- Das Durchschnittseinkommen in Baden-Württemberg stagniert und gehört bundesweit zu den Niedrigsten.
- Mühsamer Obstanbau bringt keine hohen Einkommen, ist im Ländle aber überdurchschnittlich viel vorhanden.
- Kleine Betriebe mit niedrigen Einkommen dominieren die baden-württembergische Landwirtschaft.
- Das "Höfesterben" hält weiter an. Vor allem kleine Betriebe haben Probleme, die wachsenden Anforderungen zu erfüllen.
- Kleinstrukturierte Landwirtschaft bringt auch Vorteile für den ländlichen Raum.
Baden-Württemberg bleibt hinter anderen Bundesländern zurück
Seit Wochen machen Bauern in ganz Deutschland ihrem Unmut über die Situation der Landwirtschaft in landesweiten Protesten Luft. Die geplante Streichung der Agrardieselerstattung war für viele der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Der Unzufriedenheit der Landwirte wird dabei oft die positive Einkommensentwicklung der Branche in den vergangenen Jahren entgegengesetzt. Doch die meisten Bauern in Baden-Württemberg können sich nicht über steigende Gewinne freuen.
Während andere Betriebe in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2021/22 Rekordsteigerungen verzeichneten, verdienten Landwirte in Baden-Württemberg im Schnitt nur wenig mehr als in den Vorjahren. Ihr durchschnittliches Einkommen war damit erneut das Geringste bundesweit.
Das zeigt auch die Grafik: In grau ist die Spannweite der Durchschnittseinkommen in Deutschland zu sehen, die je nach Bundesland unterschiedlich hoch ausfallen. Das baden-württembergische Durchschnittseinkommen wird in blau dargestellt und befindet sich meist im unteren Bereich.
Besondere Vielfalt in der baden-württembergischen Landwirtschaft
Landwirtschaftliche Einkommen unterliegen überall in Deutschland großen Schwankungen. Das Wetter, Marktpreise und Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg wirken sich auf die Gewinne und damit auf die Einkommen aus.
In Baden-Württemberg gibt es zusätzlich strukturelle Besonderheiten. Standortfaktoren wie die Landschaft und Klima sorgen dafür, dass die Landwirtschaft sehr vielfältig ist. In den Tälern lässt sich beispielsweise gut Acker- und Obstbau betreiben, während höhere Lagen sich für Viehhaltung eignen.
Landwirte in anderen Bundesländern setzen mehr auf eine Betriebsform, die meisten Betriebe konzentrieren sich also auf den selben Bereich der Landwirtschaft. In Sachsen-Anhalt gibt es beispielsweise sehr viele Ackerbaubetriebe. Die zuletzt gestiegenen Einkommen in diesem Bereich haben sich dementsprechend deutlich auf den Einkommensdurchschnitt des Landes ausgewirkt. In Baden-Württemberg findet großflächiger Ackerbau hingegen weniger statt.
In der Grafik lassen sich die strukturellen Unterschiede erkennen. In Baden-Württemberg setzen die meisten Betriebe den Schwerpunkt auf die Haltung von Weidevieh wie Kühen oder Schafen, aber auch andere Bereiche sind oft vertreten. In Sachsen-Anhalt machen dagegen die Ackerbauern den größten Anteil der Betriebe aus.
Mühsamer Obstanbau bringt keine hohen Einkommen
Wie viel Einkommen pro Kopf erwirtschaftet wird unterscheidet sich je nachdem, welche Art von Landwirtschaft betrieben wird. In der Schweine- und Geflügelhaltung verdienten die Bauern in Baden-Württemberg in den letzten Jahren trotz großer Schwankungen durchschnittlich fast 12.000 Euro mehr als im Obst- und Weinanbau.
Deutlich mehr Betriebe als andernorts konzentrieren sich in Baden-Württemberg auf den Anbau von sogenannten “Dauerkulturen” wie Wein und Obst. Rund ein Drittel aller deutschen Obstbäume stand 2022 in Baden-Württemberg.
Doch die Arbeit ist oft mühsam und auch heute noch mit viel Handarbeit verbunden. Vor allem Anbaugebiete an steilen Hängen können kaum mit Maschinen bewirtschaftet werden. Obstbaubetriebe beschäftigen fast dreimal so viele Arbeitskräfte wie Ackerbaubetriebe. Der Gewinn muss statistisch auf mehr Menschen aufgeteilt werden, die Einkommen pro Kopf fallen dementsprechend niedrig aus.
Dieser Unterschied zeigt sich auch in der Grafik. Während die Einkommen in Obst- und Weinbau vergleichsweise niedrig sind, konnten vor allem Ackerbaubetriebe zuletzt einen sehr hohen Gewinn je Arbeitskraft erzielen. Die Durchschnittseinkommen in Baden-Württemberg sind farbig hervorgehoben und liegen meist im unteren Bereich.
