Flower-Power in der Musik

Die Lilie: Königlich, unschuldig und vergänglich bei Vivaldi, Albioni und Lehmann

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
Sylvia Roth (Foto: SWR, SWR - Sylvia Roth)
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad

Sie ist zu schön, um wahr zu sein. Anmutig, nobel und unnahbar schwebt sie über den Dingen – ein Bild der Makellosigkeit und Eleganz: Celeste Giglio – gefeierte Lilie!

Audio herunterladen (10,9 MB | MP3)

Eine Blume für die Könige

Die Lilie hat adligen Status: Die Bourbonen haben sie als Wappen-Symbol der französischen Monarchie genutzt. Scherzbold Rossini hat das ironisch ausgeschlachtet: In seiner komischen Oper „Die Reise nach Reims“ stranden alle, die zur Krönung des Bourbonenkönigs Karl wollen, im Hotel „Zur goldenen Lilie“.

Lange vor Rossini haben sich aber bereits die Barockkomponisten um die Lilie gerissen: Denn eine perfektere Allegorie für die Reinheit gab es nicht.

In einer Serenade von Tomaso Albinoni muss die Nymphe Daphne sich vorwerfen lassen, sie sei spröde. Sie aber verteidigt sich als tugendhaft – mit dem Argument: „Eine Lilie ist weiß“.

„Perche un giglio a nel candore“ aus Albionis „Il nascimento dell'Aurora“

Jungfräulich rein oder doch einfach nur arrogant?

Die Lilie, lateinisch lilium, gehört zu den ältesten Zierpflanzen überhaupt und wird wegen ihrer Schönheit in vielen Kulturen geschätzt. Auch als religiöses Symbol findet man sie häufig. 

Giovanni Battista Cima: Verkündigung (Foto: IMAGO, Artokoloro)
In Darstellungen der Verkündigungsszene trägt der Erzengel Gabriel häufig, wie hier bei Giovanni Battista Cima, eine weiße Lilie. Die Blume steht als Symbol für die jungfräuliche Geburt Mariä.

Die weiße Lilie als Sinnbild der Jungfräulichkeit – ein Symbol für Gottesmutter Maria und die unbefleckte Empfängnis. Auf Gemälden hält die Immaculata oft eine Lilie in der Hand.

Dass die Lilie so unantastbar ist, macht sie in den Augen mancher aber auch arrogant. Vivaldi beschießt sie in einem seiner Schäferspiele mit den wütenden Worten: „Nie läßt sich die stolze, weiße Lilie herab / das wilde, einsame Veilchen zu küssen.“

Überraschend wenig anspruchsvoll und ausdauernd

Die Lilie ist eine Verwandlungskünstlerin: Im geschlossenen Zustand ist ihre Blüte ein längliches Oval, geöffnet wird sie zur kelchförmigen Fontäne. Trotz ihrer Eleganz ist sie übrigens robuster, als man denkt, denn Lilien sind ausdauernde, aufrecht wachsende Zwiebelpflanzen. Es gibt kleine Arten, die etwa 30 Zentimeter hoch wachsen und Lilienriesen, die über zwei Meter hoch werden.

Majestätisch und irgendwie abgeklärt – so hat auch die kroatische Komponistin Dora Pejačević die Lilie eingefangen. Dabei hat sogar die edle Lilie ganz schlichte, menschliche Bedürfnisse:

Fehlt Lilien genügend Licht, verkümmern die Pflanzen. Sie mögen einen sonnigen bis halbschattigen Standort auf humusreichem, durchlässigen Boden. Je nach Art und Sorte variieren die Ansprüche leicht.

Die weiße Lilie (Foto: IMAGO, Zoonar)
Die weiße Lilie steht nicht nur für Unschuld und Reinheit, sie wird auch mit Tod und Abschied in Verbindung gebracht und findet sich häufig auf dem Grabschmuck.

