Das Wappen der Polizei von Baden-Württemberg (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Silas Stein (Symbolbild))

Ranghöchster Polizist in BW vor Gericht

Prozess um sexuelle Nötigung: Verriet sich Inspekteur Andreas R. in Telefonat?

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Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik (Foto: Henning Otte)

Im Prozess gegen den Polizeiinspekteur Andreas R. soll am Freitag voraussichtlich entschieden werden, ob das wohl wichtigste Beweismittel genutzt werden darf: ein Videotelefonat.

Der Inspekteur der Polizei in BW steht wegen sexueller Nötigung vor Gericht. Er soll im November 2021 eine damals 32 Jahre alte Polizistin vor einer Kneipe sexuell genötigt haben. Es ist der #Metoo-Fall mit dem bislang ranghöchsten Beschuldigten in Deutschland.

Als der Inspekteur Andreas R. am Montag, den 21. November 2021 über das vorläufige Ende seiner Karriere informiert wird, entfährt es ihm: "Das kann sie doch nicht machen, da habe ich keine Chance." Mit "sie" meint der ranghöchste uniformierte Beamte eine jüngere Kollegin, die ihn aus seiner Sicht bei Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz angeschwärzt hat.

Über die Reaktion von Andreas R. berichtete Hinz am Dienstag als Zeugin vor dem Landgericht Stuttgart. Der Inspekteur soll die Polizistin nach einem Personalgespräch im Innenministerium nachts vor einer Bar dazu gedrängt haben, ihn intim zu berühren.

"Zu nah, zu wild": Inspekteur Andreas R. gab sich kleinlaut

Hinz erzählte weiter, der heute 49 Jahre alte Inspekteur habe versucht, die Geschehnisse vom 12. und 13. November 2021 zu rechtfertigen, und gesagt: "Ihre Hose blieb zu." Damit wollte er laut Hinz sagen, dass er in der Nacht keinen Sex mit der Kollegin gehabt habe. Andreas R. habe dann darauf verwiesen, dass die jüngere Frau, die in den höheren Dienst befördert werden wollte, nach ihrer Scheidung etwas labil sei und schon öfter Kontakt zu älteren Männern gesucht habe. Hinz solle sich da doch mal bei Kollegen informieren.

Doch dann erwähnt die Präsidentin nach eigener Aussage, dass die Kollegin ein Videotelefonat mit Andreas R. mitgeschnitten habe - wenige Tage nach dem Vorfall vor der Kneipe. Daraufhin räumt der Inspekteur nach Darstellung der Landespolizeipräsidentin ein: "Es war zu nah, es war zu wild." Er müsse sich da hinterfragen. Schließlich habe er Hinz gebeten, die Vorwürfe nicht an die große Glocke zu hängen, er könne doch erstmal freie Tage und Urlaub nehmen. Die Polizeichefin lehnt ab und informiert die Staatsanwaltschaft.

Gericht muss über Nutzung des Skype-Gesprächs entscheiden

Das mehr als einstündige Skype-Gespräch, das die heute 34-jährige Polizistin als Audio auf ihrem Handy aufgezeichnet hat, dürfte also ein entscheidendes Beweismittel im Prozess gegen den bei vollen Bezügen freigestellten Inspekteur sein. Am Freitag will das Gericht entscheiden, ob das heimlich aufgenommene Gespräch im Prozess benutzt und veröffentlicht werden darf. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage sind dafür, die Verteidigung ist strikt dagegen. Außerdem sollen noch einmal das mutmaßliche Opfer und ein weiterer Zeuge vernommen werden. Hinz‘ Befragung soll nun doch erst nächste Woche Dienstag fortgesetzt werden.

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Der juristische Streit um das Videotelefonat hat eine Vorgeschichte: Eigentlich hätte die Frau ihren Gesprächspartner vor dem Mitschnitt um Erlaubnis fragen müssen. Die Aufnahme kam somit illegal zustande. Zwischenzeitlich ermittelte deshalb die Staatsanwaltschaft gegen die heute 34-jährige Beamtin. Die Ermittlungen wurden eingestellt, weil die Frau "aufgrund eines zu rechtfertigenden Notstands" nicht rechtswidrig gehandelt habe. "Die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg war eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme, um der fortdauernden Gefahr, von ihm zur Aufnahme einer sexuellen Beziehung gedrängt zu werden, durch Herbeiführung eines Straf- und Disziplinarverfahrens gegen ihn zu begegnen", erklärte die Staatsanwaltschaft. Andreas R. legte Beschwerde ein, die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart lehnte diese ab.

Nur Vorteile, keine Nachteile: Andreas R. "warb" um Gunst der Kollegin

Aber worum geht es in dem Skype-Gespräch? Andreas R. hatte die jüngere Kollegin, die im Homeoffice saß, zu dem Gespräch angefragt - wenige Tage nach dem Kneipenabend. Darin versuchte der Inspekteur nach SWR-Informationen die junge Frau zu überreden, sich mit ihm einzulassen. Demnach versicherte er in dem Gespräch mehrfach, dass sie durch den privaten Kontakt beruflich nur Vorteile haben werde. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mitschnitt die Tatmotivation dokumentiert.

Aus dem Telefonat geht nach SWR-Informationen hervor, dass die Frau sich vor dienstlichen Konsequenzen fürchtete, sollte sie den Inspekteur später zurückweisen. Andreas R. soll mehrfach den Satz wiederholt haben, dass sie durch den privaten Kontakt zu ihm in keinem Fall Nachteile zu befürchten habe. Er sei in der Lage, Dienstliches von Privatem zu trennen. Andreas R. soll gesagt haben, er hoffe, dass sie seine Unterstützung nicht ausschlage - das wäre äußerst schade. Er werde sie bei jedem Schritt im Assessment Center begleiten und sie auf jeden Fall durchbringen, sodass sie es in den höheren Dienst schaffe.

Um die Glaubwürdigkeit der Polizeibeamtin ging es auch am Dienstag, als der leitende Ermittlungsbeamte vor Gericht aussagte. Er hatte die Polizistin zweieinhalb Wochen nach der Kneipennacht vernommen. Sie habe "Weinanfälle" gehabt und die Geschehnisse glaubhaft geschildert, erklärte er. Andreas R. habe ihr in der Kneipe plötzlich von seinen sexuellen Vorlieben erzählt. Da sei ihr bewusst geworden, dass das Gespräch mit dem Vorgesetzten aus dem Ruder laufe. Sie sei schockiert und angeekelt gewesen, habe sich ausgenutzt und missbraucht gefühlt.

Verteidigung zitiert Minister Strobl und spricht von "Soufflé"

Ricarda Lang, die Verteidigerin des Inspekteurs, hält diese Darstellung für einseitig und wirft den Ermittlern schwere Fehler vor. "Ich möchte den Innenminister aus Baden-Württemberg zitieren, der über den U-Ausschuss gesagt hat: Es erinnert ihn an ein Soufflé", sagte Lang dem SWR in Anspielung auf Thomas Strobl (CDU). "Das war das für mich heute auch. Das ist hier ein Soufflé. Die Anklage ist schon längst in sich zusammengefallen. Wenn sie gehört haben, wie einseitig die Kripo ermittelt hat, dann ist das sehr erschreckend. Es gab sehr viele Anhaltspunkte, dass man mal die Persönlichkeitsstruktur und den Werdegang der Anzeigenerstatterin überprüft. Nichts ist geschehen. Man hatte eine These und dieser These hat man alles untergeordnet. Und deshalb sind die Ermittlungen mangelhaft. Setzen, 6", so die Verteidigerin weiter.

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Strobl hatte Mitte Februar erklärt, die Vorwürfe der Opposition im Untersuchungsausschuss gegen ihn persönlich würden sich in Luft auflösen – dabei verwendete er den Soufflé-Vergleich. Dafür war er heftig kritisiert worden. Der CDU-Politiker hat sich seit Aufkommen der Vorwürfe gegen Andreas R. massiv von diesem distanziert - zuvor galt er als dessen Förderer. Strobl brachte sich durch die heimliche Weitergabe eines Schreibens des Anwalts von Andreas R. Ende 2021 an eine Zeitung selbst in die Bredouille.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin gegen ihn. Mit der Weitergabe wollte Strobl nach eigenen Worten verhindern, dass der Verdacht aufkommen könnte, das Innenministerium sei zu einem Deal mit dem beschuldigten Inspekteur bereit. Ende Oktober 2022 wurde das Angebot der Staatsanwaltschaft bekannt, das Verfahren gegen Strobl einzustellen, wenn er eine Geldauflage von 15.000 Euro bezahlt. Der Innenminister akzeptierte und holte sich dafür Unterstützung von der CDU-Fraktion.

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