Wen einmal der Hopfen gekratzt hat, den lässt er nicht mehr los - ein Sprichwort, mit dem sich Lukas Locher vom Hopfengut No20 in Tettnang (Bodenseekreis) gerne beschreibt. Bereits in vierter Generation baut seine Familie den Hopfen an. Derzeit hat er jede Menge zu tun, denn die Hopfenernte hat begonnen. Zwischen Ende August und Anfang Oktober entscheidet sich jedes Jahr, ob es ein gutes oder schlechtes Jahr für die Hopfenbauern wird. Es sei die Zeit, in der es rund gehe, sagt Lukas Locher, der gemeinsam mit seiner Schwester den Betrieb leitet.
Wo in den Hopfengärten rund um den Bodensee einst noch per Hand geerntet wurde, fahren heute die Traktoren ihre Runden und holen den Hopfen ein. Zu grünen Wänden ist dieser in den vergangenen Monaten herangewachsen. Der Hopfen ist eine Kletterpflanze. An einem Draht wächst er mehr als sieben Meter in die Höhe. Auf den Gerüstanlagen aufgereiht sehen die Ranken aus wie eine meterlange grüne Gardine.
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Vom Wein zum Bier
Der Bodensee ist eine von drei großen Hopfenanbauregionen in Deutschland. Mit seinem milden Klima bietet er beste Bedingungen für den Hopfenanbau. Doch auch hier wurde nicht immer Hopfen angebaut. Noch vor etwas weniger als 200 Jahren stand in der hügeligen Landschaft rund um Tettnang der Weinanbau im Fokus.
Lukas Locher zu den idealen Bedingungen für Hopfen:
Hopfenanbau: weitreichende Wende in der Landwirtschaft
Wie der Tettnanger Hopfenpflanzerverband schreibt, ist der Hopfenanbau einer Notlage geschuldet. Nach schlechten Ernten und den napoleonischen Kriegen habe es um die Landwirtschaft nicht gut gestanden. Der Anbau von Hopfen ab 1844 - ein Umstieg mit weitreichenden Folgen. Ein Erfolgsfaktor war dabei auch die Eisenbahn. 1847 wurde die Strecke Stuttgart-Friedrichshafen eröffnet. Sie habe dazu beigetragen, dass sich der Hopfen als Marktfrucht durchsetzen konnte, heißt es in einer Siedlungsgeschichte vom Landesamt für Denkmalpflege. Die Schiene habe gewissermaßen den Bodensee an den Weltmarkt angeschlossen, so der Hopfenpflanzerverband.
Nach und nach wurde die Fläche des Hopfenanbaus immer größer und erreichte 1997 einen Höchstwert von rund 1.650 Hektar: Eine Fläche von mehr als 2.350 Fußballfeldern. Heute ist die Fläche wieder etwas kleiner.
Tettnanger - der Alleskönner vom Bodensee
Auf dem Markt setzen die Hopfenbauern auch auf ihre eigene Hopfensorte - den sogenannten Tettnanger. Er macht einen Großteil der Anbaufläche aus und zählt zu der Gruppe der sogenannten hochfeinen Aromasorten. Für Brauer Johannes Pflug in Tettnang ist er ein Alleskönner und gerade für ein deutsches Pils oder Export wunderbar geeignet. Der Grund: Die Sorte könne nicht nur bittern, sondern bringe auch tolle erdige, grasige Aromen mit. Oft wird das Aroma auch als blumig, würzig und die Sorte als harmonisch beschrieben.
Brauer Johannes Pflug erklärt, warum man Hopfen im Bier braucht:
Von Tettnang in die weite Welt
121 Hopfenanbaubetriebe gibt es rund um Tettnang. Zusammen bilden sie rund zwei Prozent (gut 1.500 Hektar) der weltweiten Anbaufläche. Ihr Hopfen geht in mehr als 100 Länder auf der Welt. "Wir spielen nicht die größte Rolle, aber eine schöne", sagt Lukas Locher vom Hopfengut No20 in Tettnang. Für ein so kleines Städtchen wie Tettnang, eine so kleine Region, sei das ein guter Marktanteil.
Auf dem liberalisierten Markt bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis, erklärt Lukas Locher. Ein jeder Landwirt mache seine eigenen Lieferverträge mit Laufzeiten von drei oder fünf Jahren und manchmal auch darüber hinaus. Jeder habe hier seine eigenen Strategien. Oft böten Handelshäuser Verträge an und dann müssten die Landwirte selbst entscheiden, können sie zu diesem Preis im Moment produzieren und können sie zu diesem Preis aller Wahrscheinlichkeit auch in drei, vier Jahren produzieren.
Schwierige Marktlage für den Hopfen
Schon lange im Geschäft ist Stefan Arnegger. Auch er baut als Landwirt Hopfen in Tettnang an und hat gute und schlechte Zeiten in der Branche erlebt. Jetzt zur Erntezeit bietet der stellvertretende Vorsitzende vom Hopfenpflanzerverband in Tettnang zweimal am Tag Führungen im Hopfenmuseum beim Hopfengut No20 an. Pro Hektar erlöse man bei den aktuellen Verträgen zwischen 12.000 und 14.000 Euro, erklärt er den Touristen und anderen Interessierten. Für die Produktion würden zwischen 10.000 und 12.000 Euro eingesetzt. Vor der Energiekrise seien es zwischen 7.000 und 9.000 Euro gewesen.
Nach zuletzt lohnenden Jahren ist die Lage auf dem Weltmarkt für die Hopfenbauern derzeit weniger rosig: Der internationale Craftbeer-Trend hat nachgelassen und die Deutschen trinken immer weniger Bier. Mit 8,4 Milliarden Litern verkauften die deutschen Brauereien laut Statistischem Bundesamt rund 4,5 Prozent weniger Bier als ein Jahr zuvor. In den vergangenen 30 Jahren ist der Bierabsatz in Deutschland um mehr als ein Viertel zurückgegangen.
Stefan Arnegger blickt dennoch optimistisch nach vorn: "Ich hab das alles schon mehrmals mitgemacht. Das ist einfach eine Durststrecke und dann muss man ein bisschen flexibel sein." Gerade das mache den Beruf ja interessant, sagt er.
Neue Chancen durch Agri-Photovoltaik?
Um Risiken zu senken, setzen viele Landwirte am Bodensee seit jeher auf verschiedene Standbeine. Vor allem die Kombination zwischen Hopfen und dem Obstanbau ist beliebt. In Deutschlands größtem Hopfenanbaugebiet, der Hallertau in Oberbayern, wird derzeit noch eine weitere Einnahmequelle getestet. Ein Landwirt setzt hier auf Agri-Photovoltaik. Das heißt: Sein Hopfen wächst unter Solarmodulen. Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, handelt es sich um die bundesweit erste Anlage dieser Art in einem Hopfengarten. Trotz hoher Anschaffungskosten seien die Ergebnisse vielversprechend, heißt es vom Landwirt dort.
Ein Vorbild für die Hopfenbauern in Tettnang? Wolfgang Ruther, Vorstand vom Tettnanger Hopfenpflanzerverband, ist bei diesem Thema noch zurückhaltend. Viele Faktoren gibt es seiner Meinung nach zu berücksichtigen: Wie weit etwa müsste eine Leitung gelegt werden, um den Strom einzuspeisen? Wie verhält es sich mit der Statik der Gerüste, wenn Föhnwinde entstehen? Von einem raschen flächendeckenden Ausbau der Agri-Photovoltaik im Hopfenanbau geht er nicht aus. Bei neuen Gerüstanlagen könnte dies aber Sinn machen.