Die IG Metall Baden-Württemberg und der Arbeitgeberverband Südwestmetall sind gegen einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. Beide fordern stattdessen bei der Ausgestaltung flexibel zu bleiben. Neben den positiven Seiten des Homeoffice-Trends sehen beide Seiten auch Gefahren.
"Wir sollten Arbeitgeber nicht verteufeln, die einen Teil ihrer Beschäftigten wieder öfter vor Ort sehen wollen", sagte der Geschäftsführer von Südwestmetall Heilbronn/Region Franken, Jörg Ernstberger, bei einem Treffen mit der IG Metall und dem SWR. Er spielt damit wohl auf den Neckarsulmer IT-Dienstleister Bechtle an, der von seinen Angestellten mehr Präsenz vor Ort gefordert hat. Das Unternehmen hatte in einer E-Mail an seine Beschäftigten unter anderem die Auszubildenden und den kreativen Austausch im Team als Argumente genannt.
Das sieht auch die IG Metall so. "Wie sollen die Betriebe denn sonst eine gute Ausbildung gewährleisten?", so der erste Bevollmächtigte der IG Metall Heilbronn-Neckarsulm, Michael Unser. Allerdings müsse auch die Digitalisierung in der Ausbildung ausgebaut werden, fordert Julia Wahl von der IG Metall Baden-Württemberg. Hier gebe es zum Teil große Defizite.
"Unpopuläre Wahrheit" und "Rosinen picken"
"Zur unpopulären Wahrheit gehört auch, dass es Menschen gibt, die nicht fürs Homeoffice gemacht sind. Die vor Ort mehr Leistung bringen als zu Hause", sagt Jörg Ernstberger. Menschen könnten sich unterschiedlich gut selbst organisieren, beschreibt es Südwestmetall-Sprecher Volker Steinmaier. Dies im Einzelfall zu beurteilen, sollte den Betrieben überlassen werden.
Bei einigen Unternehmen wie der Schwarz-Gruppe in Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn) stehen durch den Homeoffice-Trend ganze Bürogebäude leer. Im Arbeitgeberverband habe man die Diskussion gehabt, dass manche Beschäftigte sich in solchen Fällen nur die Rosinen rauspicken, erzählt Ernstberger. Einige Mitarbeiter würden am liebsten komplett frei entscheiden, wann und wie sie Homeoffice machen, dann aber nicht akzeptieren, wenn der Arbeitgeber ihr Büro vor Ort zusammenstreiche.
Wer nur zu Hause arbeite, verliere auch irgendwann die Identifikation mit dem Unternehmen, befürchten beide Tarifpartner. Zudem könnten die Vorschriften für die Arbeitsplatzsicherheit zu Hause nicht überwacht werden.
Gewerkschaft fürchtet um Einheit und Standorte
Für Gewerkschaften sind Solidarität und Geschlossenheit besonders wichtig. "Wir vergessen in der Diskussion um das Homeoffice, dass viele Menschen in den Betrieben, in der Produktion, gar nicht die Möglichkeit dazu haben", sagt Michael Unser. "Wir riskieren hier auch eine Spaltung der Belegschaft."
Zudem sind Arbeitszeiten wichtige Bestandteile von tariflichen Auseinandersetzungen. "Worüber reden wir dann, wenn diese Grenzen im Homeoffice verschwimmen", so Unser. Welche Argumente sprechen für den Erhalt eines Standortes in der Region oder Deutschland, wenn ein nicht unerheblicher Teil nur noch im Homeoffice arbeitet? Es sind solche Fragen, die die Gewerkschaft umtreiben.
Ruht der Staat sich auf dem Rücken der Frauen aus?
Insbesondere Frauen und Teilzeitkräfte neigen dazu, im Homeoffice auch einen Teil der Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu übernehmen. Denn dann hätten sie die nötige Flexibilität, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Jörg Ernstberger und Michael Unser sehen dies kritisch. Sie fordern stattdessen den Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung und mehr betriebliche Kitas.
Der Trend zum Homeoffice verdecke die Verantwortung des Staates und der Politik, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Ganz so zuspitzen will es Südwestmetall-Sprecher Volker Steinmaier nicht. Aber die Phase während der Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Kinderbetreuung und Homeoffice gleichzeitig extrem anstrengend bis fast unmöglich sei.
Insgesamt warnen sowohl IG Metall als auch Arbeitgeberverband vor einer "Entweder-Oder-Diskussion" beim Thema Homeoffice. Es gehe ja nicht darum: alle zurück ins Büro oder keiner, so Jörg Ernstberger. Wichtig sei, dies flexibel und mit Augenmaß entscheiden zu können.