Kleine Betriebe dominieren baden-württembergische Landwirtschaft
Selbst in lukrativen Bereichen wie dem Ackerbau sind die Einkommen in Baden-Württemberg niedriger als in den meisten anderen Bundesländern. Neben der Marktanbindung der einzelnen Betriebe und der Vertriebsform spielt hier auch die Betriebsgröße eine Rolle.
Die Produktionskapazitäten der Betriebe unterscheiden sich bundesweit stark. Das zeigt sich unter anderem in den vorhandenen Flächen: In Baden-Württemberg bewirtschaften Haupterwerbsbetriebe im Durchschnitt 70,5 Hektar. Wie in der Grafik deutlich wird, ist das weniger als in anderen Bundesländern, beispielsweise in Sachsen-Anhalt.
Die Landwirtschaft im Südwesten ist von vielen kleinen Betrieben geprägt, die nur über geringe Produktionskapazitäten verfügen. In kleinen Haupterwerbsbetrieben bewirtschaften im Schnitt anderthalb Vollzeit-Arbeitskräfte eine Fläche von 38,5 Hektar. Das Pro-Kopf-Einkommen lag im Wirtschaftsjahr 2021/22 bei rund 16.800 Euro. Die meisten baden-württembergischen Betriebe werden im Nebenbetrieb geführt und sind in der Regel noch kleiner.
Ein Grund hierfür ist die sogenannte Realteilung: Im Südwesten wurden Flächen über Generationen hinweg an mehrere Nachkommen vererbt und dementsprechend aufgeteilt. Dadurch ist über die Zeit eine Vielzahl von kleinen Grundstücken entstanden. Im Nordosten Deutschlands sind die Betriebe deutlich größer. Das liegt auch daran, dass in der DDR einzelne Bauernhöfe zu genossenschaftlichen Großbetrieben zusammengelegt wurden.
Die wachsenden Anforderungen an die Landwirtschaft setzen vor allem kleine Betriebe unter Druck. Bürokratie, Investitionen und Innovationen sind für sie schwerer zu stemmen als für größere Betriebe.
Staatliche Förderungen und EU-Subventionen machen einen großen Teil der landwirtschaftlichen Erträge aus. Doch auch bei den Flächenprämien, wie sie beispielsweise von der EU ausgezahlt werden, sind kleine Betriebe im Nachteil.
"Höfesterben" hält auch in Baden-Württemberg weiter an
Zusätzliche Einnahmequellen wie Photovoltaik-Anlagen, Verpachtung oder die Beherbergung von Gästen sorgen dafür, dass auch Betriebe mit niedrigen landwirtschaftlichen Einkommen weiter gehalten werden können.
Dennoch können viele Landwirte der aktuellen Entwicklung nicht standhalten. Andere finden keinen Hofnachfolger, sind mit dem Betrieb überfordert oder verlieren die Lust an der Landwirtschaft.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Betriebe in Baden-Württemberg um 16 Prozent gesunken. Gleichzeitig steigt die durchschnittliche Größe an, die Flächen der aufgegeben Höfe werden also von anderen Landwirten übernommen.
Geben Landwirte, deren Betrieb schon lange unrentabel ist, ihren Hof auf, ist das für Agrarökonom Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien nicht per se etwas Schlechtes. Viel mehr zeige sich darin das Ergebnis des wirtschaftlichen Wettbewerbs, der in der Landwirtschaft genau so Folgen mit sich bringe wie in anderen Wirtschaftsbereichen.
Kleinstrukturierte Landwirtschaft bringt auch Vorteile
Um auch als kleiner Betrieb mit den technologischen Veränderungen in der Landwirtschaft mithalten zu können, sollte laut Dr. Andrea Knierim, Professorin an der Universität Hohenheim, vermehrt auf Kooperationen mit anderen Landwirten gesetzt werden. In Maschinenringen werden beispielsweise Maschinen gemeinsam angeschafft und genutzt.
Politische Maßnahmen wie die Junglandwirteförderung oder die geplanten Lockerungen der EU-Umweltauflagen kommen vor allem kleinen Betrieben zugute. Denn die kleinteiligen Strukturen bringen nicht nur Nachteile mit sich. Die Vielfalt macht die Landwirtschaft in Baden-Württemberg weniger empfindlich gegenüber Krisen.
Zudem haben auch kleine Betriebe einen großen Wert für den ländlichen Raum. "Die Landwirtschaft trägt dazu bei, dass die Landschaft erhalten und gestaltet wird", weiß Knierim. Das sei für die Identifikation der Menschen mit ihrer Region wichtig, biete aber auch Potenzial für Tourismus. Angebote wie Hofläden oder Schulbauernhöfe ermöglichen zudem die Begegnung mit der Landwirtschaft und schaffen Transparenz über die Herkunft der Nahrungsmittel.