Polizei-Affäre in Baden-Württemberg

BW-Innenminister Strobl glaubt nicht an Rückkehr des Polizei-Inspekteurs

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
Onlinefassung
Anne Jethon

Der freigestellte Inspekteur der Polizei soll eine Untergebene sexuell genötigt haben - der Prozess läuft. Strobl kann sich persönlich nur schwer vorstellen, dass Andreas R. in sein Amt zurückkehren wird.

Mitten im laufenden Strafprozess gegen den Inspekteur der Polizei hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Rückkehr des ranghöchsten Polizisten auf seinen Posten quasi ausgeschlossen. Die Vorwürfe gegen den freigestellten Polizisten seien inakzeptabel, sagte er am Donnerstag in Landtag in Stuttgart. "Ich kann mir persönlich nur schwer vorstellen, dass es eine Rückkehr in das Amt des höchsten uniformierten Polizisten im Land geben kann." Da spreche er auch für sehr viele in der Polizei Baden-Württemberg.

Strobl stellte klar: "Unabhängig vom Strafverfahren und dessen Ausgang liegen Sachverhalte auf dem Tisch, die weder mit der Polizei noch mit einer Führungsfunktion bei der Polizei vereinbar sind." Die Grünen erwägen noch ganz andere Konsequenzen: Sie stellen infrage, ob es den Posten des Inspekteurs überhaupt noch geben muss.

Am Donnerstag hat sich der Landtag auf Antrag der SPD in einer aktuellen Debatte mit der Fehlerkultur in der Polizeiführung befasst.

Hier eine Übersicht:

Fehlerkultur bei der Polizeiführung?

In der von der SPD beantragten Debatte im Landtag sollte es eigentlich um die "Fehlerkultur im Innenministerium und in der Polizeiführung" gehen. Die Opposition hielt insbesondere Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz vor, in der Organisation der Polizei keine Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen den Inspekteur zu ziehen. Stattdessen habe sie in einer internen Runde mit den Polizeipräsidenten nur darum gebeten, in diesen schwierigen Zeiten die Reihen zu schließen. SPD und FDP forderten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zum wiederholten Male auf, Hinz und ihren Dienstherrn Strobl zu entlassen.

Strobl wehrte sich gegen die Vorwürfe und hielt der Opposition eine "Generalverächtlichmachung" der Polizeiführung vor. Zugleich distanzierte sich der CDU-Politiker von seinem einstigen Zögling Andreas R. Bei dem Prozess seien Details ans Licht gekommen, "die wir alle so nicht vorhergesehen haben." Es handele sich hier um einen menschlichen Abgrund. "Es schwindelt einen, wenn man hinabsieht." Strobl betonte: "Wir sind auf dem Weg zu einer neuen, zu einer modernen Fehlerkultur."

Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz mit dem Inspekteur der Polizei, Andreas R. und Innenminister Thomas Strobl (von links nach rechts).
Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz mit Andreas R. und Innenminister Thomas Strobl (von links nach rechts) im November 2020, als R. zum Inspekteur der Polizei ernannt wurde.

Rechtsexperten: Es könnte schwer werden, Andreas R. loszuwerden

Strobl wagte sich mit seinen Aussagen zur beruflichen Zukunft von Andreas R. auf rechtlich rutschiges Parkett, weil der Prozess gegen den freigestellten Inspekteur vor dem Landgericht Stuttgart noch läuft und ein Urteil noch nicht absehbar ist. Der SPD ging das Bekenntnis des Ministers dennoch nicht weit genug. "Herr Innenminister, so jemand darf nicht mehr in eine solche Position kommen. Das finden alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in diesem Land."

Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Inspekteur einen Freispruch erhält und dann Anspruch auf eine Rückkehr hätte. Selbst dann, wenn er eine Strafe von unter einem Jahr bekommt, könnte er im Beamtenverhältnis bleiben.

Zwar stünde dann das Disziplinarverfahren an, aber nach Einschätzung von Rechtsexperten aus der Regierungskoalition dürfte es schwierig werden, Andreas R. loszuwerden. In der Koalition wird deshalb befürchtet, dass Strobls Aussage eher Munition für den Inspekteur und seine Anwälte sein könnte. Diese könnten behaupten, das Disziplinarverfahren sei von Anfang nicht fair und objektiv gewesen.

Inspekteur der Polizei war noch in Probezeit

Wie der SWR erfuhr, müsste das Innenministerium im Fall eines Freispruchs oder einer relativ geringen Strafe schnell darüber entscheiden, ob dem Inspekteur weiter das Führen der Dienstgeschäfte verboten wird - und er damit nicht auf seinen Posten zurückkehren kann. Dem Vernehmen nach hat Andreas R. insofern schlechte Karten für eine Rückkehr auf seine alte Stelle, weil seine Probezeit noch lief, als er wegen der Vorwürfe freigestellt wurde.

Grüne erwägen Abschaffung der Stelle des Inspekteurs

Nach SWR-Informationen wird in der Grünen-Fraktion die Frage gestellt, ob die Position des Inspekteurs überhaupt wiederbesetzt werden muss. In anderen Bundesländern gebe es die Stelle gar nicht. Es reiche womöglich, eine Landespolizeipräsidentin und einen Landeskriminaldirektor zu haben. Der "IdP" - wie er im Polizeijargon heißt - ist der ranghöchste Polizeivollzugsbeamte in Baden-Württemberg. Er ist verantwortlich für die Steuerung und Koordinierung zentraler polizeilicher Aufgaben sowie das strategische Controlling, Qualitätsmanagement und die interne Revision, heißt es im Innenministerium.

Was sind die Vorwürfe gegen Andreas R.?

Im Prozess geht es darum, was am 12. November 2021 und in der Nacht passierte. Eine 34-jährige Hauptkommissarin wirft Andreas R. vor, sie nach dem Personalgespräch nachts vor einer Stuttgarter Kneipe sexuell genötigt zu haben. Sie habe sich nicht getraut sich zu widersetzen, weil sie berufliche Nachteile fürchtete. Die Polizistin sagte als Zeugin vor Gericht aus - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Andreas R. will dagegen während des Prozesses schweigen. Seine Verteidigung stellt die Polizistin als Lügnerin dar, die schon öfter zum eigenen Vorteil Kontakt zu höhergestellten Männern gesucht habe.

Portait von Polizei-Inspekteur Andreas R., der momentan vor Gericht rund um die Polizei-Affäre sitzt.
Der freigestellte Polizei-Inspekeur Andreas R. steht wegen sexueller Nötigung vor Gericht.

Das hat der Prozess um den Inspekteur der Polizei bisher aufgedeckt

Bisher steht Aussage gegen Aussage, was genau vor der Kneipe passiert ist. Im Verlauf des Prozesses ging es nun vor allem darum zu klären, wie glaubwürdig der Angeklagte und sein mutmaßliches Opfer sind. Durch die Aussagen mehrerer Zeugen entstand im Prozess folgendes Bild: Andreas R. soll demnach seine sexuellen Fantasien über Jahre an untergebenen Frauen ausgelassen haben, die bei der Polizei Karriere machen wollten.

Er ging dabei so unvorsichtig vor, dass der Eindruck entsteht: Hier hält sich jemand für völlig unantastbar. Mittlerweile weitete die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen den Inspekteur aus. Es geht um das Verbreiten von pornografischen Inhalten. Bereits vorher soll er Polizistinnen sogenannte "Dick Pics", also Penis-Bilder, geschickt haben. Es ist aber ungeklärt, ob die Frauen einverstanden waren, die Bilder zu bekommen.

Keine Sektrunden mehr im Landespolizeipräsidium

Vor dem Hintergrund des laufenden Strafprozesses gegen den Inspekteur der Polizei hat sich das Landespolizeipräsidium im Innenministerium mittlerweile ein Alkoholverbot auferlegt. Im Lichte der aktuellen Ereignisse habe man sich in der Abteilung von Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz dafür ausgesprochen, dass man künftig selbst bei besonderen Anlässen wie Geburtstagen und Beförderungen auf Alkohol verzichte, berichtet die Deutsche Presse-Agentur und bezieht sich auf Ministeriumskreise. Demnach sollen an dem Abend, an dem Andreas R. eine Kollegin sexuell genötigt haben soll, vor dem Kneipenbesuch im Dienstzimmer des Inspekteurs in einer Kollegen-Runde mehrere Flaschen Sekt getrunken worden sein.

Strobl brachte sich selbst noch mehr in Schwierigkeiten

Schon zu Beginn des Skandals um den Inspekteur hat sich Minister Strobl mit einer rechtlich umstrittenen Aktion selbst in die Bredouille gebracht. Er gab Ende 2021 heimlich ein Schreiben des Anwalts von Andreas R. an eine Zeitung weiter. Die Staatsanwaltschaft wollte ermitteln, bekam dafür vom Innenministerium aber keine Ermächtigung. Vier Monate lang blieb unklar, wer das Schreiben durchgestochen hat. Bis Strobl Anfang Mai einräumte, es selbst veranlasst zu haben.

Die Opposition forderte Strobls Rücktritt. Der CDU-Politiker lehnte das ab und bekam Rückendeckung von Ministerpräsident Kretschmann. Dennoch ermittelte die Staatsanwaltschaft dann auch gegen Strobl wegen der Weitergabe des Anwaltsschreibens. Kurze Zeit später wurde im Landtag der U-Ausschuss eingesetzt. Ende Oktober 2022 wurde das Angebot der Staatsanwaltschaft bekannt, das Verfahren gegen Strobl einzustellen, wenn er eine Geldauflage von 15.000 Euro bezahlt. Der Innenminister akzeptierte und holte sich dafür Unterstützung von der CDU-Fraktion.

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