Glosse

Supertrouper Jubelgemüse für den Komponisten: Blumen nach dem Konzert

Stand
AUTOR/IN
Gordon Kampe
ONLINEFASSUNG
Sebastian Kiefl

Blumen nach dem Konzert sind nicht allen vergönnt, dabei würde sich Gordon Kampe auch schon mit einem Büschel Löwenzahn vom ungepflegten Parkplatz zufriedengeben. Alles besser als eine Flasche, deren Inhalt einem aufgelösten Gummibärchen gleichkommt.

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Lieber Löwenzahn vom Parkplatz als Spätlese

Es ist nun schon ein paar Jahre her, mittlerweile ist mein Trauma fast geheilt. Ich stand einmal beim Schlussapplaus neben der Solistin des Konzerts, sie bekam einen riesigen Blumenstrauß und ich eine Tüte.

In der Tüte, so musste ich irritiert in der Garderobe feststellen, war eine Flasche Wein. Irgendeine süßliche Spätlese. Sah schon in der Flasche aus wie ein aufgelöstes Gummibärchen. Was hatte ich nur verbrochen? So doof war mein Stück gar nicht.

Neidisch schaute ich auf das supertrouper Jubelgemüse der Kollegin. Blumen wären mir viel lieber gewesen! Ich bin dabei gar nicht anspruchsvoll. Es muss nicht Rose oder Lilie sein, es reicht eine kleine, feine Blume, die bloß nicht protzig ist. Hätte man mir einen Büschel Löwenzahn vom ungepflegten Parkplatz nebenan gerupft, wäre das prima gewesen!

Löwenzahn aus dem Intro der Fernsehsendung "Löwenzahn"
Der Löwenzahn wächst fast überall, wie auch das Intro von „Löwenzahn“ beim ZDF zeigt. Es müssen nicht immer Rosen oder große Blumensträuße für Gordon Kampe sein, ein Büschel Löwenzahn vom Parkplatz, oder Bärstadt, würde auch schon genügen.

Florale Fermate mit Vergänglichkeit

Neulich bekam ich mal eine Blumenzwiebel nach einer Uraufführung. Wunderbar, ich habe sie in unserem ungeheuer spießigen Vorgarten vergraben – jetzt blüht die blaue Blume inmitten des Unkrauts und ich gehe fröhlich an ihr vorbei und denke an eine tolle Premiere.

Nun könnte man denken, dass der Typ hier mit seinem Veilchen-Fetisch schwer einen an der Waffel hat. Das stimmt natürlich, aber Blumen nach einem Konzert sind – für mich jedenfalls – mehr als eines jener Rituale des klassischen Musikbetriebs. Gerade weil so ein Blümchen nichts wert ist und im Moment des Blühens bereits vergeht, ist es eine schöne Geste der Anerkennung nach einem Konzert.

Jose Carreras mit Rose in der Hand
Wenigstens ein kleines Blümchen nach der Uraufführung, mehr verlangt Gordon Kampe doch gar nicht. Neidisch blickt er wahrscheinlich auf Jose Carreras, er bekam sogar zwei Rosen in die Hand gedrückt.

Bevor der nächste Vertrag geschrieben wird, die Kritiken erscheinen, die wilde Premierenparty beginnt oder die Leere im einsamen Hotelzimmer – das Grünzeug schiebt sich unaufgeregt wie eine florale Fermate in die übliche Betriebsamkeit.

Schöne Blumen im hässlichen Raum

Was immer die Leute sagen – dem Blümchen hat’s sicher gefallen. Das ist natürlich ein super kitschiger Gedanke. Aber ich habe mein neues Handy »Puccini« getauft und würde ohne starke Beruhigungsmittel bei »La Boheme« fürchterliche Heulkrämpfe bekommen. Ich bin ohnehin verloren – also kann ich auch mal über Blümchen reden.

Die Welt der Neuen Musik – aus der ich komme und die ich immer mögen werde, ganz gleich ob sie mich zurück mag oder nicht – ist eine weitgehend blümchenfreie Szene. Stellen Sie sich das mal vor! Da schraubt man zwei Jahre lang an einer 4,12m großen Orchesterpartitur und steht nach ca. 15 – 21 Minuten Aufführung etwas verloren und wegen der vielen Kolleginnen und Kollegen auch ein bisschen einsam auf der Bühne herum – und keine Margerite weit und breit, die einen anlächeln könnte.

Manchmal finden derlei Konzerte ja auch in sogenannten alternativen Locations statt – also in hässlichen Räumen mit schlimmer Akustik – und gerade dort braucht’s doch Blümchen.

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