Betörende Erinnerung an den zu früh verstorbenen Sohn

Eine der schönsten und zugleich traurigsten Lilien-Vertonungen stammt von der englischen Komponistin Liza Lehmann. 1918 hat sie sich auf ein Poem des Barockdichters Ben Johnson besonnen: „Die Lilie ist nicht so stark wie die Eiche“, heißt es darin, „doch selbst wenn sie nur einen Tag lebt, gibt sie Licht.“

Lehmann hat „The Lily of a Day“ ihrem Sohn gewidmet, der viel zu jung verstorben ist. Am Ende des Lieds heißt es: „In kleinen Maßen kann das Leben vollkommen sein.“

Eine Aufforderung dazu, jeden noch so kurzen Moment zu würdigen und zu genießen. Die Lilie ist eben nicht nur überirdisch schön – sie ist auch weise.

Flower Power in der Musik

Flower-Power in der Musik Die Sonnenblume: Blumige Sympathieträgerin bei Stölzel, Strauss und Joplin

Ein rundes, offenes Gesicht, strahlend und freundlich – die Sonnenblume ist eine echte Sympathieträgerin! Sie entlockt selbst den griesgrämigsten Gemütern noch ein Lächeln.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Flower-Power in der Musik Das Maiglöckchen: Gesellig oder schwermütig bei Pejačević, Mendelssohn und Wikander

Eine Blume, die die Glöckchen bereits im Namen hat – perfekte musikalische Steilvorlage! Das Maiglöckchen: muss das nicht genau so klingen wie bei Dora Pejačević?

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Mehr Blumen-Themen

Essay „Flower Power“ Sound of Plants – Wie Pflanzen zu Musik werden

Der Klang der Pflanzen erzählt von ihrer Lebendigkeit. Das ist nicht Esoterik, sondern eine notwendige Veränderung unserer Weltwahrnehmung.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Wurzeln schlagen: Von der Freiheit, einen Ort zu haben

Pflanzen sind schön, nützlich und ein Wunder der Verwandlung. Was sie aber nicht sind: die besseren Menschen. Was wir aber durchaus von ihnen lernen sollten: Wurzeln schlagen und Sorge tragen.

SWR2 am Morgen SWR2

Gespräch „Wir müssen uns nicht gegen alles wappnen!“ – Wie die Natur uns berühren kann

Es ist ein Feld, von dem bisher nur wenig berichtet wurde: Die erotische Ökologie. Dabei kann die Natur uns Menschen in dieser Hinsicht noch viel beibringen, sagt Biologe und Philosoph Andreas Weber.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay Flower-Power Unkraut vergeht nicht – Von fiesen Flechten, bösen Blumen und fantastischen Pflanzen im Film

Das Kino erinnert uns daran, dass auch die Natur der Pflanze keineswegs nur gut ist. Im Gegenteil: Über die Zeit liefern Filme Beispiele dafür, wie zerstörerisch Blumen und Bäume sein können.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower-Power“ Schönheit als Ware – Warum Supermarkt-Rosen systemrelevant sind

Pflanzen sind nicht einfach Pflanzen. Kommen Sie als Schnittblumen daher, haben sie durchaus eine soziale Bedeutung, sind sogar systemrelevant. Dabei hat das kapitalisierte Bedürfnis nach Schönheit einen reichlich toxischen Markt geschaffen.

SWR2 am Morgen SWR2

Essay „Flower Power“ Schau! Mich! An! – Die erotische Verlockung der Pflanzen

Die vergehende Blüte als Zeichen der Vergänglichkeit - der Mensch liest in den Pflanzen gerne das, was er in ihnen lesen will. Einfach nur hinsehen, empfiehlt stattdessen Autorin Julie Metz. Zu gewinnen sind: Unverblümte Verlockung und die Erinnerung an Sinnlichkeit und Sex.

SWR2 am Morgen SWR2

Stand
AUTOR/IN
Sylvia Roth
Sylvia Roth (Foto: SWR, SWR - Sylvia Roth)
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad