Am 17. Oktober wurde Tamar Subeliani, eine Erzieherin in Ausbildung, nach Georgien abgeschoben. Um 6 Uhr morgens klopften Polizistinnen und Polizisten an ihre Zimmertür in der Stuttgarter Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Kurt-Schuhmacher-Straße. "Ich habe die Tür aufgemacht und da standen zwei Polizisten, eine Frau und ein Mann. Ich habe gefragt: Ist das eine Abschiebung? Und sie haben mir geantwortet: Ja. Und ich hatte keine 15 Minuten Zeit meine Sachen zu packen", erzählt Subeliani. Sie legten ihr elektronische Fußfesseln an und fuhren zum Flughafen Baden-Baden. "Es war demütigend", sagt sie.
Dann ging alles ganz schnell. Am Flughafen angekommen, musste die 38-Jährige in ein Flugzeug steigen. Ziel: Tiflis, die Hauptstadt Georgiens. Das alles erzählte sie wenige Wochen später von Georgien aus am Telefon. Der Stress sitze ihr noch immer in den Gliedern, auch die Angst, doch vor allem sei sie enttäuscht.
Entsetzen in Stuttgart über Abschiebung von Tamar Subeliani nach Georgien
Denn die Georgierin hatte gehofft, in Deutschland bleiben zu können und beantragte vor drei Jahren Asyl. In dieser Zeit lernte sie Deutsch, machte ein Praktikum in einer Kita und begann eine Ausbildung zur Erzieherin. Doch ihr Antrag wurde im Juli dieses Jahres endgültig abgelehnt und sie wurde aufgefordert, innerhalb der nächsten vier Wochen das Land zu verlassen. Fortan war sie nur noch geduldet in Deutschland.
Philipp Schwarze, Teamleiter in der Stuttgarter Gemeinschaftsunterkunft, in der Subeliani untergekommen war, ist entsetzt über die Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Tamar sei fleißig, könne hervorragend Deutsch und habe sich eigenständig um ihren Ausbildungsplatz gekümmert: "Mit keinem Gedanken habe ich damit gerechnet, dass Tamar tatsächlich abgeschoben wird. Denn ich weiß um den Spielraum, den das Regierungspräsidium hat, den einen abzuschieben und den anderen eben nicht. Und deshalb dachte ich, die wissen ja Bescheid, sie wissen von ihrer Ausbildung und dass sie sie bereits gestartet hat."
Gesetzliche Fristen verhinderten Duldung während Ausbildung
Teamleiter Schwarze und Sozialarbeiterin Olga Novosad haben sich gemeinsam um eine Ausbildungsduldung für Tamar bemüht. Doch gesetzliche Fristen mussten eingehalten werden. So hätte der Antrag erst drei Monate nach Ablehnung des Asylantrags gestellt werden können, also erst ab November. Doch das kam für Tamar wenige Wochen zu spät.
Für Schwarze ist es unerklärlich, dass im Fall von Subeliani, die Erzieherin werden wollte und in einen Mangelberuf strebt, ein Ermessensspielraum keine Rolle spielte. Allein in Stuttgart sind 300 Stellen in Erziehungsberufen unbesetzt. Auch Eva Habele, Leiterin der Dualen Fachakademie für Pädagogik, rollt mit den Augen und hat kein Verständnis dafür, dass eine angehende Erzieherin in Ausbildung abgeschoben wird.
Georgierin floh in neunziger Jahren vor Krieg in ihrer Heimat
Subeliani stammt aus Abchasien und hat Anfang der neunziger Jahre den blutigen Krieg erlebt, der zur Abspaltung der Region von Georgien führte. Rund zehntausend Menschen starben, eine Viertelmillion wurden vertrieben. Auch Subeliani. Sie war damals acht Jahre alt. In Tiflis studierte sie zehn Jahre später Germanistik. Interesse, Liebe zu Kindern, Fleiß und sehr gute Deutschkenntnisse, das alles brachte sie mit.
Ihren Mitschülerinnen hatte sie von ihrer Heimat Georgien und der Angst vor dem großen Nachbarn Russland erzählt und dabei Freundinnen wie Erna Totic gefunden. "Sie war meine einzige Freundin hier an der Schule, wir haben oft gesprochen über Georgien, was dort los ist und sie hatte auch Angst und hat geweint und wir haben auch alle geweint."
Abschiebung nach Georgien: Mitschülerinnen in Sorge um ihre Klassenkameradin
Die Klassengemeinschaft (im Titelbild rechts) macht sich große Sorgen um Subeliani und würde ihr gerne helfen, erklärt Mitschülerin Vanessa: "Wir haben jetzt auch als Klasse ein Foto geschickt, und dass wir an sie denken, dass wir ein offenes Ohr haben. Das ist so das Einzige, was man jetzt machen kann, aber am Ende ist man echt machtlos."
Laut dem baden-württembergischen Justizministerium wurden in diesem Jahr bis Ende Oktober 1.416 Abschiebungen vollzogen. Unter den Top Zehn waren Länder wie Nordmazedonien, Nigeria, Syrien, Algerien, Gambia, Afghanistan, Algerien oder Serbien. Das Regierungspräsidium hat grundsätzlich die Möglichkeit, Abschiebungen nach eigenem Ermessen auszusetzen. Es muss sich dabei aber an gesetzliche Vorgaben halten und wird vom Justizministerium überwacht.