Ein rundes, offenes Gesicht, strahlend und freundlich – die Sonnenblume ist eine echte Sympathieträgerin! Sie entlockt selbst den griesgrämigsten Gemütern noch ein Lächeln, frei nach dem Motto: „Always look on the bright side of life!“. Auch Komponistinnen und Komponisten begeistert die Blume seit jeher, gerade auch als Symbol der ländlichen Liebe.
Großgewachsene Sonnenanbeterin
Bis zu zwei Meter hoch kann sich die Sonnenblume gen Himmel recken – eine Metapher für den Menschen, der das Licht ebenfalls zum Leben braucht. Der Barock-Komponist Gottfried Heinrich Stölzel hat die Sonnenblume deshalb für eine Hymne auf die Sonne genutzt.
Der botanische Gattungsname Helianthus leitet sich von den griechischen Wörtern helios („Sonne“) und anthos („Blume“) ab.
In der Sage liebt Sonnenblume Sonnengott
Schon in Ovids Metamorphosen taucht der Name Helianthus auf: Clytia liebt Apoll, der aber verschmäht sie. Weinend setzt Clytia sich auf einen Felsen und schaut den Kreisbahnen von Apolls Himmelswagen so lange hinterher, bis sie sich in eine Sonnenblume, eine Helianthus, verwandelt.
Die Eigenart der Pflanze, sich immer dem Sonnenlicht zuzuwenden, nennt man Heliotropismus. Es drehen sich aber nur die Blätter und Knospen der jungen Pflanze zur Sonne. Bei ausgewachsenen Sonnenblumen funktioniert das nicht mehr. Sie schauen immer nach Osten.
Strauss' Polka-Mazurka „Sonnenblume“, nach Motiven seiner Operette „Jabuka“
Zu bodenständig für Rosenkavaliere
Trotz ihrer leuchtenden Erscheinung hat die Sonnenblume etwas Erdiges, Bodenständiges. Rosenkavaliere etwa interessieren sich nicht für sie. Dabei hat auch die Sonnenblume es in Liebesduette geschafft – allerdings eher im ländlichen Ambiente.
Johann Strauss' Operette „Jabuka“ spielt während des Apfelfests auf dem serbischen Land. Vasil verliebt sich in Annita und gesteht hingerissen: „Da sah er, wie im Tale die Sonnenblume stand, zu ihr war er mit einem Male in Lieb' entbrannt“. Strauss hat der Sonnenblume auch noch eine ganze Polka geschrieben, es gibt Walzer zu ihren Ehren – da sie sich quasi um die eigene Achse drehen kann, unterstellt man ihr einen flotten Hüftschwung.
Auch Ragtime-König Scott Joplin hat sie bedacht:
Wertvolle Nahrungsquelle für Mensch und Tier
Die lässig swingende Sonnenblume ist natürlich auch das Symbol der Hippie-Bewegung! Wer jetzt aber denkt, Sonnenblumen seien Hedonisten, die immer nur nach dem Lustprinzip gieren, der irrt – Sonnenblumen haben eine ausgeprägte soziale Ader.
Ihre tellergroßen Blüten sind für Insekten und Vögel nämlich das reinste Schlemmer-Büffet – und auch wir Menschen ernähren uns von ihr: Die Sonnenblume ist eine Ölpflanze, die weltweit die drittgrößte Anbaufläche einnimmt, nach Sojabohnen und Raps. Ja, wir saugen die Sonnenblume auch ganz schön aus ...
Pralles Leben in der Musik und im Gemälde
Der englische Poet William Blake zeigt in einem seiner Gedichte ein schwer erschöpftes Exemplar:
Ralph Vaughan Williams hat daraus den Abgesang eines lebensmüden Menschen gemacht – samt klagender Oboe.
Alles in allem aber sehen wir natürlich lieber das pralle Leben in der Sonnenblume – und sind gerade keine echten Exemplare zur Hand, geben uns wenigstens die gemalten von Vincent van Gogh Kraft. Einmal tief das Gelb inhalieren und schon ruft das Gemüt: Sunny side up!
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