Landwirt Alexander Kern aus Bretten im Kreis Karlsruhe. So sieht er die Europawahl aus Sicht eines Landwirts.

Zwischen Ärger und Zufriedenheit

Europawahl 2024: So sieht ein Landwirt aus Bretten die EU

Stand
Autor/in
Fabiola Germer
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Landwirt Alexander Kern aus Bretten befürwortet ein gemeinsames Europa, übt aber auch Kritik an der Agrarpolitik in der EU. Vor der Europawahl gibt er Einblicke in seinen Alltag.

Der Hof von Alexander Kern liegt beschaulich mitten im Grünen, am Rand von Bretten-Heidelsheim im Landkreis Karlsruhe. Schon bei der Anfahrt hört man seine 50 Kühe laut muhen. Der 34-Jährige hat den Hof erst vor etwa einem Jahr von seinen Eltern übernommen und damit auch den landwirtschaftlichen Betrieb. Seit mehr als drei Generationen gehört der Hof seiner Familie. Für ihn ist es sein Traumberuf, sagt er. Er ist hier aufgewachsen.

Ich habe das gemacht, weil ich mein Leben lang schon für die Landwirtschaft brenne. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als Landwirt zu sein.

Als Landwirt hat er täglich mit der EU zu tun

Mit einer Heugabel schiebt er den Kühen das Heu vor die Nase. Für ihn ist das seine tägliche Arbeit. Mit einer Fläche von etwas mehr als 150 Hektar gehört sein Betrieb in Baden-Württemberg zu den Mittelgroßen, sagt er. Auf seinen Feldern baut er unter anderem Zuckerrüben, Mais und Gerste an. Die Kühe werden geschlachtet und das Fleisch wird über die familieneigene Metzgerei verkauft.

Täglich muss er sich bei seiner Arbeit mit Verordnungen der Europäischen Union auseinandersetzen. Manchmal machen sie ihm seinen Arbeitsalltag nicht gerade leichter, wie er selbst sagt. Deshalb blickt er mit gemischten Gefühlen auf die Europäische Union.

Landwirt Alexander Kern aus Bretten im Kreis Karlsruhe. So sieht er die Europawahl aus Sicht eines Landwirts.
Der Hof von Landwirt Alexander Kern aus Bretten.

Hohe Standards und strenge Auflagen in der EU

In der EU gelten für Landwirtinnen und Landwirte strenge Auflagen. Das ist auch ein Teil der Kritik von Landwirt Alexander Kern. Sie müssen in Europa höhere Standards im Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz einhalten als Landwirte in Nordafrika oder Lateinamerika. "Dadurch können wir sagen, dass wir hier die besten Lebensmittel haben", sagt Kern. "Nur leider honoriert das der Verbraucher nicht. Er verlangt das zwar, möchte es aber nicht bezahlen."

Der Kunde greife dann eher zu günstigeren Lebensmitteln, die beispielsweise ihren Weg aus Drittländern in die deutschen Supermärkte finden, sagt der Landwirt. Die Lebensmittel kommen aus Ländern, in denen es niedrigere Löhne und geringere Produktionsstandards als in der EU gibt. Für Alexander Kern ist das Problem daher global.

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Streitfall Pflanzenschutzmittel

Als Beispiel nennt der Landwirt den Einsatz von bestimmten Pflanzenschutzmitteln, sogenannte Neonicotinoide. Das Insektengift kann in einem speziellen Verfahren, dem Beizen von Saatgut, direkt in die Pflanze gegeben werden. Das Saatkorn wird mit dem Wirkstoff umhüllt, erklärt Alexander Kern. So müsse es nicht großflächig gespritzt werden, sondern wirke direkt gegen Schädlinge, wenn sie die Pflanze angreifen. Das Beizen spare Kosten und sei weniger aufwendig, als den gesamten Acker mit Insektiziden zu behandeln, sagt der 34-Jährige.

Doch das Beizen mit Neonicotinoiden ist in der EU mittlerweile verboten. Zwar gelten diese Wirkstoffe als besonders wirksam gegen Schädlinge, aber auch als hochgiftig für Umwelt, Bienen und andere Insekten. Er selbst sagt, dass er ohne den Einsatz dieses Wirkstoffs einen Ernteverlust von etwa fünf bis zehn Prozent habe. Er wünscht sich deswegen genauso wirksame und kostengünstige Alternativen, die auch die Umwelt schonen. Die gebe es aus seiner Sicht bisher nicht.

Hinzu komme, dass Lebensmittel, die mit diesem Wirkstoff behandelt wurden, trotzdem auf den europäischen Markt gelangen, so Kern. Als Beispiele nennt er Länder wie Brasilien oder die Ukraine. Diese Lebensmittel können auch günstiger verkauft werden, weil sie in der Produktion weniger Kosten verursachen.

Alexander Kern ist für fairen Wettbewerb

"Wenn bei uns ein Pflanzenschutzmittel nicht mehr zugelassen ist, dann ist das wichtig und richtig, dass das so ist", sagt Alexander Kern. "Aber dann muss es auch für alle importierten Lebensmittel klar sein, dass wir das nicht wollen." Nur so sei fairer Wettbewerb möglich. Deswegen fordert er, dass nur noch Lebensmittel importiert werden sollen, die die gleichen Umweltstandards erfüllen, die auch in der Europäischen Union gelten.

Dass das umsetzbar ist, bezweifelt Konrad Rühl. Er ist Leiter der Abteilung Landwirtschaft im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Laut ihm ist es nicht möglich, Produkte aus anderen Ländern mit weniger hohen Standards vom europäischen Markt auszuschließen. "Es gibt zwar von der EU definierte Höchstwerte, was Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in Lebensmitteln angeht und das wird überwacht." Aber Deutschland müsse Lebensmittel importieren, sagt Konrad Rühl. Die Eigenversorgung bei Gemüse liege in Deutschland bei nur 30 Prozent.

Kern und andere Landwirte sind wegen der Agrarpolitik auf die Straße gegangen

Unter anderem wegen der Umweltstandards und seiner Kritik daran war Alexander Kern Anfang des Jahres bei den europaweiten Bauernprotesten auch auf die Straße gegangen. Nicht nur in Bretten, sondern auch in Karlsruhe und anderen Städten hatten Landwirtinnen und Landwirte gegen die Agrarpolitik demonstriert. Das EU-Parlament hat daraufhin einige Umweltauflagen in der Landwirtschaft zurückgenommen.

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EU-Gelder sichern Überleben des Betriebs

Die EU macht Alexander Kern nicht nur Auflagen, sondern gibt ihm auch Geld. Die Höhe der Subventionen bemessen sich unter anderem nach der Größe seines landwirtschaftlichen Betriebs, also der Fläche. Aber auch für freiwillige Förderprogramme, die die Umwelt oder das Tierwohl betreffen, kann er Gelder beantragen. Wollen Landwirte diese Zuschüsse erhalten, müssen sie die geforderten Auflagen erfüllen. Zum Beispiel müssen sie einen Blühstreifen säen oder eine Fläche ohne Pflanzenschutzmittel bewirtschaften.

Zwei Drittel seines Gewinns kommt durch Geld von der Europäischen Union, sagt der Landwirt. "Ich bin auf das Geld dringend angewiesen", so Kern.

Kern schätzt Gemeinschaft in der EU

Für Alexander Kern hat die EU zwei Seiten. "Ich finde es gut, dass wir in der EU sind, vor allem wenn man den Ukraine-Krieg anguckt", sagt er. "Ich als junger Mensch bin es nicht gewohnt, dass ein Krieg so nah ist. Deswegen finde ich es gut, dass wir in einer Gemeinschaft sind." Nur die EU-Verordnungen, die ihn betreffen, da könne er auf die eine oder andere gerne verzichten.

Landwirt Kern: "Wählen bei der Europawahl ist wichtig"

Für den 34-Jährigen, der sich für die Belange der Landwirte als stellvertretender Vorsitzender im Kreisbauernverband im Kreis Karlsruhe einsetzt, ist die Europawahl eine wichtige Teilhabe. Sein Kreuzchen möchte er deswegen unbedingt machen. "Ich bin mit einigen Dingen der EU nicht zufrieden, deswegen muss ich wählen gehen. Wenn ich mich nur beschwere und nicht wählen gehe, dann bin ich selbst schuld. Dann kann ich auch nichts verändern."

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