisse um die angespannte Situation. Das Land habe bereits gehandelt. In den vergangenen 15 Jahren sei die Zahl der Ausbildungsplätze für Erzieherinnen verdoppelt worden. Als kurzfristige Maßnahme in Krisenzeiten nennt Schebesta die Vergrößerung der Gruppen. Außerdem solle demnächst ein Programm für Quereinsteiger starten.

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