Flower-Power in der Musik

Das Maiglöckchen: Gesellig oder schwermütig bei Pejačević, Mendelssohn und Wikander

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
Sylvia Roth
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad

Eine Blume, die die Glöckchen bereits im Namen hat – perfekte musikalische Steilvorlage! Das Maiglöckchen: Seine weißen, glockenförmigen Blüten nicken beim leichtesten Windhauch munter vor sich hin – muss das nicht genau so klingen wie bei der kroatischen Komponistin Dora Pejačević?

Audio herunterladen (10,8 MB | MP3)

Verspielt wie eine Gruppe kichernder Elfen

Fein und zart, verspielt und lebendig – wie eine Gruppe kichernder Elfen. Gesellig sind sie in jedem Fall, die Maiglöckchen: Man trifft sie fast nie allein, meist stehen sie bei ihrer Clique – für Hofmann von Fallersleben und Felix Mendelssohn ist der Fall deshalb klar: Die Maiglöckchen sind die Partylöwen unter den Blumen!

Kaum ist der Frühling ausgebrochen, rufen sie alle anderen zum rauschenden Tanz zusammen:

Kirchschlager und Bonney singen Mendelssohns „Maiglöckchen und die Blümelein“

Betörender Duft, aber hochgiftig

Das Maiglöckchen entstammt der Gattung der Liliengewächse. Der botanische Name lautet Convallaria majalis. Die kleinen weißen Blüten besitzen einen intensiven Duft.

Genau, nicht zu vergessen: der Duft! In zahlreichen Parfums betörend verarbeitet. Doch: In die Maiglöckchen selbst sollte man die Nase nicht zu tief stecken, denn: Sie sind hochgiftig!

Maiglöckchen
Klein, aber oho! Auch wenn sie hübsch anzuschauen sind und gut riechen, sind die Maiglöcken doch ziemlich giftig und führen zu Übelkeit, Sehstörungen, Durchfall und Herzrhythmusstörungen.

Es wurden 38 giftige Glycoside in der Pflanze gefunden. Äußerlich verursachen sie Haut- und Augenreizungen; bei Aufnahme durch den Mund treten Symptome von Übelkeit und Herzrhythmusstörungen auf – größere Mengen können sogar tödlich sein.

Ida Gamulin spielt Dora Pejačevićs „Maiglöckchen“

Glücklich, wer zum 1. Mai Maiglöckchen bekommt

Und trotzdem – was wäre der Frühling ohne Maiglöckchen! Kaum blühen sie, sind die Wochenmärkte von grün-weißen Sträußchen überschwemmt: Wer in Frankreich am 1. Mai ein Bouquet de Muguetsgeschenkt bekommt, hat ein Jahr lang Glück. Der Komponist Jean Wiener feiert das mit einem Toast.

Melody Louledjian singt Le Muguet aus Jean Wieners Les Chantefleus

Das Maiglöckchen kann auch schwermütig

Glücksbringend, gesellig, feiernd – das ist aber nur die halbe Wahrheit. Schaut man erst mal tief in den Blütenkelch hinein, offenbart das Maiglöckchen auch andere Seiten: schwermütige Seiten.

In einem Lied des ukrainischen Komponisten Grigory Alchevsky wird das Blümchen als einsam und zerbrechlich geschildert, übersehen im dunklen Wald, ein Spiegel des traurigen lyrischen Ichs: Die Seele ist ein zartes Maiglöckchen, heißt es im Text.

Melancholisch schön: David Wikanders „Kung Liljekonvalje“

Tatsächlich schauen auch die Schweden eher melancholisch auf das Maiglöckchen: Eins der bekanntesten schwedischen Lieder ist das von Kung Liljekonvalje, König Maiglöckchen. Er steht im Wald und trauert um seine geliebte Prinzessin Maiglöckchen. Ob sie ihn verlassen hat? Oder schlimmer noch: ob sie gepflückt wurde und nun in einer Vase dem sicheren Tod entgegenblickt? Der Text verrät es nicht.

Armer König Maiglöckchen! Dabei könnte er sein schmerzendes Herz sogar aus sich selbst heraus heilen – denn, bei aller toxischen Gefahr: In kleinen Dosen wird das Maiglöckchen-Gift zur Medizin.

Maiglöckchen
In kleinen Dosen kann das Maiglöckchen auch als Herzmediakament zum Einsatz kommen.

Die Dosis macht das Gift

Das Maiglöckchen ist ein wertvolles Heilmittel, das schwache Herzen stärkt und unregelmässigen Herzen wieder zu einem Rhythmus verhilft.

Klein, aber oho, diese Maiglöckchen – definitiv ein Grund für die nächste Party! Und wenn sie nicht gepflückt wurden, dann wippen sie noch heute ...

Flower-Power in der Musik Die Sonnenblume: Blumige Sympathieträgerin bei Stölzel, Strauss und Joplin

Ein rundes, offenes Gesicht, strahlend und freundlich – die Sonnenblume ist eine echte Sympathieträgerin! Sie entlockt selbst den griesgrämigsten Gemütern noch ein Lächeln.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Mehr Blumen-Themen

Essay „Flower Power“ Sound of Plants – Wie Pflanzen zu Musik werden

Der Klang der Pflanzen erzählt von ihrer Lebendigkeit. Das ist nicht Esoterik, sondern eine notwendige Veränderung unserer Weltwahrnehmung.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Wurzeln schlagen: Von der Freiheit, einen Ort zu haben

Pflanzen sind schön, nützlich und ein Wunder der Verwandlung. Was sie aber nicht sind: die besseren Menschen. Was wir aber durchaus von ihnen lernen sollten: Wurzeln schlagen und Sorge tragen.

SWR2 am Morgen SWR2

Gespräch „Wir müssen uns nicht gegen alles wappnen!“ – Wie die Natur uns berühren kann

Es ist ein Feld, von dem bisher nur wenig berichtet wurde: Die erotische Ökologie. Dabei kann die Natur uns Menschen in dieser Hinsicht noch viel beibringen, sagt Biologe und Philosoph Andreas Weber.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay Flower-Power Unkraut vergeht nicht – Von fiesen Flechten, bösen Blumen und fantastischen Pflanzen im Film

Das Kino erinnert uns daran, dass auch die Natur der Pflanze keineswegs nur gut ist. Im Gegenteil: Über die Zeit liefern Filme Beispiele dafür, wie zerstörerisch Blumen und Bäume sein können.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower-Power“ Schönheit als Ware – Warum Supermarkt-Rosen systemrelevant sind

Pflanzen sind nicht einfach Pflanzen. Kommen Sie als Schnittblumen daher, haben sie durchaus eine soziale Bedeutung, sind sogar systemrelevant. Dabei hat das kapitalisierte Bedürfnis nach Schönheit einen reichlich toxischen Markt geschaffen.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Schau! Mich! An! – Die erotische Verlockung der Pflanzen

Die vergehende Blüte als Zeichen der Vergänglichkeit - der Mensch liest in den Pflanzen gerne das, was er in ihnen lesen will. Einfach nur hinsehen, empfiehlt stattdessen Autorin Julie Metz. Zu gewinnen sind: Unverblümte Verlockung und die Erinnerung an Sinnlichkeit und Sex.

SWR2 am Morgen SWR2

Musikstück der Woche Belcea Quartet & Quatuor Ébène spielen Mendelssohns Oktett Es-Dur op. 20

Mit 16 Jahren schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy sein Oktett in Es-Dur op. 20. Dazu inspiriert hat ihn ein Ensemble magischer Musikanten.

SWR2 Musikstück der Woche SWR2

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
Sylvia Roth
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad